Island ist mehr als nur ein Reiseland. In diesem Forum werden gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Themen diskutiert. Eben alles, was nicht unbedingt mit Tourismus und Reise zu tun hat.
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Sæmundur
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von Sæmundur » Mi 24. Feb 2010, 19:52
Die Europäische Kommission hat heute in ihrer Stellungnahme (
http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key ... ion_de.pdf) empfohlen, Verhandlungen mit Island über den Beitritt zur Europäischen Union zu eröffnen.
Folgender Satz dürfte in Island kritisch gewürdigt werden:
"In folgenden Bereichen muss Island erhebliche Anstrengungen unternehmen, um mittelfristig
seine Rechtsvorschriften an den Besitzstand anzugleichen und/oder sie wirksam anzuwenden
und durchzusetzen, damit es die Beitrittskriterien zu gegebener Zeit erfüllt: Fischerei, ..."
Beste Grüße
Ulrich
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stephan
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von stephan » Mi 24. Feb 2010, 20:40
Sæmundur hat geschrieben:
Folgender Satz dürfte in Island kritisch gewürdigt werden:
"...Fischerei, ..."
Naja, nur die Rosinen rauspicken ist nicht.
Ich fände es auch mal toll, wenn sich nicht nur kränkelnde Staaten um eine Mitgliedschaft bemühen würden.
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von Sæmundur » Mi 24. Feb 2010, 22:25
Leider habe ich bis jetzt nicht verstanden, was bei einem EU-Beitritt für Island die "Rosinen" sind. Aber vielleicht kann das hier jemand erklären?
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Olaf
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von Olaf » Do 25. Feb 2010, 00:23
Sæmundur hat geschrieben:Leider habe ich bis jetzt nicht verstanden, was bei einem EU-Beitritt für Island die "Rosinen" sind.
In solchen Sachen bin ich zwar kein Experte und Rosinen mag ich auch nicht, aber von großem Vorteil für Island wäre es wohl, der europäischen Währungsunion beizutreten. Im Falle einer (dann europaweiten) Inflation würden die Währungsunterschiede nicht mehr so sehr die Importpreise beeinflussen. Wenn man bedenkt, was für ein weitreichendes Spektrum an Waren dann ohne Währungsschwankungen sicher und zuverlässig aus Europa importiert werden könnten, wäre das wohl sogar ein ganz gravierender Vorteil im Vergleich zur aktuellen Situation in Island... Anders gesagt, ein Währungsverfall mit Inflation gab es im Euroland wohl in erster Linie deshalb noch nicht, weil man mit den guten Euros ja immer noch alles kaufen kann, was man so zum Leben braucht. Meinem Verständnis nach war das ja auch die Grundidee hinter der ganzen Euro-Geschichte...
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MartinB
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von MartinB » Do 25. Feb 2010, 00:30
Im allgemeinen wird unterstellt, dass die (Haupt-)Motivation für einen möglichen Beitritt zur EU in der Einführung des Euro liegt und die EU-Mitgliedschaft ein wichtiger Schritt dahin ist.
Die Befürworter der Euro-Einführung fürchten, dass die Isländische Krone schnell (wieder) Spielball von Devisenspekulationen werden kann und möchten die Volkswirtschaft davor schützen.
Ein anderer Punkt für die Euro-Einführung ist die Inflationssorge der Isländer und die damit verbundene Bewertung der Krone auch jenseits von tatsächlichen oder behaupteten / empfundenen Spekulationen. Am Umrechnungskurs der Krone hängen die Import-Preise und wenn man sich vor Augen führt, was Alles importiert werden muss, dann hat das schon gravierende Auswirkungen.
Wenn gleichzeitig die Fischereiwirtschaft gegenüber den (anderen) EU-Mitgliedern abgeschottet bleiben soll, kann man von Rosinen-Picken sprechen.
Ob man das so nennen muss und welche Argumente man für stichhaltiger hält, ist eine ganz andere Frage.
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von Sæmundur » Do 25. Feb 2010, 07:11
Man hört und liest immer wieder, dass Island u. a. aufgrund der Nachwirkungen der Finanzkrise die Maastricht-Kriterien (
http://de.wikipedia.org/wiki/EU-Konvergenzkriterien) noch viele Jahre lang nicht wird erfüllen können. Die Einführung des Euro, die zweifellos zu einer höheren wirtschaftlichen Stabilität Islands beitragen könnte, erscheint somit mittelfristig nicht realistisch. Welchen Sinn aber hat ein EU-Beitritt ohne Einführung des Euro?
