3.Tag - 05.05.2014
Wache gegen 09:00 auf. Am Lärm und dem prasselnden Geräusch der Eiskristalle, die auf das Wellblechdach der Hütte treffen, kann ich auch noch halb verschlafen erahnen, das keine sonderliche Wetterbesserung eingetreten ist.
MIST !
Stehe auf und schaue heraus. Es ist heute "grauer" und der Himmel ist bewölkt, aber alles in allem sind die Wetterbedingungen ( ohne den Sturm ) ganz annehmbar.
Gehe vor die Tür und funke Reykjavik an, wie es mit dem Wetter allgemein und für diese überschaubare Region im speziellen aussieht.
Mache mir Frühstück und grüble dabei über der Karte und versuche mir einen Plan "B" für den Fall der Fälle zurecht zu zimmern ( was nicht wirklich klappt ), als via Sattelite Maddi`s Antwort eintrifft.........."06:00pm - 06:00am better Weather cond."
Ich übersetzte das jetzt mal für Nichteingeweihte. Uns allen wird auf unseren Reisen und dem Kontakt mit Einheimischen nicht entgangen sein, das diese eine eher zurückhaltende Art pflegen und man im Laufe der Jahre gut daran tut bei ihnen "zwischen den Zeilen zu lesen".
Maulfaul würde man im eher exaltierten südlichen Teil Deutschland oder gar Europas dazu sagen. Es ist also wichtig ( so zumindest meine Erkenntnis nach 25 Jahren Islandreisen ), den einzelnen Worten eine besondere Gewichtung zukommen zu lassen.
Auch wenn ich jetzt etwas abschweife, hier ein kleines Beispiel an welches ich auch heute noch immer wieder mit einem ungläubigen Kopfschütteln & grinzen zurückdenken muß:
Als ich Anfang Juni 2012 vom Myvatn kommend die Odadahraun & Sprengiasandur Richtung Südküste unter "Restwinterbedingungen" durchquert habe, saß ich nach einem SAUHEIßEN TAG mit fast 20C ( habe mich mit ebenfalls 36-37kg Rucksack zu tode geschwitzt ) in der Hütte Botni ( Start/Ende des Öskjavegurinn ) und jammerte Maddi am Telefon ob der Hitze die Ohren voll. Seine lapidare Antwort darauf waren lediglich 4 Wörter, welche sich aber wohl bis an mein Lebensende ins Gedächnis gebrannt haben......." BE PREPARED FOR COLD " !
Hier in Deutschland würde man jetzt bei so einer Antwort und bei 20C herlichstem Sommerwetter denken,......ok, morgen wirds kühler und es fängt vielleicht an zu regnen............ich aber wachte am kommenden Tag bei fast 0C auf und die ganze schwarze Lavawüste um mich herum war bereits mit weißem Schnee "gepudert". 6h später beim laufen abseits aller Pisten über die offenen Lavafelder gen Süden befand ich mich dann in einem veritablen Schneesturm mit -4C & 40km/h Nordwinden welche mir um die Ohren pfeifen, dazu heftigstem "horizontalem Schneefall", Sichtweite zumeist nicht mehr als 30-40m. Die Sprengiasandur immer noch geschlossen zu diesem Zeitpunkt ist man somit wahrlich mutterseelenallein auf dieser Welt..........und eigentlich der rechte Zeitpunkt gekommen, so allmählich in Panik zu verfallen..........
Mir geistern aber beim weitermarschieren bis hinunter zur gaesavatnaleid nydri den Rest des Tagen diese 4 Worte im Kopf herum........."be prepaired for cold".............VERDAMMT NOCHMAL MADDI........was zum Teufel hättest Du geschrieben bei einem Weltuntergang......" it could become unpleasant "
?????
Aber zurück zum Thema.........."06:00pm - 06:00am better weather cond." heißt aus dem isländischen übersetzt für mich soviel wie........Du hast diese Nacht Zeit, entweder rauf auf den Pass und auf der anderen Seite wieder runter, oder nimm den gleichen Weg zurück, den Du gekommen bis, aber bewege deinen Ar***, wenn Du nicht weitere Tage da oben rumm sitzen willst.
Tiegere den Rest des Vormittages in der Hütte herum und gehe alle 10min vor die Tür um das Wetter zu begutachten. Am frühen Nachmittag läßt das Wind drastisch nach.
OK, jetzt gilt`s. In Windeseile packe ich meinen Rucksack und warte.......und warte.......und warte ......schaue auf die Uhr..(04:00pm).....warte weiter.....schaue raus......warte weiter....der Wind läßt weiter nach.....sofort zieht Nebel auf........der Wind läßt noch weiter nach........05:00pm......Wolken wabern vom Pass herab gen Meer.
