Aus dem Tagebuch eines Hüttenwartes
mach weiter so
Hallo Kerstin!
Mach bitte weiter so! Deine Berichte zu lesen macht total viel Spaß!
Außerdem finde ich es klasse, dass du jetzt auch die passenden Fotos eingestellt hast.
Mach bitte weiter so! Deine Berichte zu lesen macht total viel Spaß!
Außerdem finde ich es klasse, dass du jetzt auch die passenden Fotos eingestellt hast.
soso
Wuerden Sie mit einer Jugendlichen (man koennte auch sagen einem Kind) einen lebensgefaehrlichen Fluss durchfahren, einfach so, ohne hoechste Not? Wuerden Sie mit einem Traktor, dem fast der Diesel ausgeht, der beim Furten mit Vollgas vermutlich 40 Liter pro 100 km frisst, wuerden Sie mit diesem Traktor durch einen breiten lebensgefaehrlichen Fluss fahren? Nein? Wir schon. Welcome to Iceland
Re: soso
Dass auch hier kritische Stimmen laut werden, freut mich!
Schön wäre es nur, wenn sich auch Gäste wenigstens mit ihrem Vornamen outen würden, das würde es etwas persönlicher machen!
Gerneklein: ich habe die Ironie deines Beitrages sehr wohl verstanden, allerdings auch die dahintersteckende Kritik. Meine Antwort dazu findet sich, da ich mich hier auf meine Hüttenwarterlebnisse konzentrieren möchte, in einem neuen Thema:
Umweltsünden und Gefahren beim Flussfurten
Gedankenaustausch willkommen!
Kerstin
Schön wäre es nur, wenn sich auch Gäste wenigstens mit ihrem Vornamen outen würden, das würde es etwas persönlicher machen!
Gerneklein: ich habe die Ironie deines Beitrages sehr wohl verstanden, allerdings auch die dahintersteckende Kritik. Meine Antwort dazu findet sich, da ich mich hier auf meine Hüttenwarterlebnisse konzentrieren möchte, in einem neuen Thema:
Umweltsünden und Gefahren beim Flussfurten
Gedankenaustausch willkommen!
Kerstin
Freitag, 28. September 2007
Freitag, 28. September 2007
Der Geist im Klo, oder: wie man nachts Flüsse furtet
Halleluja. Es ist geschafft. Die Hütte ist sauber!
Nach aller Aufregung am gestrigen Tag um die Frage, ob die Abreise der 80 Mann starken Seljaskóli nun möglich sei, kamen die beiden Busse von Kynnisferðir heute ohne Probleme auf dieser Seite der Krossá an. Seit gestern Abend hatte es nicht geregnet, die Flüsse waren deutlich abgeschwollen. Das einzige Problem, so die beiden Busfahrer, sei der nicht mehr vorhandene Weg gewesen: die gestrigen Wassermassen haben aber auch wirklich alles überspült. Der komplett veränderte Weg, inklusive medizinballgroßer Steine und knietiefer Schlammlöcher, machen ein zügiges Vorankommen vollkommen unmöglich. Aber Zeit spielt nun wirklich keine Rolle, wenn man einen Ausflug in die Þórsmörk macht!
Dank tat- und stimmkräftiger Unterstützung der Lehrer packten die Kids beim Säubern der Hütte wirklich gut an; und um 11 Uhr waren dann alle zur Abfahrt bereit. Zwei dänische Mädels, die perfekt ausgerüstet für ein paar Tage hier wandern waren und den gestrigen Regentag im Dúkkuhús verbrachten, sprangen mit auf, und so war ich dann wieder alleine mit meinen beiden hungrigen Füchsen und einer nach gründlicher Säuberung schreienden Hütte.
Für heute war nur eine achtköpfige Privatgruppe angekündigt, von der ich außerdem wusste, dass sie erst spät erscheinen würden. Also ließ ich mir so richtig viel Zeit beim Putzen - schon lustig, was Trödeln doch für ein Luxus sein kann, wenn man sich tagein, tagaus immer nur sputen muss mit allem!
Nun ja, und im Laufe der vergangenen sechs Stunden habe ich Hütte und Toiletten auf Hochglanz gebracht und mich auch an die leidige Arbeit begeben, alle 75 Matratzen auszuschütteln und die ebenso zahlreichen Bettgestelle auszukehren. Und dabei habe ich dann zum ersten Mal einen genauen Blick auf die ganzen Geschichten werfen können, welche auf den hölzernen Bettgestellen verewigt sind!
