Zeltversuche auf den Westmänner-Inseln

Erfahrungsaustausch mal ausführlich.
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Monique
Plauder-Elfe
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Zeltversuche auf den Westmänner-Inseln

Beitrag von Monique » Sa 30. Sep 2006, 00:27

Da ich schon lange drüber lachen kann, möchte ich auch euch das Vergnügen nicht vorenthalten und aus dem ach so kurzen Leben meines Zeltes berichten. Vielleicht dient es dem einen oder anderen dann ja doch noch als Warnung.

Ja, ich gebe es zu. Ich hatte sie alle gelesen – die Hinweise zu den Zelten, die man zum Überleben auf Island braucht. Doch als ich dann, schon vor Ort in Reykjavík, meine Pläne zu Gunsten von „Urlaub“ änderte, gab es drei zu berücksichtigende Rahmenbedingungen: Das Budget, das Budget und das Budget. Bei meiner Suche nach einem geeigneten Zelt stieß ich bei ebay auf eine Firma, die die Namensbestandteile Profi und Outdoor in sich vereinigte und da war es: mein Zelt in meiner Farbe, sprich: knallorange. Sie sprachen von geodätischer Konstruktion, von ideal für Trekking und sturmsicher. Und das für 60 €! Ich wollte es den ganzen Kauf-Teuer-Zeltern zeigen, habe geboten und gewonnen. Mitte Juni, also zwei Wochen vor Urlaubsbeginn, trafen mein Zelt und das restliche Equipment per Luftpost in Reykjavík ein und das Drama nahm seinen Lauf. Erster Probeaufbau in der Wohnung ... und mir schwante Böses. An einigen Stellen spannte es arg und die Laschen für die dritte Stange waren karo-einfach in den Zeltboden eingenäht. Als ob ich es geahnt hätte, schrieb ich der Firma noch kurz ne Mitteilung über meine Bedenken, dass ich das Zelt, wäre ich in Deutschland gewesen, sofort zurückgeschickt hätte und dass ich davon ausging, dass es die erste isländische Sturmnacht nicht überlebt. Aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Also ran an den Außentest. Bestens versorgt mit Imprägnierspray hielt mein Zelt tapfer zwei Tage und zwei Nächte auf einem Reykjavíker Hinterhof aus, ohne irgendwelche Ermüdungserscheinungen. Na bitte, geht doch.

Am 29.06.06 startete ich dann in meinen Urlaub. Erstes Ziel: die Westmänner-Inseln. Schon die Überfahrt bot einen Vorgeschmack auf das, was mir bevorstand. Ich musste – wie so viele andere – fast die gesamte Überfahrt in der Waagerechten verbringen, um mich nicht – wie so viele andere – an der Produktion von Fischfutter zu beteiligen. Dabei hätte ich noch fast die spektakuläre Einfahrt in den Hafen verpasst. War das ein Anblick, Wahnsinn! Wie bei einem kleinen Kind ging der Mund nicht mehr zu. Es war so irre schön.

Mutig stellte ich meine kleine orange Leuchtboje auf – ihr erster richtiger Einsatz und sie machte tatsächlich einen stabilen Eindruck, während der Wind zunahm. Dann ging es auf zur Inselerkundung. Vom Zeltplatz aus ging direkt schnurstracks einen Weg rauf auf den Berg (auf den Háhá?) – ich meine den, bei dem sie die Serpentinen vergessen haben. Glücklicherweise kam der Wind von Westen und hatte schon so stark zugenommen, dass er mich nach oben drückte. So konnte ich zumindest nicht rückwärts runterfallen und brauchte beim Aufstieg nur 8x anhalten. Oben angekommen, vernahm ich Musik und konnte in der Ferne einen Umzug ausmachen. Also schnell an anderer Stelle wieder runter und nachgeschaut. Shellmot 2006! Ich gesellte mich zu den vielen Isländern auf den Sportplatz und genoss das Spektakel. Die Stimmung unter diesen Jungs war Wahnsinn. Der Hall der umliegenden Berge verstärkte ihre Schlachtrufe, die Gänsehaut erzeugten. Als ersten Höhepunkt nach der offiziellen Eröffnung gab es ein Feuerwerk. Gut, wer in Deutschland mal ein Feuerwerk im Sommer um 16 Uhr gesehen hat, weiß, wie es in Island abends um 20 Uhr aussieht. Aber schön warŽs trotzdem. Man hat es eben erst knallen gehört und dann konnte man mit etwas Anstrengung die Rakete am Himmel entdecken :-) Was ich allerdings noch nicht einmal in Deutschland erlebt habe und womit ich in Island schon gar nicht gerechnet hätte … dass eine Rakete einen Brand auslöst. Nun gut, mit einem Feuerlöscher hatten sie das Problem recht bald im Griff. Dann kam der nächste Höhepunkt: Das Fußballspiel der spontanen Trainer-Auswahlmannschaft gegen Òmars All Stars. Leute, in Deutschland lief zu der Zeit die WM, die ich bis dahin nicht und nach diesem Spiel schon gar nicht vermisst hatte. Das war das coolste und lustigste Fußballspiel, das ich je gesehen habe! Ich habe mich köstlich amüsiert! Anschließend gab es dann noch eine Flugshow mit einem roten Doppeldecker, der ein paar echt spektakuläre Stunts drehte. Allein diese ganze Show war es schon wert, auf die Insel gekommen sein. Das war ein wirklich schöner Auftakt.

