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von MartinB » Sa 29. Nov 2014, 15:21
Ich behaupte mal locker flockig, dass die Frage letztlich theoretisch nicht zu beantworten ist - es gibt viel zu viele Unbekannte. Experimentelle Erfahrungen werden notwendig sein. Wer waren doch gleich die Freiwilligen?
Etwas ausführlicher:
Relativ klar ist, dass die "Abgase" des Ausbruchs nicht in so hohe Luftschichten transportiert werden, wie bei einem kräftig eruptivem Ausbruch und dass somit die regionalen Auswirkungen deutlich kräftiger sind. Klar ist ebenfalls, dass der Ausbruch auch enorme Mengen SO2 freisetzt. Aber selbst wenn man nur das Schwefeldioxid betrachtet (und Wechselwirkungen mit den anderen Bestandteilen des Abgases nicht berücksichtigt und unterstellt, dass auch die "übliche" Oxidation zu Schwefelsäure im normalen Umfang stattfindet), bleiben die unterschiedlichen Windrichtungen, Windgeschwindigkeiten und Niederschlagsverteilungen. Wenn ich mir die Feinteiligkeit anschaue, die das isländische Wetter teilweise an den Tag legt, gehe ich von lokal sehr unterschiedlichen Belastungen aus.
Der gemessene pH-Wert von 3,2 war - soweit ich mich recht erinnere - ein einzelner Niederschlagswert. Ansonsten ist wohl die Rede von "etwas saurer als sonst" - was immer die Isländer auch darunter verstehen mögen. Zur Erinnerung: Als das Thema "saurer Regen" in Deutschland in den 80er mehr Aufmerksamkeit erfuhr, waren Niederschlags-pH-Werte von 4,2 - 4,5 "normal" - nicht nur im Ruhrgebiet oder im Oberharz. Aber Achtung: pH ist logarithmisch - bei pH 3,2 sind 10x so viele "Säureteile" vorhanden als bei pH 4,2.
Auch die Erfahrungen mit dem sauren Regen in D zeigen, dass die Pflanzen sehr viel empfindlicher darauf reagieren - möglicherweise auch, weil sie der Belastung ja auch dauern ausgesetzt sind und nicht temporär. Bei der Frage der Auswirkung von belastetem (Schmelz-)Wasser kommt jetzt der nächste Punkt: Habe ich nur einmal "Pech" und muss mir höher belasteten Schnee schmelzen, oder habe ich das zweifelhafte "Vergnügen" über mehrere Tage hintereinander (vielleicht weil ich an einem belasteten Punkt abwettern muss und nicht ausweichen kann).
Neutralisieren: Wenn ich in die Richtung ernsthaft denken würde, dann aber nicht mit Natronlauge. Das entstehende Salz ist unter dem Namen "Glaubersalz" als Abführmittel bekannt ... Ich würde dann eher in Richtung Calciumhydroxid denken. Das ergibt dann Gips. Calciumhydroxid ist auch bekannt als Kalkwasser oder Kalkmilch oder gelöschter Kalk. Das wäre dann das, was bei der Rauchgasentschwefelung in unseren Kraftwerken gemacht wird. Aber auch hier gilt, was Uwe geschrieben hat: Es ist alles eine Frage der Konzentration: Das Zeug ätzt ("Kalken der Ställe") und ist in höheren Dosen auch nicht gesundheitsförderlich ...
Meine chemischen Kenntnisse sind ein wenig eingerostet: Was passiert, wenn Schwefelsäure Aktivkohle passiert? Ist die Säure so stark hygroskopisch, dass sie der Verlockung der Kohle widersteht? Oder wäre ein Wasserfilter auf Aktivkohlebasis vielleicht die bessere Option als der Versuch einer Neutralisation?
"Das Restrisiko ist das Risiko, was uns den Rest gibt." - das war vor vielen Jahren mal ein Spruch aus der Anti-AKW-Bewegung. Hoffen wir mal, dass er im Islandkontext nicht wieder aktuell wird.