Auf jedem zweiten Bettboden befindet sich ein Andaglas-Spielfeld. Andaglas, „Geisterglas“ oder im Deutschen "Gläserrücken", ist bei den Kids hier die wohl beliebteste Abendbeschäftigung. Die Regeln sind einfach: so viele Leute wie möglich legen einen Finger auf ein umgedreht auf dem Spielfeld stehendes Glas und stellen möglichen anwesenden Geistern Fragen. Die Idee ist, dass der Geist das Glas bewegt, aber die Vermutung liegt nahe, dass die allgemeinen Erwartungen der Spieler sich durch ihre Finger auf das Glas übertragen - was davon man glaubt, ist jedem selbst überlassen. Das Spielfeld selber besteht aus Buchstaben (so dass der Geist also Antworten buchstabieren kann) und Kurzantworten wie "Ja", "Nein" oder "Vielleicht". Die Kids stellen zuerst immer die Frage nach Name und Alter des Geistes, und ganz wichtig, ob es sich um einen guten oder bösen Geist handelt. Die Ergebnisse und Erfahrungen sind zum Teil neben den Spielfeldern festgehalten worden. Zum einen stehen dort Namen, Alter und Todesursache der Geister, zum anderen aber schlichtweg Warnungen.
"Spielt hier nicht Andaglas, hierher kommen nur böse Geister!"
"Wer hier schläft, dem wird Böses geschehen!"
"Schlaft nicht in diesem Bett, es wird von der deutschen Frau heimgesucht, die im Klo verbrannte!" (Ach ja?)
Und dann sind ganze Romane niedergeschrieben worden, mit natürlich 'total wahren' Begebenheiten: dass z.B. eine Gruppe einen bösen Geist erzürnte und daraufhin das Licht ausging und das Mädchen, das sich zu der Zeit auf der Toilette befand, spurlos verschwand und einen Tag später ohne Erinnerungen an die Þórsmörk in Akranes wiedergefunden wurde.
Ne, ist klar...
Aufs Klo haben es sowieso alle abgesehen, es ist das wohl am meisten gefürchtete Gebäude hier in der Þórsmörk. Fast jeden Abend brechen diverse pubertierende Mädchen dort in regelrechte Schreiorgien aus, erzählen von flackernden Lichtern und komischen, klopfenden Geräuschen. Wollen nur in Begleitung von Erwachsenen aufs Klo gehen und generell am liebsten eine Flutlichtanlage mitnehmen.
Ach ja, Teenager müsste man nochmal sein...
Es ist aber wirklich niedlich, abends die Grüppchen zu beobachten, die sich im Schutze des Lichtes im Inneren der Hütte versammeln und mit großen Augen von dem berichten, was sie oder ihre Freunde schon einmal für übernatürliche Begegnungen hatten. Viele Isländer glauben an andere Wesen, an Elfen und Geister, an unerklärliche Begebenheiten, Weissagungen und Schicksal. Und wenn man einen ganzen Haufen pubertierender Reykvíkingar zum ersten Mal in eine Berghütte karrt, in der man vierzig Meter durch die Nacht bis zum Klo laufen muss, es keine Straßenlaternen gibt und man gar keine Anzeichen von Zivilisation sieht, schrauben sich diese Geistergeschichten natürlich zu Höchstleistungen auf. Und es wäre ja nicht so, dass Lehrer und Hüttenwarte dies nicht unterstützen würden! Da werden die gruseligsten Geschichten erzählt, von den vielen Toten, die es hier in der Hütte natürlich schon gegeben hat, da wird mal eben der Hauptschalter fürs Licht umgelegt, von außen an Fenster und Wände geklopft und plötzlich Massenmörder und Bösewichte überall gesichtet.
Und dann ... nun ja, dann geschehen hier einfach unerklärliche Dinge. Da fällt mal eben der Strom aus und schaltet sich kurze Zeit später wieder selbständig ein. Es verschwinden Gegenstände, von denen man ganz genau weiß, dass man sie in der Sekunde zuvor noch an eben jenen nun leeren Platz gelegt hatte. Bei mir sind es Schlüssel und Putzlappen, die spurlos das Weite suchen. Wenn ich alleine in der Hütte bin, wohlgemerkt. Und Fenster, die offen sind, obwohl ich eigentlich der Meinung bin, sie geschlossen zu haben. Und dann fühlt man sich niemals alleine. Mit dem Klo habe ich persönlich kein Problem, dort ist meines Erachtens nach nicht einmal der Hauch eines Geistes unterwegs. Die fünfzig Jahre alte Hütte ist es, die Dinge verschwinden lässt und lustige Dinge tut. Alles ist natürlich irgendwie erklärbar; in meinem Falle schiebe ich es eher meinem löchrigen Kurzzeitgedächtnis zu als Geisteraktivität. Fenster knallen, weil der Wind sie angehauen hat, Schuss- und Trittgeräusche ertönen, weil es ein Holzgebäude ist und Holz sich bekanntlich durch Unterschiede in Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausdehnt oder zusammenzieht. Es ist alles eine Ansichtssache. Vielleicht bin ich einfach zu sehr Naturwissenschaftler, als dass ich an Übernatürliches glauben könnte. Nun, das ist wahrscheinlich ganz gut so; ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Hüttenwart mit Angst vor Geistern es hier lange aushalten würde!
