Hallo Ralf
lralfi hat geschrieben:
Dieter ist mir jetzt eigentlich gar nicht direkt aufgefallen, ich denke, das ist alles o.k. solange es nicht bös gemeint ist und benutzt wird, um irgendwelche alleinigen Nutzungsrechte durchzusetzen ode zu rechtfertigen, das ist meist der nächste Schritt.
Wie interpretierst Du denn den folgenden Satz aus einem Beitrag von Dieter:
"Also laßt wenigsten die Gletscher in Ruhe, von denen ihr keine Ahnung habt, es wird sie eh nicht mehr lange geben. " Der Appell richtete sich an "die meisten GW-Fahrer" - wobei im restlichen Beitrag von ruecksichtslosen GW-Fahrer die Rede ist, muss sich also nicht jeder dabei angesprochen fuehlen. Interessant ist jedoch ebenfalls der Nebensatz "es wird sie eh nicht mehr lange geben".
Jedem Besucher von Island sollte bewusst sein, dass seine Flugreise nach Island einen kleinen Beitrag zur Kimaerwaermung geleistet hat - das Problem sind nicht nur die Abgase an sich sondern auch die Hoehe in der die Abgase produziert werden. Da die Klimaerwaermung Gletscher schmelzen laesst zerstoert jeder Islandreisende ein klein wenig seine "geliebten" Gletscher. Er ist quasi mit einem unsichtbaren riesigen Bulldozer ueber den Gletscher gefahren. Die meisten Gelaendewagenfahrer kommen mit der Faehre nach Island - da haben sie einen grossen Umweltbonus. Ueberspitzt gesagt: Es ist einfacher sich ueber sichtbare dunkle Dieselschwaden auf Gletschern aufzuregen als sich zu vergegenwaertigen was man mit seiner Flugreise verbrochen hat.
Das "Rumgehacke" auf Gelaendewagenfahrer fuegt sich ein in die Wunschvorstellung, dass Island - insbesondere das Hochland - individuellen Wanderern vorbehalten sein soll.
Diese Vorstellung waere umsetzbar - und sogar erstrebenswert - wenn Island ein Agrarland waere wo - bildlich gesprochen - "einfaeltige Bauern ihrem Tagwerk nachgehen und Wanderern freudig fuer einen Apfel und Ei Kinderzimmer fuer eine Uebernachtung freiraeumen."
Es hilft Island mit anderen Augen zu sehen: Island besitzt unvorstellbare grosse Mengen an Energie - so gut wie unerschoepflich. Diese Energie ist heute nur zu einem Bruchteil genutzt. Auf Island lastet ein enormer Druck von der amerikanischen Aluminiumindustrie, die wiederum den Bedarf des amerikanischen Militaers decken will oder muss. Eine ganz andere Industrie, das Internet selbst, fordert auch riesigen Mengen an Energie und hat ein Auge auf Island geworfen. Serverfarmen sollen entstehen - so fuer Google. Und "einfaeltige Farmer"? Nein, es geht um Wasserechte und um Land - manches vergessenes Stueck Land und mancher Bach bringen Farmer in ernsthafte Verhandlungspositionen. Wer genau hinschaut wird beim Kárahnjúkurkraftwerk feststellen, dass eine Hochspannungsleitung an einer Stelle einen ungewohnlichen Verlauf hat. Hier hat ein Farmer die Rechte nicht abgeben wollen.
Wirtschaftlich ist Energienutzung in Island hochinteressant - aber es gibt eben noch einen zweiten Wirtschaftszweig in Island - der staerkste nach der Fischerei - und das ist Tourismus. Die Wirtschaftskraft des Tourismus hat bisher einiges verhindert, manches nicht.
Es klingt absurd aber die Abwesenheit jeglichen Tourismus ist die groesste Gefahr fuer die islaendische Natur.
Wer sich ueber Mietwagen, Wohnmobilsten, Reisebusse, Hotels, Pferdereisen im Hochland, Wandergruppen, Motorraeder, Gletscherausfluege, Zeltstaedte, oder "ueberlaufenen Laugarvegur" aufregt erkennt nicht die wichtige Rolle die der Tourismus in Island spielt - derjenige spielt der Energiewirtschaft in die Haende und erweist der Natur in Island einen Baerendienst.
Drei Beispiele:
Das klassische Beispiel Walfang: Man muss gar nicht mehr diskutieren ob Wale hochintelligente Tiere zum Knuddeln oder mehr oder weniger verstandlose vielfressende Fleischbrocken: Die Walbeobachtungsindustrie weist so interessante Zahlen auf die man einfach nicht mehr ignorieren kann. Tickets bringen mehr als Walfleisch.
Das traurige Beispiel Urriðafoss: Als ich vor Jahren Urriðafoss besichtigte, stellte sich das wie folgt dar: Man fuhr einen Weg zu einer gleichnamigen Farm. Nun raetselte man, wo denn der Wasserfall sei. Man versenkte sein Auto in ein bedenklich tiefes Schlammloch in Ermangelung irgendeiner Abstellmoeglichkeit. Dann kletterte man ueber einen Stachldrahtzaun, stapfte durch eine wassergetraenkte Wiese und stand ploetzlich vor dem Monster: Urriðafoss ist der wassereichste Wasserfall Island - auch wenn Dettifoss das von sich behauptet (tatsaechlich konnte ich bisher diesen Widerspruch nie aufloesen).
Heute gibt es sehr konkrete Plaene einen Staudamm oberhalb Urriðafoss zu bauen und das Wasser an dem Wasserfall vorbei durch einen Kanal zu einem Kraftwerk zu fuehren. Der Farmer hat nun einen Teil seiner Wiese fuer eine Zufahrt geopfert, es gibt einen Parkplatz mit einer Bank, eine Tafel und einen Besichtigugsweg. Wahrscheinlich hat der Farmer erkannt, dass er demnaechst einen traurigen Steinbruch hinter seiner Wiese vorfinden wird - da ist es wohl besser Touristen das Wunder bestaunen zu lassen. Leider ist es wohl zu spaet - Urriðafoss ist in vielen Reisefuehrern noch nicht einmal erwaehnt. Die Unversehrheit, die touristische Wertlosigkeit und damit die wirtschaftliche Unwichtigkeit des Wasserfalls war sein Todesurteil.
Das legendeumwobene Beispiel Gullfoss. Da war also die Tochter des Farmers die sich als Jungfrau in die Fluten stuerzen wollte wenn der Wasserfall gestaut wuerde. Und weil man dieses Menschenopfer nicht zulassen wollte gabs keinen Staudamm. Wie romantisch - aber nicht ganz wahr. Der zweite Weltkrieg hat das amerikanische Projekt ins Stocken gebracht. Und danach kletterte Gullfoss zu Touristenattraktion Nummer 1 auf in Island - "The Golden Circle". Niemand kaeme auf die Idee Gullfoss zu stoppen - obwohl es sich immer noch lohnen wuerde.
viele Gruesse
Leon