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Peter
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von Peter » Do 25. Feb 2010, 08:55
Der Beitritt zur Europäischen Union als "Akt" ist ja nur ein wesentlicher Punkt in einem deutlich komplexeren Vertragsgefüge. Island ist über die EFTA (Europäische Freihandelszone) bereits jetzt mitglied im EWR (Europäischer Wirtschaftsraum). Island ist dem Schengener Abkommen bzgl. Reisefreiheit bereits beigetreten. Andersrumwieder sind nicht alle EU-Statten auch Teil der EWU (Europäische Währungsunion). Dafür ist der Eurto teilweise Zahlungsmittel in nciht EU-Staaten...
Der Beitritt zur Europäischen Union hat im Gegensatz zum Beitritt zu verschiedenen Vertragsbestandtteilen wie Schengen und Euro den Vorteil, aktiv an der EU über die vorhandenen politsichen Gremien in Brüssel und Straßburg mitgestalten zu können. Durch die Lissabon-Verträge wurde die Europäische Union ein gutes Stück demokratisiert (wie man zuletzt an der Ablehnung der Datenweitergabe an die USA sehen konnte). Ich bin der Meinung, dass man ein System, in dem man ein Teil ist, auch gestalten können sollte. Island ist schon weit mehr in "Europa" integriert als mancheiner es wahrhaben möchte. Insofern ist der Beitritt zur EU nur ein kosequenter Schritt. Island tut sich aber - wie die Schweiz auch - aufgrund eines starken, historisch bedingten Unanbhängigkeitsdranges, sehr schwer einen Teil der staatlichen Autonomie abzugeben. Letztlich müssen das die Isländer entscheiden. Ich hätte mir auch für Deutschland ein Bürgerentscheid über die Lissabon-Verträge gewünscht.
(Wer es noch nicht bemerkt hat. Ich bin starker EU-Befürworter....
)
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von MartinB » Do 25. Feb 2010, 11:44
Mit diesem Status steht Island ja nicht allein da. Die Situation in Norwegen ist ähnlich. Mitglied im EWR und Schengen, aber nicht der EU. Damit ist auch Norwegen gezwungen, bestimmte Regelungen umzusetzen, ohne sie mitgestalten zu können. Obwohl oder weil die wirtschaftliche Lage in Norwegen aufgrund der hohen Öleinkünfte derzeit deutlich besser als in Island ist, sind auch viele Norweger/innen gegen eine Vollmitgliedschaft. In Norwegen sind das Bedürfnis nach der Wahrung von Eigenständigkeit (auch die Norweger waren über viele Jahrhunderte fremdbestimmt), die Fischerei-Interessen und eine "gesunde Skepsis" gegen die Beschlüsse der Brüsseler Bürokratie "Hindernisse" gegen einen Beitritt. Da ist die Stimmung mit Island vergleichbar. In Norwegen kommen noch die Landwirtschaft und Infrastrukturförderung als weitere Interessenskollisionen hinzu.
Auch wenn die "EU-Verfassung" nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ein Stück weit demokratischer geworden (und somit ein Schritt in die richtige Richtung) ist, wird das die "gefühlte" Situation nicht viel verbessern. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es sich aus isländischer Sicht durch die Mehrheitsbeschlüsse sogar eher verschlechtert hat: Welches Interesse sollte die Mehrheit der EU-Staaten an den spezifischen Bedürfnissen der kleinen Zahl von Inselbewohnern im Nordatlantik ganz am Rand von Europa haben? Durch die deutliche Reduzierung blockierender Vetos hat sich aber auch der Schutz partieller Interessen, die für Wenige von hoher Bedeutung sind, verschlechtert.
Obwohl ich ein grundsätzlicher EU-Befürworter bin, sehe ich aber auch die Realitäten.
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von lena » Do 25. Feb 2010, 17:15
1993 trat in Island ein Gesetz in Kraft, welches einiges rund um den EWR regelt. Island übernimmt damit weitgehend das acquis communautaire der EU (ohne jedoch da nennenswert mitreden zu können).
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Reiner
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von Reiner » Do 25. Feb 2010, 18:58
Durch den Beitritt bekommt meiner Meinung die isländische Fischereiflotte richtige Probleme,denn Sie sind dann voll von den europäischen Fischfangquoten gegnebelt und müssen ihre Flotten drastig einschränken.Das vernichtet wieder Arbeitsplätze und viele Existenzen.Die Jobs,die durch den Beitritt vielleicht entstehen,können viele Fischer garnicht ausüben und so geht wieder ein Stück Indentität Islands verloren.Wie dann viele Küstenorte aussehen werden, kann sich jeder dann vorstellen.Auch die Landwirtschaft/Schafszucht wird stark abgebaut, so das man die Schafe dann auch nur noch selten in der Landschaft sehen wird.
Die kleinen Orte werden weiter verschwinden und Reykjavik und Akureyri werden voller.
Gruß Reiner
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