Haarsträubend ging der Tag dann auch weiter: die kleine, private Gruppe verspätete sich so sehr, dass sie erst hier ankamen, als es stockdunkel war. Das ist jetzt Ende September ja schon um 20 Uhr der Fall. Und weil sie die Krossá nicht einschätzen konnten, baten sie mich, ihnen mit dem Traktor entgegen zu kommen.
Im Dunkeln Flüsse zu furten, ist verdammt schwierig - ich kann allen nur abraten, dies zu tun. Das Hauptproblem ist die fehlende Fernsicht - man kann ziemlich schwierig abwägen, ob es eine bessere Alternative gibt als den kleinen Bereich des Flusses, den die Scheinwerfer gerade ausleuchten. Um ganz davon abzusehen, dass man im Dunkeln die Tiefe des Wassers noch schwieriger erahnen kann, als bei Tageslicht.
Nun ja, und mein Traktor (mein sage ich schon, so weit ist es also schon gekommen mit mir, tztz...) hat dermaßen schlechte Leuchten, dass ich maximal 15m weit sehen kann. Ich fahre also fast blind und bin im Dunkeln auf Hilfe angewiesen. Die Furt fand ich auf dem Hinweg beispielsweise nur, weil die Autos am anderen Ende standen und ich so ungefähr wusste, wo ich hinmusste. Bin einfach nur geradeaus durch und habe nur so viel navigieren können, wie ich einsehen konnte. Wirklich viel helfen konnte ich den guten Leuten in ihren zwei Jeeps nicht. Was wir halt taten, war, im Traktor ein bisschen umherzufahren und nach einer guten Furt zu suchen - wenn man sich im Traktor mal verfranzt, macht das ja nicht viel aus, das Gefährt schaufelt sich ja aus allem wieder raus. Und nachdem wir erst flussabwärts tuckerten und beinahe stecken blieben, wagten wir einen zweiten Versuch flussaufwärts und fanden eine Furt, die wir für das größere der beiden Autos als geeignet einstuften.
Nun ist es im Dunkeln so gut wie unmöglich, eine schon mal gefahrene Strecke in einem Flussbett wiederzufinden - man sieht schlichtweg nicht genug, und überhaupt sieht alles gleich aus! Also setzte ich am anderen Flussufer meine Taschenlampe auf einen Stein und ließ sie dort brennen, während wir zurückfuhren und die Hälfte der Passagiere in den großen Jeep stieg. Meine Taschenlampe fungierte uns als Leuchtturm und zeigte uns genau an, wo die geeignete Furt war. Ohne Probleme kamen wir auf diesem Wege alle über die Krossá - der Jeep sogar zweimal, weil er ja noch die Insassen des kleineren Autos holen musste, welche sich nicht über den Fluss getrauten. Eine weise Entscheidung, denn so hatten wir eine halbe Stunde später alle Leute rübergeholt und wurde ich nicht nass bei dem Versuch, ein steckengebliebenes Auto aus einem nächtlichen Gletscherfluss zu befreien. Zum Glück dachten die Besucher nach der zweiten Flussquerung daran, meine Taschenlampe mitzunehmen - dieses kleine, leuchtstarke Lämpchen ist Gold wert! Wenn noch mal jemand auf die blöde Idee kommt, die Krossá im Dunkeln furten zu wollen, werde ich meinen kleinen Leuchtturm wieder zum Einsatz bringen!
Der Geist im Klo, oder: wie man nachts Flüsse furtet
Halleluja. Es ist geschafft. Die Hütte ist sauber!
Nach aller Aufregung am gestrigen Tag um die Frage, ob die Abreise der 80 Mann starken Seljaskóli nun möglich sei, kamen die beiden Busse von Kynnisferðir heute ohne Probleme auf dieser Seite der Krossá an. Seit gestern Abend hatte es nicht geregnet, die Flüsse waren deutlich abgeschwollen. Das einzige Problem, so die beiden Busfahrer, sei der nicht mehr vorhandene Weg gewesen: die gestrigen Wassermassen haben aber auch wirklich alles überspült. Der komplett veränderte Weg, inklusive medizinballgroßer Steine und knietiefer Schlammlöcher, machen ein zügiges Vorankommen vollkommen unmöglich. Aber Zeit spielt nun wirklich keine Rolle, wenn man einen Ausflug in die Þórsmörk macht!