Ich ziehe mir meine robuste Signalfarbene Goretex Montur an und habe jetzt alles im Vorraum bereit gelegt. Ein letzter kurzer Eintrag ins Hüttenbuch, das ich die Passüberschreitung Richtung Thörsmork nun doch heute Nacht wagen werde.
Sitze in der offenen Tür und wippe nervös mit den Knien vor mich hin.
Der Wind hat jetzt derart nachgelassen, das wirklich so gute Marschbedingungen herrschen, wie man es auf einem Gletscher nur erwarten kann. ABER ES IST JETZT GRAU IN GRAU TRÜBE UND EHER NEBELIG.
Schuhe an, Ruckksack aufgesetzt, Hütte ordnungsgemäß verschlossen, SS angeschnallt, Stöcke in die Hand, und loß geht`s ( verlasse die Hütte um kurz vor 18.00 Uhr )......bin aufgeregt aber auch freudig erregt, das es endlich weitergeht.
Nach kurzem Lauf ein letzter Blick zurück ein inneres Verabschieden und dann sind meine Gedanken nur noch nach Vorne gerichtet.
Gleich hinter der Baldvinsskalli geht es ordentlich steil nach oben. Laut Karte und Höhenlinien sind es noch gute 200Hm bis zum Pass. Der Schnee ist weich und tief und es geht sich außerordentlich mühsam.
Aber ich pushe mich und komme gut vorran. Irgendwann bin ich oben......dachte ich zumindest. Aber vor mir macht sich eine eher leicht abschüssige Meterdicke wellige Schneeebene breit. Von den beiden neuen Vulkankegeln ist nichts zu sehen, ebenso ist die Fimmförduhalsskalli nicht zu erblicken, obwohl ich doch jetzt auf einer Höhe mit ihr sein mußte.
Es wird immer dunkler und dusiger, Sichtweite höchstens noch 50m, eher weniger.
Dann tut sich vor mir plötzlich ein gut 15m breiter Graben auf, welcher in seiner Form einem Flussbett oder einer Skadboard-Halfpipe gleich in ostwest Richtung verläuft und dessen Ende in beiden Richtungen im Nebel verschwindet. Tiefe ca. 4m ! Auf der einen Seite reinrutschen ist wohl kein Problem, aber auf der anderen Seite wieder rauskommen ????
Ich überlege kurz, ob ich versuchen soll, ihn auf der Ost oder Westseite zu umgehen, aber jetzt auf unbekannte Länge in diesem tiefen Pappschnee in eine Richtung zu gehen, in die mich mein Weg gar nicht führt, behagt mir sowas von gar nicht, das ich mich dann doch entschließe, wie eine Spinne auf der einen Seite in die Schüssel hineinzurutschen.....in der Hoffnung, das ich auf der ANDEREN AUCH WIEDER HINAUSKOMMEN !
Durchquere diese "Rinne" und frage mich, wie sie wohl zustande gekommen sein mag, als ich mich auch bereits am nördlichen Rand der selben befinde. Gerade komme ich erwartungsgemäß nicht hinaus. Der Schnee ist trotz SS zu tief und pappig und gibt derart nach, das es eher ein Schritt vorwärts und zwei zurück gleichkommt...........ich nenne diesen ab sofort nur noch als "Schmierseifenschnee"......und jeder Winterwanderer von Euch wird sofort aus eigenener Erfahrung wissen und nachempfinden können, was ich damit meine.
Also mache ich mich im Zickzack daran und kämpfe mich so langsam aus der Rinne.
OBEN ........DAMN......ich schwitze wie ein Berserker, aber ich bin oben. Kurze Pause, dann weiter. Ein paar Meter geht es mehr oder weniger gerade aus, dann folgt der nächste nicht so steile, dafür um so längere Anstieg. SCHMIERSEIFENSCHNEE........
KAMPF.....Zum Teil mache ich im Anstief auf meinen Knieen Halt, beuge mich dabei zur besseren Gewichtsverlagerung so weit nach vorne und berühre mit meiner Stirn den Schnee nur um nicht während dieses Stops nach unten abzurutschen und schnaufe dabei vor mich hin wie eine Dampflok.
ICH BIN FAST OBEN und ramme kurz vor der Kannte meinen rechten Carbonstock in den tiefen Schnee, als ich plötzlich ein knacken vernehmen kann.........beim herausziehen, das der Komperdell in der Mitte durchgebrochen ist und nur noch an einigen wenigen der Carbonfasern hängt.
VERFI**TE SCH**ßE........ich kämpfe mich über den Rand wuchte mich hoch und laufe noch ein paar Meter bis zu einer vollständig schneefreien Stelle mit einem großen Stein als Windschutz.
Der Boden ist mehr als Handwarm und trocken. Ich setzte mich, schnalle ab und liege einfach nur so da, während mir der Schweiß in die Augen läuft.