Direkt im Anschluss begann aber der ungemütliche Teil. Es begann zu regnen, und der Sturm wurde nicht weniger. Immerhin stand mein Zelt noch. Die ersten 2,5 Stunden konnte ich wegen der vielen Autos, die noch auf dem Zeltplatz ankamen, und wegen dem Geschnatter der Vögel nicht schlafen. Und anschließend waren alle Sinne auf das Zelt gerichtet: Hält es??? Dass es nicht durchregnet, da war ich mir ziemlich sicher. Aber der Sturm? Zumindest waren die Vögel plötzlich ruhig, als der Wind immer mehr zunahm. Und irgendwann hatte ich auch Vertrauen in mein Zelt und schlief 2 oder 3 Stunden. Noch im Traum ersann ich meinen Text fürŽs Forum, den ich dann nach 8 Wochen mit meinem Billig-Zelt zwingend hinterlassen wollte. Dann war es 4 Uhr und zu dem Sturm gesellte sich noch richtig fetter Regen. Es war einfach nur noch laut und ich beobachtete mein Zeltgestänge. An Schlafen war gar nicht mehr zu denken und ich gab gegen 7 Uhr einem körperlichen Drängen nach und begab mich in starker Schräglage (anders war gegen den Wind nicht anzukämpfen) Richtung Klohäuschen. Wieder zurück inspizierte ich mein Zelt: Es hielt sich noch ganz tapfer. Nur an der befürchteten Stelle – da wo die Lasche für die dritte Stange in den Zeltboden genäht war – war ein kleines Loch. Der Wind wurde immer stärker und ich beschloss, alles zusammenzupacken, um Rucksack und Zelt tagsüber irgendwo unterzustellen und abends wieder aufzubauen.

Es war 8 Uhr, als ich mich endlich wieder in meine Regenmontur gepellt hatte und begann, das Zelt zusammenzupacken. Leider musste ich feststellen, dass es die Lasche inzwischen komplett entschärft hatte. Mein Zelt hing also nur noch an 5 Gestängeenden und war von eben auf jetzt völlig unbrauchbar geworden. Aber irgendwie war ich gar nicht wütend. Vielleicht sogar ein wenig froh, dass es das Zelt gleich am Anfang der Reise entschärft hatte, da ich eh noch mal nach Reykjavík zurück musste. Durch den Regen und weil es mir irgendwie peinlich war, dass ich im strömenden Regen meine Leuchtboje zusammenpacken musste, nahm ich um mich herum nichts wahr. Plötzlich hockten zwei Polizisten hinter mir und mir schoss im ersten Moment nur ein Gedanke durch den Kopf: Jetzt verhaften sie dich, weil du mit nicht islandtauglichem Material unterwegs bist. Aber nein. Sie haben einfach nur mit angepackt, beruhigend auf mich eingeredet, mir erzählt, dass ich die Nacht in der Turnhalle schlafen könnte, und mich und mein Zelt in eine Lagerhalle gebracht (zum Trocknen) und mich ohne meine Zelt anschließend ins Schwimmbad. Es war beruhigend festzustellen, dass ich nicht das einzige Opfer war. Und es war dann später noch beruhigender, als ich erfuhr, dass die Polizei nicht nur die Flugobjekte (wobei mein Zelt ja kein Flugobjekt war; aber egal, kaputt war es trotzdem) gesichert, sondern wegen des Sturms den gesamten Zeltplatz geräumt hatte. Ach und ganz im Vertrauen hoffte ich, dass die Polizisten Recht behielten mit ihrer Aussage, dass so ein Sturm nur 12 Stunden andaure. Für den nächsten Tag stand auf jeden Fall gutes Wetter auf dem Plan.