Dank tat- und stimmkräftiger Unterstützung der Lehrer packten die Kids beim Säubern der Hütte wirklich gut an; und um 11 Uhr waren dann alle zur Abfahrt bereit. Zwei dänische Mädels, die perfekt ausgerüstet für ein paar Tage hier wandern waren und den gestrigen Regentag im Dúkkuhús verbrachten, sprangen mit auf, und so war ich dann wieder alleine mit meinen beiden hungrigen Füchsen und einer nach gründlicher Säuberung schreienden Hütte.
Für heute war nur eine achtköpfige Privatgruppe angekündigt, von der ich außerdem wusste, dass sie erst spät erscheinen würden. Also ließ ich mir so richtig viel Zeit beim Putzen - schon lustig, was Trödeln doch für ein Luxus sein kann, wenn man sich tagein, tagaus immer nur sputen muss mit allem!
Nun ja, und im Laufe der vergangenen sechs Stunden habe ich Hütte und Toiletten auf Hochglanz gebracht und mich auch an die leidige Arbeit begeben, alle 75 Matratzen auszuschütteln und die ebenso zahlreichen Bettgestelle auszukehren. Und dabei habe ich dann zum ersten Mal einen genauen Blick auf die ganzen Geschichten werfen können, welche auf den hölzernen Bettgestellen verewigt sind!
Auf jedem zweiten Bettboden befindet sich ein Andaglas-Spielfeld. Andaglas, „Geisterglas“ oder im Deutschen "Gläserrücken", ist bei den Kids hier die wohl beliebteste Abendbeschäftigung. Die Regeln sind einfach: so viele Leute wie möglich legen einen Finger auf ein umgedreht auf dem Spielfeld stehendes Glas und stellen möglichen anwesenden Geistern Fragen. Die Idee ist, dass der Geist das Glas bewegt, aber die Vermutung liegt nahe, dass die allgemeinen Erwartungen der Spieler sich durch ihre Finger auf das Glas übertragen - was davon man glaubt, ist jedem selbst überlassen. Das Spielfeld selber besteht aus Buchstaben (so dass der Geist also Antworten buchstabieren kann) und Kurzantworten wie "Ja", "Nein" oder "Vielleicht". Die Kids stellen zuerst immer die Frage nach Name und Alter des Geistes, und ganz wichtig, ob es sich um einen guten oder bösen Geist handelt. Die Ergebnisse und Erfahrungen sind zum Teil neben den Spielfeldern festgehalten worden. Zum einen stehen dort Namen, Alter und Todesursache der Geister, zum anderen aber schlichtweg Warnungen.
"Spielt hier nicht Andaglas, hierher kommen nur böse Geister!"
"Wer hier schläft, dem wird Böses geschehen!"
"Schlaft nicht in diesem Bett, es wird von der deutschen Frau heimgesucht, die im Klo verbrannte!" (Ach ja?)
Und dann sind ganze Romane niedergeschrieben worden, mit natürlich 'total wahren' Begebenheiten: dass z.B. eine Gruppe einen bösen Geist erzürnte und daraufhin das Licht ausging und das Mädchen, das sich zu der Zeit auf der Toilette befand, spurlos verschwand und einen Tag später ohne Erinnerungen an die Þórsmörk in Akranes wiedergefunden wurde.
Ne, ist klar...
Aufs Klo haben es sowieso alle abgesehen, es ist das wohl am meisten gefürchtete Gebäude hier in der Þórsmörk. Fast jeden Abend brechen diverse pubertierende Mädchen dort in regelrechte Schreiorgien aus, erzählen von flackernden Lichtern und komischen, klopfenden Geräuschen. Wollen nur in Begleitung von Erwachsenen aufs Klo gehen und generell am liebsten eine Flutlichtanlage mitnehmen.
Ach ja, Teenager müsste man nochmal sein...
