Finanzkrise in Island

Island ist mehr als nur ein Reiseland. In diesem Forum werden gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Themen diskutiert. Eben alles, was nicht unbedingt mit Tourismus und Reise zu tun hat.
MartinB
Herrscher des Nordmeeres
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Beitrag von MartinB » Mi 12. Nov 2008, 23:58

dragonmaster hat geschrieben:Wenn man von Dingen (Finanzgeschäften) keine Ahnung hat, dann muß man sie sein lassen.
Dummheit schützt vor Strafe nicht, das gilt auf der ganzen Welt
Wohl war - aber es waren ja Privatbanken, die in Schwierigkeiten / in Konkurs gekommen sind, und nicht der isl. Staat. Und wer sein Geld an "Private" gegen möglichst hohe Zinsen verleiht, sollte sich vorher über das Kleingedruckte schlau machen. Besonders hohe Rendite und die Sicherheit von Bundesschatzbriefen o.ä. passt halt irgendwie nicht so recht zusammen.

Und die Prüfung, ob eine Tochter oder Niederlassung einer ausländischen Bank die geltenden Bestimmungen eines Landes anwendet, ist Aufgabe der Bankenaufsicht des jeweiligen Landes - in der BRD der BAFIN. Wenn durch die isl. Banken die Regeln der "Gastländer" nicht beachtet wurden, hat die jeweilige Bankenaufsicht versagt. Wenn die Produkte regelkonform angeboten wurden, warum meint man dann, dass ein Staat dafür haftet?? Wenn ich Erich Mustermann 10.000 € für 8 % leihe und Erich dann pleite geht, kann ich doch auch nicht den deutschen Staat dafür haftbar machen ... oder hat die BRD US-Vermögen in Deutschland beschlagnahmt, als die Lehmänner den Bach runter gegangen sind und die KfW noch ein nettes Sümmchen überwiesen hat??? Wie ist die UK-Regierung eigentlich mit dem Zusammenbruch der Lehmänner umgegangen?

Das Ziehen der Anti-Terror-Gesetze ist nach meiner Einschätzung mindestens unverhältnismässig. Und wenn die Hinweise stimmen, dass D, UK und NL den isl. Staat durch Blockade des IWF-Kredits erpressen, und man sich dazu anschaut, wem in letzter Zeit mit welchen Beträgen durch den IWF geholfen wird, dann ist das politisch, naja, ich schreibe jetzt hier lieber nicht, was ich denke, sonst bekäme ich zurecht Ärger mit dem Admin.

Da könnte ich gut verstehen, dass man sich an solche "Freunde" und "Partner" lieber nicht näher binden möchte ....

Damit will ich nicht behaupten, dass die Isländer völlig unschuldig an der eingetretenen Situation sind - unabhängig davon, ob von Einzelnen auch noch tüchtig in die eigene Tasche gewirtschaftet wurde oder nicht.

Aber Äpfel und Möhren sind halt doch irgendwie was anderes - auch wenn mir beides schmeckt.

Gruß Martin
dragonmaster

Beitrag von dragonmaster » Do 13. Nov 2008, 14:17

Sicher sind die die Island so viel Geld gaben mitschuldig, aber zumindest die Garantierten ca 20.000 € je Einlage wird zurückgezahlt werden müssen, weil wenn nicht müsste Island wie schon gesagt den Bankrott melden.

Bisher hat in Island ja kein Politiker die Schuld für das neoliberale Disaster übernommen und den Rücktritt erklärt.
Die Anwendung des Antiterroristen-Gesetzes der Britten ist natürlich wirklich nicht nett, aber die Britten wollen wie alle anderen auch nur ihr Geld zurück.
dragonmaster

Beitrag von dragonmaster » Do 13. Nov 2008, 14:33

Wenn man sich von guten Freunden Geld leiht, dann zahlt man denen auch das Geld auch wieder zurück.
Niemand wird Island mehr Kredit gewähren.
Wenn noch nicht einmal die Isländische Politiker einsehen was für eine Mist sie zu verantworten haben, dann hat leider auch niemand für Island Verständnis.
MartinB
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Beitrag von MartinB » Do 13. Nov 2008, 15:40

@dragonmaster:
Die penetrante Verweigerung zwischen dem Handeln privatwirtschaftlicher Unternehmen und deren Haftung / Konkurs einerseits und Staatshaftung für bankrotte Unternehmen andererseits zu unterscheiden ist -gelinde gesagt- bedauerlich. Möglicherweise die Wut wegen drohendem Verlust von eigenem Kapital?