Während ich im Regen im HotPot saß und die letzten Stunden Revue passieren ließ, verzogen sich tatsächlich so nach und nach die Wolken und um 13 Uhr konnte ich bei strahlendem Sonnenschein meine Wanderung um die Insel antreten. Kurz vor 18 Uhr war ich zurück, meldete mich wieder bei der Polizei um mein Zelt abzuholen. Ach das Ärmste, es lag da ganz alleine in der großen Lagerhalle, denn alle anderen waren schon abgeholt worden. Die Polizei, mein Freund und Helfer in der Not, zeigte sich wieder von der besten Seite, chauffierte mich durch die Gegend und teilte mir noch ganz stolz mit, dass es Deutschland ins Halbfinale geschafft hatte. Ich gebe zu, ich habe die Gastfreundschaft aufŽs Spiel gesetzt, als ich anmerkte, dass die Deutschen auf keinen Fall die WM gewinnen werden :-) Zurück in der Sporthalle gab es die nächste Panne – nix mit Übernachten. Zum Glück war ein Däne in der Runde, der Isländisch konnte und alles dolmetschte. Und plötzlich bemühten sich wildfremde Menschen, dass wir eine Unterkunft fanden, was wegen des Shellmot nicht so einfach war. Letztendlich kamen wir mit 3 Mann im Haus der Pfadfinder bei der Fußballmannschaft von Selfoss unter.

Der dritte Tag begann mit richtig tollem Wetter. Ich wanderte durch die Gegend, war einer von vier Passagieren auf der Bootstour um die Insel, sah ganz viel Wale ganz dicht, erlebte den KaptŽn mit seinem Saxophon-Solo, genoss das kleine Aquarium der Insel und machte mich bei ruhiger See auf nach Reykjavík.

Nachlese: Die Westmänner-Inseln sind wirklich toll – wenn nicht gerade Sturm ist. In Reykjavík habe ich ein tolles, neues Zelt erstanden, bei dem ich dann alle Hinweise berücksichtigt habe. Zu guter Letzt hat auch die Firma meines Erst-Zelt den kompletten Preis erstattet, wobei ich mir Kommentare á la „Hat sich Ihre negative Erwartungshaltung also erfüllt?“ anhören musste. Es gab einen Kommentar zurück und damit war die Sache erledigt. Was viel wichtiger ist: Mein zweites Zelt lebt noch immer :-)
Dorte
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Beitrag von Dorte » Sa 30. Sep 2006, 11:07

Ein sehr schöner Bericht! Nicht, dass ich dir dein Pech gönne, aber es war doch sehr unterhaltsam zu lesen. Isländische Polizisten sind wirklich nett, habe bisher noch keinen typischen Beamtenmuffel getroffen.
Ach, dein armes Zelt... das kam sich bestimmt vor wie ein Grundschüler, der plötzlich Abitur schreiben soll. Völlig überfordert. :lol:
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lena
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Beitrag von lena » Sa 30. Sep 2006, 12:08

Als ich das erste Mal in Island gezeltet habe, war das mit dem absolut billigem Billigzelt meines isländischen Mitbewohners. ich hatte Glück, es hat gehalten. Nicht nur du gehst mit sowas auf Tour. Wie schön, daß dir alle so weitergehoplfen haben und daß du noch ein bißchen schönes Wetter dort erleben durftest. :)
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Sigrid
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Beitrag von Sigrid » Sa 30. Sep 2006, 13:04

Schöner Bericht!

Gut, daß du deine Sachen rechtzeitig eingepackt hast, und du nicht mit dem Zelt davon geflogen bist.
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gulminge
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Beitrag von gulminge » Di 30. Jan 2007, 02:45

AH die Zelten !!!

Ich bin auch mit eine ganz billige Zelte nach Island gekommen. (um die 30 euros). Das war ein 2 bis 3 pers. Zelt obwohl ich allein war. Vor der Reise wusste ich uberhaupt nicht ob es reichen würde. Ich war fur 46 Tagen unterwegs allein durch Wüsten, Bergen usw... Nach 10 Tagen hatte ich zum ersten mal richtig Wind. Ich konnte trotz die grosse Zelt kaum bewegen. Ich habe mein Rucksack mit dem Topf drunter an der Windseite legen mussen um ein bisschen schlaf zu bekommen. Dann 2-3 Mal wieder das selbe. Einigen Wochen später bin ich von Askja nach Myvatn durch die Wuste gelofen und da gab es wieder viel Wind !
Einer meiner 2 Glassfieberstange ist gebrochen. Ich hatte zum gluck genügend Kleber und konnte mit dieser Zelt weiter machen. Ales ging Gut.