Es ist aber wirklich niedlich, abends die Grüppchen zu beobachten, die sich im Schutze des Lichtes im Inneren der Hütte versammeln und mit großen Augen von dem berichten, was sie oder ihre Freunde schon einmal für übernatürliche Begegnungen hatten. Viele Isländer glauben an andere Wesen, an Elfen und Geister, an unerklärliche Begebenheiten, Weissagungen und Schicksal. Und wenn man einen ganzen Haufen pubertierender Reykvíkingar zum ersten Mal in eine Berghütte karrt, in der man vierzig Meter durch die Nacht bis zum Klo laufen muss, es keine Straßenlaternen gibt und man gar keine Anzeichen von Zivilisation sieht, schrauben sich diese Geistergeschichten natürlich zu Höchstleistungen auf. Und es wäre ja nicht so, dass Lehrer und Hüttenwarte dies nicht unterstützen würden! Da werden die gruseligsten Geschichten erzählt, von den vielen Toten, die es hier in der Hütte natürlich schon gegeben hat, da wird mal eben der Hauptschalter fürs Licht umgelegt, von außen an Fenster und Wände geklopft und plötzlich Massenmörder und Bösewichte überall gesichtet.
Und dann ... nun ja, dann geschehen hier einfach unerklärliche Dinge. Da fällt mal eben der Strom aus und schaltet sich kurze Zeit später wieder selbständig ein. Es verschwinden Gegenstände, von denen man ganz genau weiß, dass man sie in der Sekunde zuvor noch an eben jenen nun leeren Platz gelegt hatte. Bei mir sind es Schlüssel und Putzlappen, die spurlos das Weite suchen. Wenn ich alleine in der Hütte bin, wohlgemerkt. Und Fenster, die offen sind, obwohl ich eigentlich der Meinung bin, sie geschlossen zu haben. Und dann fühlt man sich niemals alleine. Mit dem Klo habe ich persönlich kein Problem, dort ist meines Erachtens nach nicht einmal der Hauch eines Geistes unterwegs. Die fünfzig Jahre alte Hütte ist es, die Dinge verschwinden lässt und lustige Dinge tut. Alles ist natürlich irgendwie erklärbar; in meinem Falle schiebe ich es eher meinem löchrigen Kurzzeitgedächtnis zu als Geisteraktivität. Fenster knallen, weil der Wind sie angehauen hat, Schuss- und Trittgeräusche ertönen, weil es ein Holzgebäude ist und Holz sich bekanntlich durch Unterschiede in Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausdehnt oder zusammenzieht. Es ist alles eine Ansichtssache. Vielleicht bin ich einfach zu sehr Naturwissenschaftler, als dass ich an Übernatürliches glauben könnte. Nun, das ist wahrscheinlich ganz gut so; ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Hüttenwart mit Angst vor Geistern es hier lange aushalten würde!
Haarsträubend ging der Tag dann auch weiter: die kleine, private Gruppe verspätete sich so sehr, dass sie erst hier ankamen, als es stockdunkel war. Das ist jetzt Ende September ja schon um 20 Uhr der Fall. Und weil sie die Krossá nicht einschätzen konnten, baten sie mich, ihnen mit dem Traktor entgegen zu kommen.
Im Dunkeln Flüsse zu furten, ist verdammt schwierig - ich kann allen nur abraten, dies zu tun. Das Hauptproblem ist die fehlende Fernsicht - man kann ziemlich schwierig abwägen, ob es eine bessere Alternative gibt als den kleinen Bereich des Flusses, den die Scheinwerfer gerade ausleuchten. Um ganz davon abzusehen, dass man im Dunkeln die Tiefe des Wassers noch schwieriger erahnen kann, als bei Tageslicht.
Nun ja, und mein Traktor (mein sage ich schon, so weit ist es also schon gekommen mit mir, tztz...) hat dermaßen schlechte Leuchten, dass ich maximal 15m weit sehen kann. Ich fahre also fast blind und bin im Dunkeln auf Hilfe angewiesen. Die Furt fand ich auf dem Hinweg beispielsweise nur, weil die Autos am anderen Ende standen und ich so ungefähr wusste, wo ich hinmusste. Bin einfach nur geradeaus durch und habe nur so viel navigieren können, wie ich einsehen konnte. Wirklich viel helfen konnte ich den guten Leuten in ihren zwei Jeeps nicht. Was wir halt taten, war, im Traktor ein bisschen umherzufahren und nach einer guten Furt zu suchen - wenn man sich im Traktor mal verfranzt, macht das ja nicht viel aus, das Gefährt schaufelt sich ja aus allem wieder raus. Und nachdem wir erst flussabwärts tuckerten und beinahe stecken blieben, wagten wir einen zweiten Versuch flussaufwärts und fanden eine Furt, die wir für das größere der beiden Autos als geeignet einstuften.