Ich bin mit Sicherheit kein Freund marktradikaler volkswirtschaftlicher Konzepte, aber wer die höchste Verzinsung seines Kapitals haben will, darf auch nicht nach dem Staat rufen, wenn's schief gegangen ist. Das gilt für Island genauso wie für Deutschland und andere Länder. Das Jammern etlicher deutscher Industrie-Lobbyisten nach Staatshilfe, die vor kurzem noch massiv für die Selbstregulierung der Märkte und gegen staatliche Einflußnahme gefochten haben, ist mehr als peinlich.

Gruß Martin
BH

Beitrag von BH » Do 13. Nov 2008, 23:59

Hier ein Bericht von Karheinz Bellmann aus Frankfurt, der gestern nach Island kam und sofort große Medienwirsamkeit erreichet. Bellmann hatte über 100.ooo € bei Kaupthing in Frankfurt angelegt. Als wütender Geschädigter äußert er sich jedoch wesentlich differenzierter als dragonmaster.

http://kaupthing-edge.helft-uns.de/was- ... ag-1-1211/

Übrigens, vielen die in der Finanzkrise viel Geld verloren haben, kann man nicht so einfach vorwerfen, dass sie von Finanzgeschäften keine Ahnung hätten. Dazu würden dann wohl einige deutsche Landesbanken zählen. Schuldige gibt es auch in Island, doch deren handeln lässt sich nicht in eine Kollektivschuld umwandeln. Einer der ehmals reichsten Isländer, Björgólfur Guðmundsson, und ehemaliger Besitzer von Landsbanki behauptete heute in einem Fernsehgespräch, dass der Wert der Bankeigentümer den Wert der Icesavekonten um ein Doppeltes übertroffen hätten. Bei richtigem Handeln hätte man die Einlagen zurückzahlen können. Auch die Einlagen deutscher Kauthingkunden, so hieß es heute mal in den Nachrichten, könnten eventuell mit Eigentum der Bank aufgewogen werden.
sgm

Beitrag von sgm » Fr 14. Nov 2008, 13:43

MartinB hat geschrieben:@dragonmaster:
Die penetrante Verweigerung zwischen dem Handeln privatwirtschaftlicher Unternehmen und deren Haftung / Konkurs einerseits und Staatshaftung für bankrotte Unternehmen andererseits zu unterscheiden ist -gelinde gesagt- bedauerlich. Möglicherweise die Wut wegen drohendem Verlust von eigenem Kapital?
Der Gedanke war mir beim Lesen der Beiträge des Drachenmeisters auch schon gekommen :wink: . Es gab doch mal die Regel beim Geldanlegen, "je höher die Rendite, desto höher das Risiko". Das wurde halt beiseite geschoben, da nur die höheren Zinsen für Tagesgeld bei isländischen Banken gesehen wurde.
Ehrlicherweise muss man aber zugeben, dass die meisten von uns vor 6 Monaten es nicht für möglich gehalten hätten, dass das isländische Bankensystem zusammenbricht. Hätte ich die Kohle gehabt, dann wär ich vielleicht auch auf die Idee gekommen, diese im vermeintlich sicheren Island anzulegen. Hatte ich aber nicht :wink: .
Irgendwie hat man doch mehr von der Kohle, wenn man sie einfach ausgibt :D .
MartinB
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Beitrag von MartinB » Fr 14. Nov 2008, 17:17

sgm hat geschrieben: Irgendwie hat man doch mehr von der Kohle, wenn man sie einfach ausgibt :D .
Das erinnert mich an einen isländischen (Lebens-)Künstler, der sich neulich in einem Interview darüber freute, dass er jetzt zu den Reichen im Land gehöre: Er habe zwar weiterhin kein Geld, aber auch keine Auslandsschulden.