Ein TIEFER SCHLUCK aus meiner Trinkflasche, die ich am rechten Schultergurt in einem Holster befestigt & somit immer griffbereit habe.
Schaue mir den Wanderstock an. DA IST NICHTS MEHR ZU MACHEN.
Trenne die beiden Teile mit einem kurzer Ruck vollständig von einander und stopfe das untere Teil in die Seitenriemen des Denali.
Ärgere mich WIRKLICH MAßLOS. Unter diesen Bedingungen brauche ich eigentlich zwei Stöcke, aber mit derart viel Gepäck ist ein rytmischen Laufen mit nur einem überhaupt nicht möglich. Dabei fällt mir ein, das im Vorraum der Baldvinsskalli ein einzelner Leki aus Alu hing & ich kurzzeitig noch überlegt hatte, ob ich diesen für den Fall der Fälle an mich nehmen soll. Das dann aber mit dem Gedanken verworfen hatte, das er mir A.) nicht gehört und B.) ihn vielleicht jemand anderes deutlich besser wird gebrauchen können -also jemand ohne Stöcke- !
Tja, jetzt bin ich wohl der jenige selbst. Soll ich alles Gepäck hier lassen und zur Hütte zurück um ihn zu holen ????
NEIN....ich muß weiter.........Es ist mäßig windig, feucht kalt, dunkelgrau und mittlerweile fast 09:00pm .......SICHTWEITE NUR NOCH ca. 20m !!!!!
WEITER....WEITER....WEITER
Ich kann den Fuß von "Magni" oder "Modi" im Nebel vor mir erkennen. Zudem schaut vor mir plötzlich das obere Ende eines Schildes aus dem Schnee, das den Weg Richtung Thörsmork anzeigt.
SICHTWEITE 10m !!!
Ziehe immer wieder das GPS aus seinem Neoprenholster am linken Schultergurt um die Richtung zu halten.
SICHTWEITE 5m !!!
Wolken wabern um mich herum und ziehen wie Wolken durch den Wind getrieben an mir vorbei.
SICHTWEITE 2-3m !!!
Steige langsam abwärts und dann ist es auf einmal nahezu Windstill.
SICHTWEITE WENIGER ALS 1m !!!
Höre meinen Atem, aber sonst kingt es, als ob ich plötzlich Watte in den Ohren hätte. Alles ist irgendwie so komisch still.
Schaue vor mir auf den Boden, kann aber NICHTS MEHR ERKENNEN.
ES SIT ALLES EINFACH NUR NOCH WEIß.......ob das was ich da vor mir sehe, Schnee ist oder der Nebel........es gibt keinen Unterschied mehr.
DAS ALSO IST DER BERÜCHTIGTE "WHITE OUT".......WOOOWWWW
Spock würde jetzt wohl sagen ...." FASZINIEREND"....!!!
Ich fühle mich wie in Watte gepackt....und überlege was ich jetzt machen soll. Normalerweise erübrigt sich diese Frage, ....wer nicht sehen kann wo er ist und wo er hin will, der tut gut daran GENAU DORT ZU BLEIBEN WO ER SICH GERADE BEFINDET !
Jetzt wird mir auch klar, warum immer mal wieder Wanderer auf vermeindlich normalanspruchsvollen Ettapen im Hochland auf nimmer wiedersehen verschwinden.
BITTE MISSVERSTEHT MICH JETZT NICHT.....mir liegt es wirklich fern, hier den Held der Berge zu geben, aber psychologisch ticke ich wohl etwas abnorm. Ich kenne das bereits von mir, Ähnlich wie auf ob angesprochener Sprengiasandurtour mit Schneesturm und anstelle mich besser im Zelt zu verkriechen, laufe ich mit einem breiten Grinsen über die Lavafelder, während mit der Sturm um die Ohren bläßt. JE SCHLIMMER DESTO BESSER UND AUFGEREGTER FÜHLE ICH MICH.
Solche Situationen elektrisieren mich daher geradezu und ich habe dann eine derartige Ausschüttung von Endorphinen, das ich hochkonzerntriert weitermache.
Eine Bekannte von mir, die Psychologin ist ( nein .....NICHT MEINE THERAPEUTIN
) bezeichnete dieses Verhalten mal während eines Gespräches als "Riscsearcher"........für mich klingt das so nach den Typen, die gerne mit dem Fallschirm von Hochhäusern springen.......was auf mich definitiv nicht zutrifft.
Mir machen solche Situationen einfach nur keine Angst und mir fällt ein Spruch von Reinhold Messner ein......."nur solange du nicht weißt, ob du es schaffst ist es ein Abenteuer,.......alles andere ist bloß Sport".