Nun ist es im Dunkeln so gut wie unmöglich, eine schon mal gefahrene Strecke in einem Flussbett wiederzufinden - man sieht schlichtweg nicht genug, und überhaupt sieht alles gleich aus! Also setzte ich am anderen Flussufer meine Taschenlampe auf einen Stein und ließ sie dort brennen, während wir zurückfuhren und die Hälfte der Passagiere in den großen Jeep stieg. Meine Taschenlampe fungierte uns als Leuchtturm und zeigte uns genau an, wo die geeignete Furt war. Ohne Probleme kamen wir auf diesem Wege alle über die Krossá - der Jeep sogar zweimal, weil er ja noch die Insassen des kleineren Autos holen musste, welche sich nicht über den Fluss getrauten. Eine weise Entscheidung, denn so hatten wir eine halbe Stunde später alle Leute rübergeholt und wurde ich nicht nass bei dem Versuch, ein steckengebliebenes Auto aus einem nächtlichen Gletscherfluss zu befreien. Zum Glück dachten die Besucher nach der zweiten Flussquerung daran, meine Taschenlampe mitzunehmen - dieses kleine, leuchtstarke Lämpchen ist Gold wert! Wenn noch mal jemand auf die blöde Idee kommt, die Krossá im Dunkeln furten zu wollen, werde ich meinen kleinen Leuchtturm wieder zum Einsatz bringen!
Samstag, 29.September 2007
Samstag, 29.September 2007
Der verdammte Traktor, oder: Samstags ist immer etwas los
Nachdem ich gestern einen solch arbeitsreichen Tag hatte und außerdem wusste, dass heute Samstag ist, beschloss ich, wenigstens einmal auszuschlafen. Und tatsächlich konnte ich bis halb Neun schlafen - dann nämlich klingelte das Telefon.
Es war die übliche Anfrage an einem Wochenendmorgen: wie sieht der Weg aus, wie viel Wasser ist in der Krossá, glaubst du, dass wir das mit 37-Zoll-Reifen bewältigen können? Gähn...
Immerhin regnete es ausnahmsweise einmal nicht; es war nur leicht bewölkt, ab und zu lugte die Sonne hinter den Bergen hervor. Es schien ein wunderschöner Tag zu werden!
Gut gelaunt hisste ich dann erst einmal die Flagge, und guckte bei meinen Gästen herein, säuberte die Öfen und kontrollierte den Ladestand der Batterie. Anschließend warf ich einen Blick auf den Traktor und erlitt beinahe einen Schock: der linke Vorderreifen stand auf der Felge, der Reifen war platter als platt!
Ich wusste sofort, was los war. Besagter Reifen war von Anfang an mein Sorgenkind gewesen. Die Felge war innen angerissen - es war nichts Schlimmes gewesen, und es bestand niemals die Gefahr, dass die ganze Felge brechen würde. Dort war halt bisher beständig Luft ausgeströmt - nicht viel, bisher reichte es, so alle drei bis vier Tage einmal Luft nachzupumpen. Aber diesmal war etwas gar nicht in Ordnung. Und tatsächlich: bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass sich der Riss kreisförmig um einen Bolzen herum erweitert und folglich in ein Loch verwandelt hatte. Und da im Loch der Schlauch des Reifens zu sehen war, hieß das nur eines: ein Reifenwechsel war fällig.
Den Großteil meiner Hüttenwartkarriere habe ich hier in Island in Emstrur absolviert, einer kleinen Wanderhütte auf dem Laugavegur, recht abgeschieden und nur schwer mit dem Auto zu erreichen. Vierzig Schlafplätze in zwei Hütten, einen Campingplatz, zwei Toiletten und ein Plumpsklo gab es zu betreuen - mehr nicht. Nur das leider auf dem überlaufensten Wanderweg Islands: Emstrur in der Hochsaison bedeutet Dauerstress, mit täglich 100-130 Übernachtungen. Von Ende Juni bis Mitte August war ich von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr Abends ununterbrochen auf den Beinen, und wenn mal wieder einer vermisst gemeldet worden war oder sich irgendwelche Berge runtergestürzt hatte, waren Extraschichten angesagt. Viel zu tun war auf Emstrur also immer - eines gab es dort aber nicht: Motoren.
Warum ich das erwähne? Nun, weil ich jetzt genau damit zu tun habe. In Langidalur gibt es Motoren. Einer befindet sich im blauen Ford, dem Traktor, und ein weiterer im kleinen Stromgenerator, der nun in den verregneten Herbsttagen die Solarzellen unterstützt. Und da diese beiden Krachmacher zur Hütte gehören, unterstehen sie meinem Tätigkeitsbereich. Und wie das immer so ist: wo Technik Einzug gehalten hat, kann selbige kaputt gehen. Da dies in meinem Falle leider andauernd geschieht und ich sowohl auf den Traktor als auch auf den Benzingenerator angewiesen bin, muss ich reparieren, was nicht in Ordnung ist. Ausgerechnet ich!
Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht autofahre. Ich besitze zwar einen Führerschein, fahre aber aus Prinzip nicht: ich brauche kein Auto, halte selbiges für total langweilig, zu teuer und außerdem umweltverschmutzend, und bin bisher ganz wunderbar als Fahrradfahrer, Beifahrer, Tramper und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel durchs Leben gekommen! Dementsprechend gering ist auch mein Interesse für Fahrzeuge und Motoren. Da erscheint es mir auch ziemlich sarkastisch, dass ich momentan nicht nur täglich einen Monstertraktor durch einen der gefürchtetsten Flüsse Islands fahre und Autos bei dessen Überquerung helfe, sondern ich mich nun auch mit der Instandhaltung meines Gefährtes beschäftigen muss! Und was in den vergangenen zwei Wochen nicht alles passiert ist! Nach dem Dauereinsatz zur Bergung des Unglücksbusses (siehe 20.09.07) verlor der Ford Unmengen an Öl und musste das Leck (bzw. die Lecks) gefunden und behoben werden. Nun weiß ich, wie man einen Ölfilter auswechselt, was eine Ölwanne ist und wo sie sich befindet und welche von den vielen Deckeln derjenige zum Auffüllen des Motoröles ist.
Zwei Tage später hatte ich nicht nur einen platten Vorderreifen (bereits erwähnte undichte Felge war Schuld daran), sondern auch ein Leck im Kühlsystem der Fahrerkabine. Erstes ließ sich durch Nachpumpen von Luft beheben, und letztes durch das Abdrehen eines Hahnes - ich war selber überrascht, wie einfach das war! Und weitere zwei Tage später sprang der Stromgenerator der Hütte einfach nicht an - da konnte ich die Zündkerze ausbauen und reinigen, soviel ich wollte, es tat sich nichts. Auch nachdem ich das Benzin abgelassen und das komplette System gereinigt hatte, nachdem ich den Luftfilter auseinander genommen und gesäubert hatte, schwieg der Generator. Im Endeffekt musste ein neuer her, da konnte ich wirklich nichts mehr dran machen. Aber man soll mir nicht nachsagen, dass ich mich nicht bemüht hätte!
Nun ja, und heute dann war also ein Reifenwechsel fällig. Wenig enthusiastisch pumpte ich Luft nach, fuhr den Traktor dann zu seinem (zum Glück anwesenden) Ersatzreifen, und machte mich auf die Suche nach allen Materialen, die ich zum Reifenwechsel brauchen würde. Schraubenschlüssel, Hammer und Wagenheber sollten genügen. Nun war der Wagenheber erstens für ein Auto gedacht (also viel zu klein), und zweitens kaputt. Was also blieb mir anderes übrig, als die beiden anwesenden Jeepfahrer um Hilfe zu bitten? Sie hatten einen großen Wagenheber hinten am großen Jeep montiert und boten mit leuchtenden Augen direkt ihre Unterstützung an. Sie hätten zwar noch nie einen Traktorreifen gewechselt, würden es aber liebend gerne ausprobieren!
Männer! Ich werde sie nie verstehen! Wie kann jemand Spaß daran haben, an Maschinen herumzuschrauben?
Nun, mir war diese enthusiastische Hilfe aber nur recht! Wir pumpten also den Traktor hoch und machten uns dann daran, die Schrauben des Reifens zu lösen. Es war eine Menge Arbeit, die komplett verrosteten Bolzen loszumachen, und bei zweien schafften wir es gar nicht. Ein Entrostungspray musste her, aber auch nachdem ich alle Ecken der Hütte auf den Kopf gestellt hatte, wollte sich nichts Passendes finden. Also rief ich bei der Nachbarhütte Básar an, und siehe da: sie hatten, was wir brauchten. Meine beiden Tüftler schmissen sich ins Auto und suchten sich ihren Weg über die Krossá, um mit WD40 wiederzukommen, einem ziemlich aggressiven Spray, das die beiden angerosteten Schrauben in Windeseile abschraubfähig machte.