Zum Risikobewusstsein: Ich verstehe schlichtweg nicht, wenn Menschen behaupten, noch nie etwas davon gehört zu haben, dass Banken pleite gehen können. Die Diskussionen über die Sicherungsfonds sind doch nicht wirklich neu. Die eine oder andere Privatbank ist ja in Deutschland auch schon vor der aktuellen Finanzkrise zusammengebrochen. Und die Diskussionen über die Haftung der öffentlichen Hand im Rahmen der Sparkassen ist doch auch nicht nur in Fachkreisen geführt worden, sondern war in den "normalen" Medien präsent...

Bin ich denn berufsgeschädigt, wenn ich erwarte, dass man sich spätestens zu dem Zeitpunkt mal das Kleingedruckte zu Gemüte führt oder nachfragt, wie denn mein Geld abgesichert ist (in meinem Fall: wäre, da ich auch über keine derartigen Anlagen verfügt habe) :?: :?:

Gruß Martin
dragonmaster

Beitrag von dragonmaster » Fr 14. Nov 2008, 20:39

Tut mir ja leid euch enttäuschen zu müssen, aber wenn man meine Posts verfolgt haben sollte, sollte man verstehen, dass ich Menschen/Banken/Staaten die nicht mit Geld umgehen können keines von diesem gebe und da gehört Island für mich (auch schon vor der Kriese) eindeutig dazu.
sgm

Beitrag von sgm » So 16. Nov 2008, 12:54

Neben der (für mich) eher akademischen Frage, ob jetzt der isländische Staat pleite ist oder nicht, interessiert mich viel eher, wie denn jetzt der Alltag in Island ausschaut?

Wie geht es meinen freundlichen und hilfsbereiten Gastgebern aus diesem Sommer? Haben schon viele Firmen pleite gemacht? Wie sieht das Warenangebot in den Supermärkten aus?
Vielleicht kann da mal ein "Einheimischer" was zu schreiben - würde mich interessieren!
MartinB
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Beitrag von MartinB » So 16. Nov 2008, 14:27

Spiegel Online meldet, dass der Währungsfond-Kredit (nach mehrfacher Vertagung) nun am kommenden Mittwoch endgültig bewilligt werden soll. Es wurde dabei jedoch keine Aussage über die Höhe getroffen. Hier der Link
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,590720,00.html
Nachdem eine kurzfristige Einigung mit GB und NL bzgl. der Einlagensicherung bei Icesave seit einigen Tagen durch die isländische Politik verkündet wird, ist die Meldung nicht wirklich verwunderlich.

Ich bin zwar kein "Einheimischer", aber soweit mir bekannt, weicht die allgemeine Ratlosigkeit so langsam einem deutlichen Unmut. Demonstrationen "mit Eierwürfen auf das Parlamentsgebäude!" scheinen für Island etwas Ungeheuerliches zu sein. Aber immerhin: Wenn man die Demonstrantenzahlen mal auf Deutschland umrechnet, müssten hier knapp 2 Mill. auf die Straße gehen. Das hat selbst die Friedensbewegung in ihren besten Zeiten nicht geschafft. Da steht der "Rekord" bei einer guten Million ...
Das wohl vor / zu Beginn der Krise recht weit verbreitete Vertrauen in "die Regierung wird's schon richten" ist wohl nicht mehr da. Vielleicht dämpft das dann auch die pauschalen Schuldzuweisungen an "die Briten, die ....". Die Witze, die ihren Weg in eine englische Übersetzung finden, sprechen eine eindeutige Sprache.

Vielleicht gelingt den Isländer ja mehr als eine kosmetische Korrektur.

Die Preise scheinen teilweise zu galoppieren. Von leeren Supermärkten ist mir nichts bekannt. Die Arbeitslosigkeit steigt. Der Export von Gebraucht-Anlagen / -Maschinen scheint zu florieren (die Exportfrachter liegen tiefer im Wasser denn je).

Gruß Martin

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