Ich versuche beim einhändigen Weitermarsch ( rechts der verbliebene Stock.....links das Garmin ) in unebenen Geländeabschnitten, das GPS zurück im Holster, mit dem ca. 70cm langen Stockstummel wieder in der Hand AUF SICHT ZU LAUFEN.......also ohne NICHTS ABER AUCH GAR NICHTS ERKENNEN ZU KÖNNEN, die Richtung zu halten.
Nach 1min kontroliere ich dann wieder mit dem GPS und stelle fest, das ich bereits nach wenigen Metern um 30-40 Grad von meinem Kurs abgewichen bin ( entweder vom Gefälle es Geländes vom Weg abgekommen, oder durch den Wind abgedriftet. Da ich keinerlei Fixpunkt mehr habe, kann ich auch meinen Kurz durch solche Abweichungen nicht mehr korregieren.........ich bin noch nicht mal mehr im Stande auch bloß 20m gerade aus zu laufen......ABSOLUT NULL CHANCEN........genauso gut könnte ich mir ein weißes Blatt Papier direkt vor die Augen halten !!!! Ich komme mir vor wie ein Pilot, der in den Wolken ohne Sicht auch nur ein nach Messinstrumenten navigieren muß.
IRRE....mache nur kurze Pausen, trinke schluckweise und schiebe mir den ein oder anderen Energieriegel zwischen die Zähne. Mittlerweile ist es später Abend.
Erreiche nach einander zwei weitere Navipunkte auf meinem Garmin und wechsle nach dem letzten die Richtung gen nordwest.....ich kann es nicht sehen, aber es geht spürbar abwärts, dazu läuft es sich plötzlich zu leicht.
Ich komme über eine kleine Kuppe und plötzlich kann ich wieder 10-20m sehen. Habe eine ca. 500m breite mehr oder minder horizontale Ebene direkt vor mir.
MEIN HERZ RAßT !
Erreiche auch deren nördliche Ausläufer und steige steil bergab. Mit jedem Meter wird die Sicht besser. So als ob jemand einen Vorhang lüftet, steige ich aus dem Wolken berab. Der Wind nimmt schlagartig deutlich zu und vertreibt allen Nebel.
Vor mir taucht plötzlich ein langer knallgelber Signalpfosten aus Alu auf, ca. 50m weiter der Nächste.
ICH HABE ES WIRKLICH GESCHAFFT.......vor mir ein atemberaubenes nächtliches Bergpanorama mit dem tief eingeschnittenen Tal der Thörsmork direkt vor mir.
Lasse mich total erschöpft in den Schnee sinken, atme ......staune.... und bin völlig sprachlos, während mich ein irre Welle der Gefühle ergreift und mir die Tränen in die Augen schießen......das ist jetzt einfach zuviel des Guten !
Es ist mittlerweile nach Mitternacht und plötzlich ergreift mich Hektik, ich will jetzt nur noch runter von diesem Berg. Jede Emotion, welche mich gerade noch so kopflos gemacht hatte, ist genauso schnell verschwunden wie sie gekommen ist.........WEITER WEITER WEITER......NUR NOCH WEITER.....das Adrenalin schickt mir in den Kopf und ich eile den Pfad bergab. Dabei kommt mir ein weiterer Spruch der Bergsteigerszene in Erinnerung......." erst wenn Du von einem Berg sicher und heil wieder ins Tal abgestiegen bist, gehört er dir,........davor gehörst Du alleine ihm".
Ich beruhige mich und seitliche heftige Fallwinde aus der Richtung des erkalteten Lavafalls April 2010 zwingen mich immer wieder auf die Knie...... jetzt bloß keinen Fehler oder Fehltritt.
Komme an die Stelle, wo verankerte Ketten den schmalen Grad hinab zu einer weiten Plateauebene absichern.
Leider bin ich nicht sonderlich höhenfest und gerade eben im Whiteout noch DER KING.....bekomme ich beim Anblick dieses steilen tief verschneiten steil abfallenden Grades ORENTLICH WEICHE KNIE.
Ich kämpfe mich GGAAANNZ VORSICHTIG Schritt für Schritt voran und erreiche nach einer gefühlten Ewigkeit endlich das horizontale Plateau.
SCHNEEMATSCH.....mit einigermaßen festen Schneeinseln durchsetzt.....Holzpflöcke weisen den Weg nach Norden UND nach Westen.
Ich folge letzteren ( FEHLER ) und steige über zwei lange Schneehänge in Westlicher Richtung gute 200Hm ab ( GRÖßERER FEHLER ).
Bis ich merke das das wohl der falsche Weg war, ist es zu spät. Jetzt die ganzen Schneehänge wieder aufsteigen, dazu reicht meine Kraft nicht mehr.
Enttäuscht gebe ich auf, schlage mein Zelt auf einem kleinen mehr oder weniger schneefreien Plateau auf und mache Feierabend. Hatte so gehöft noch bis hinab nach Thörsmork zu kommen......MIST VERDAMMTER.......VERDAMMTER MIST
!