Island ist ohne Frage "voller geworden". 400.000 Touristen in 2006, 700.000 in 2013 - das sollte man sehen und spüren. Empfindlich werde ich immer, wenn ich Sätze lese wie
"Überall Reisebusse, lange Schlangen mit deutschen Touristen an jeder Naturschönheit? Eine Bespaßung und Abzocke an jeder Ecke?"
Kein Tourist (
„Touristen sind Personen, die zu Orten außerhalb ihres gewöhnlichen Umfeldes reisen und sich dort für nicht mehr als ein Jahr aufhalten aus Freizeit- oder geschäftlichen Motiven, die nicht mit der Ausübung einer bezahlten Aktivität am besuchten Ort verbunden sind.“– Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO)) kann erwarten, dass ein Land jahrzehntelang auf der Stelle tritt und im selben Zustand verbleibt, wie er es kennt, erwartet und erhofft. Das Leben geht immer weiter, entwickelt sich.
Ich habe mich vor einigen Tagen mit einem Bekannten, einem Ranger unterhalten - und zwar über die Änderung bei den Reisenden. Ich wollte wissen, wie er es sieht - man selber bildet sich ja auch eine Meinung. Und wir kamen beide zur selben Einschätzung: Es gibt nach wie vor die Reisenden / Touristen, die schon immer nach Island kamen - die der Landschaft wegen herkommen, die vorbereitet sind, die sich im Land (zu Fuß) bewegen wollen, die wissen, wo sie sind und was sie tun und was sie vorhaben; die sich auch respektvoll im Land bewegen. Was jedoch in erstaunlich hohem Maße zunimmt, sind Touristen, die nur noch Ziele auf einer Liste abhaken, z. B. Geysir, Jökulsárlón, Eishöhle, Papageitaucher. Die fahren mit Bildern im Kopf durch das Land - Bilder, die sie auch haben möchten. Und zwar nur diese Bilder. Sie wissen weder, wo im Land sie sich befinden, haben nie einen Blick auf die Landkarte geworfen, Null Gespür für das Land, es interessiert sie aber auch nicht - ein reines Abarbeiten von Fotozielen. "Ich vorm Eisberg" - knipps, "Ich vorm Eyjafjallajökull" - knipps. Wie, Eishöhle geht nicht? Das muss! Blödes Land! Und wo zum Teufel bleiben die Polarlichter?
Für genau diese Touristen werden auch immer Bespaßungsangebote - wenn ihr sie denn so nennen wollt - erarbeitet: Riverrafting, Eistunnel im Langjökull, Quadfahren am Kap Dyrhólaey, .... Oder ziemlich idiotische Tagesausflüge wie "Reykjavík - Látrabjrag - Reykjavík" an einem Tag.
Die meisten Touristen bewegen sich entlang der Ringstraße und sehr viele Ziele liegen direkt an der Ringstraße - die sieht man eigentlich (es sei denn, man gehört zur zuvor beschriebenen Gruppe) und nimmt sie auch mit. Klar. Und natürlich sind auch ganz viele Busse unterwegs. Man sollte sich von der Idee verabschieden, das Land für sich alleine zu haben - das halte ich aber eh für eine egoistische Denke.
Ich bin viel mit Gruppen auf 6-Tage-Touren um die Insel unterwegs (ja, manches Geld verdient sich schwer) und wir haben einfach verdammt wenig Zeit auf diesen Touren. Als Individualreisender kann man sich mehr Zeit nehmen, da kann man drei Schritte weiter gehen. Wir sind neulich mit kleiner Gruppe am Skógafoss nur mal oben an der Fallkante über die Leiter und den Weg am Fluss entlang - selbst da bewegen sich dann nur noch sehr wenige Leute. Die großen Gruppen auf kurzer Tour haben keine Zeit dafür. Man braucht sich oft nur minimal von der Hauptsehenswürdigkeit entfernen und hat es gleich ruhiger.
Und es sind längst nicht mehr die Schlangen deutscher Bus-Touristen, die das Bild prägen. Hier haben sich neben den erwähnten ganz andere Nationalitäten stark gemacht ... knipps, knipps.
In dem Zusammenhang: Wir waren kürzlich auf einer Gletscherwanderung und ich fragte die beiden Guides (unseren und einen Kollegen, den ich auch kenne), wie es denn dieses Jahr wäre. So angesichts des feuchten Wetters. Ja, es sei ein Auf und Ab, es hätte viele Stornos gegeben, weil kaum einer im Regen auf den Gletscher will. Mit Ausnahme der Deutschen - die würden die Touren bei jedem Wetter machen, die wären aber auch die einzigen, die von der Ausrüstung her angemessen ausgestattet wären
.
Als Abschluss meinerseits (auch wenn man das Thema stundenlang diskutieren könnte): Man sollte eventuell seine Einstellung überdenken. Ärger über "die anderen" ist oft auch eine Einstellungsssache
. Ein bisschen Toleranz hilft.
Monique