2 Wochen danach bin ich wieder mit einem Kollegue aus der Schweiz mit dem Fahrrad nach Ouarzazate (Marokko) weg. Natürlich mit der gleichen Zelt. Wir haben keine Problemen bekommen.



Ich habe keine anderen Zelt gekauft aus finanziellen Grunden aber nicht nür ! Ich denke das man sein Risiko selbst wählen darf. Ich war bereit Nass zu schlafen oder im Wind. Ich konnte deshalb auch mehr Risiko fur den Zelt nehmen. Eine Freundin, dich ich dort kennen gelernt habe war mit ein ganz dünnen Schlafsack unterwegs und hatte jede Nacht kalt. Fur mich ist also Klar : Jeder muss sein Risiko oder Konfort selbst entscheiden. Einigen Risiko sind aber Tödlich und diese muss man wirklich wahr nehmen. Auserdem Leiden wir alle zum Teil aber wir wissen alle das es sich voll Lohnt. Viel spass noch mit alle verschiedene Ausrüstung.

Habt ihr imer die Top ausrüstung ?
"Der Junge spaziert schnell um alles zu sehen, der Alte lauft langsam um alles zu sehen."

Julien
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mánaljós
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Beitrag von mánaljós » Di 28. Aug 2007, 16:31

Hallo Monique

auch mein Zelt hat im Wind der Vestmannaeyjar einige Wunden abbekommen...

Bei strahlender Sonne und Windstille habe ich Anfang Juli dieses Jahres mein Zelt in Herjolfsdalur aufgebaut. Am zweiten Abend schlich sich der Wind langsam heran. Als das Zelt in der Nacht so platt lag, dass es mich zu ersticken drohte, dachte ich, ich sollte mal nachsehen. Die meisten Camper hatten schon längst aufgegeben. Einige Leute schliefen nass und genervt im Waschraum. Überall lagen Zeltleichen. Ich kam mit einem deutschen Motorradfahrer ins Gespräch, der wie ich den Sturm tapfer ausgeharrt hat. Jede Stunde in der Nacht standen wir draußen, haben alles wieder befestigt und unsere Zelte bei starken Böen festgehalten. Nach zwei Tagen, noch kein Ende im Sicht. Ich gebe zu, ich hatte dann die Schnauze voll und habe mir ein Zimmer für restliche Zeit dort genommen...Als ich ein paar Tage später mein Zelt im Hochland wieder aufgebaut habe, stellte ich mit Entsetzen fest, dass das Gestänge stark verbogen war. Ich sollte weitere vier Wochen im Hochland sein – ich konnte nur hoffen, dass der Wind mir gnädig behandelt.

Das Zelt hat dann doch durchgehalten. Ich habe es auf einer Seite verstärkt befestigen müssen, und für nächstes Jahr muss ein neues Gestänge her. Es war absolut kein billig Zelt und nur zwei Jahre alt. Der Wind auf den Westmännern ist einfach „hammerstark“ :roll:
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Monique
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Beitrag von Monique » Di 28. Aug 2007, 21:12

Hi mánaljós,

jaaaa, ich erinnere mich zu gerne an meine Aufenthalt auf den Westmännern. Abgesehen von diesem Sturm war es wirklich mehr als nett dort. Als wir damals bei dieser Fußballmannschaft unterkamen, erzählte uns die eine Isländerin, dass sie das einigee Jahre zuvor auch während des shell mot so einen starken Sturm hatten, dass es ihnen den Wohnwagen umgehauen hatte. Seitdem übernachtet sie dort nun noch in festen Unterkünften. Und die Polizei war letztes Jahr so dermaßen routiniert und ruhig und beruhigend, als ob dies alle Nase lang vorkommt. Und sie hatten ja auch absolut Recht mit ihrer Prognose über das Verschwinden des Sturms. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist die Südspitze von Heimaey die sturmgepeitschteste in Island, oder? Das hat schon was. Aber irgendwann möchte ich da schon noch mal wieder hin ... mit Zelt ;-)

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