Angebot oder Drohung?

[MartinB]

Davíd Oddsson will die isländische Pensionskasse entlasten und in die Politik zurückkehren, falls er den Chefsessel bei der Zentralbank vorzeitig räumen muss.
http://www.icelandreview.com/icelandrev ... _id=316517

Gruß Martin

[Sæmundur]

Davíð Oddsson hat die isländische Politik seit über einem viertel Jahrhundert wie kaum ein anderer geprägt, davon 13 Jahre als Islands längstdienender Premierminister und drei Jahre als Vorsitzender des Direktoriums der Isländischen Zentralbank. In seine Zeit als Regierungschef fallen das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, die Privatisierung von Kreditinstituten wie FBA, Landsbanki und Búnaðarbanki, die Stärkung der Unabhängigkeit der Isländischen Zentralbank, die schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer von 50 auf 18 Prozent, die Verringerung der Staatsausgaben und andere Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft, insbesondere der Finanzmärkte. Unabhängig davon, wie man diese Maßnahmen subjektiv beurteilt, lässt sich kaum leugnen, dass Davíð Oddsson die wirtschaftliche Entwicklung Islands seit 1991 maßgeblich mitgestaltet hat. Und jetzt schlüpft er angesichts der Rücktrittsaufforderungen in die Rolle des Sündenbocks und behauptet, er hätte die ganze Zeit über davor gewarnt, worauf die Wirtschaft zusteuert, aber niemand hätte ihm zugehört? Das Interview entbehrt wohl nicht der Ironie.

Eine neuerliche politische Tätigkeit Davíð Oddssons erscheint mir eher unrealistisch: Nach aktuellen Umfragen würde sich das Kräfteverhältnis der gegenwärtigen Koalitionspartner im Fall von Neuwahlen wohl deutlich zugunsten der Allianz verschieben, wobei die Unabhängigkeitspartei ihre Position als langjährig stimmenstärkste Kraft einbüßen und von derzeit 36,6 auf etwa 21 Prozent Stimmenanteil zurückfallen könnte (vgl. Fréttablaðið vom 02.12.2008, Seite 2 oben). In dieser Situation muss die Unabhängigkeitspartei die Möglichkeit berücksichtigen, dass sich der Koalitionspartner eines Tages dem Ruf der Opposition nach Neuwahlen anschließt. Auch wenn Davíð Oddsson unter Funktionären seiner Partei nach wie vor Ansehen genießt, kann sich diese zumindest vor den nächsten Parlamentswahlen kaum erlauben, ihn - quasi die Verkörperung der Finanzkrise - neuerlich für ein wichtiges politisches Amt vorzuschlagen.

Beste Grüße
Ulrich

[Sæmundur]

In dieser Situation muss die Unabhängigkeitspartei die Möglichkeit berücksichtigen, dass sich der Koalitionspartner eines Tages dem Ruf der Opposition nach Neuwahlen anschließt.

Die Vermutung baldiger Neuwahlen dürfte sich als richtig erweisen: http://www.icelandreview.com/icelandrev ... _id=317745

Beste Grüße
Ulrich

[Sæmundur]

Diesem Thread wäre noch ein Artikel aus dem Telegraph hinzuzufügen. Der ehemals mächtigste Politiker Islands wird nun Schriftsteller. Hatten wir das nicht schon einmal im 13. Jahrhundert?

http://www.telegraph.co.uk/finance/news ... tdown.html