Den schweren, mir bis zum Bauch reichenden Traktorreifen von der Achse zu heben, ohne sich Quetschungen zu holen, war zu dritt schon schwierig genug - den neuen Reifen aufzusetzen erwies sich als Gruppenarbeit, bei der sich alle mindestens einen blauen Fingernagel holten. Bei mir war es übrigens der Daumen. Und als wir den vermaledeiten Reifen schließlich drauf hatten, stellten wir fest, dass er in die falsche Richtung zeigte. Wir guckten uns nur an und beschlossen, dass es uns egal sei, in welche Richtung das Muster zeigte, und machten uns daran, das Rad festzuschrauben. Und so kam es, dass nach dreistündiger Arbeit mein blauer Ford einen nigelnagelneuen linken Vorderreifen in falscher Richtung aufmontiert hatte!
Wir waren genau zum richtigen Zeitpunkt fertig geworden, denn gerade als ich mir die Hände gewaschen und die ölverschmierte Jacke an den Nagel gehängt hatte, kam eine Jeepgruppe und wollte über die Krossá gewiesen werden. Der Traktor fuhr anstandslos, und als ich zurückkam konnte ich dann auch direkt die Schrauben noch einmal festziehen. Wunderbar!
Aber wie das immer so ist: wenn man glaubt, fertig zu sein, fängt die Arbeit gerade erst an. Während mein lange nicht beachtetes Telefon Sturm klingelte, sah ich, wie eines der letzten Autos genau vor meiner Haustür einen Reifenschaden erlitt: die beiden Vorderreifen drehten sich in die entgegengesetzten Richtungen, das sah alles andere als gesund aus. Zum Glück war ich nun nur für die Organisation der Reparatur verantwortlich: es bildete sich sofort eine Traube von begeisterten Autofreaks um das beschädigte Auto, und ich musste eigentlich nur das Telefon bereitstellen, um die Männer alles organisieren zu lassen. Sollten die mal wuseln, mir war das wurscht...
Unterdessen kümmerte ich mich um die anfallenden Bedürfnisse der 40-köpfigen Gruppe; dies und das wurde verlangt, Informationsdurstige wollten befriedigt und meine beiden Füchse beschützt werden. Mit den Jeeps kamen nämlich fünf Hunde, welche schwanzwedelnd um meine Hütte herumliefen und meine armen kleinen Polarfüchse aus ihrem Versteck jagen wollten. Derweil begann eine Horde unerzogener Kleinisländer meine Putzkammer auszuräumen und mit den gefundenen Plastiktüten eine Art Sackhüpfen in der Krossá zu veranstalten. Nachdem wir die nassen, kalten, aber glücklichen Kinder aus den Stromschnellen gefischt hatten, war erst einmal Ruhe angesagt, da die Eltern sich nun besorgt auch einmal um ihre Sprösslinge kümmerten und überhaupt alle erst einmal mit Grillen und Essen beschäftigt waren.
ISLÄNDER!
Danach ist nicht mehr viel geschehen. Die für heute angekündigte Gruppe hat aufgrund des schlechten Weges abgesagt, es wird also eine ruhige Nacht werden. Da es mit 8°C noch ziemlich warm ist, brauche ich mich auch nicht um die Wasserleitungen zu sorgen, welche mir schon einmal eingefroren sind. Pünktlich zu Einbruch der Dunkelheit bekam ich noch kurzen Besuch von Gästen aus Húsadalur, welche von den Füchsen gehört hatten und diese sehen wollten. Aber da es nun bald dunkel wird, rechne ich nicht mehr mit viel Betrieb. Das wäre ja einmal ein Luxus, in aller Ruhe mein Abendessen anbrennen lassen zu können!
Der verdammte Traktor, oder: Samstags ist immer etwas los
Nachdem ich gestern einen solch arbeitsreichen Tag hatte und außerdem wusste, dass heute Samstag ist, beschloss ich, wenigstens einmal auszuschlafen. Und tatsächlich konnte ich bis halb Neun schlafen - dann nämlich klingelte das Telefon.
Es war die übliche Anfrage an einem Wochenendmorgen: wie sieht der Weg aus, wie viel Wasser ist in der Krossá, glaubst du, dass wir das mit 37-Zoll-Reifen bewältigen können? Gähn...
Immerhin regnete es ausnahmsweise einmal nicht; es war nur leicht bewölkt, ab und zu lugte die Sonne hinter den Bergen hervor. Es schien ein wunderschöner Tag zu werden!
Gut gelaunt hisste ich dann erst einmal die Flagge, und guckte bei meinen Gästen herein, säuberte die Öfen und kontrollierte den Ladestand der Batterie. Anschließend warf ich einen Blick auf den Traktor und erlitt beinahe einen Schock: der linke Vorderreifen stand auf der Felge, der Reifen war platter als platt!
Ich wusste sofort, was los war. Besagter Reifen war von Anfang an mein Sorgenkind gewesen. Die Felge war innen angerissen - es war nichts Schlimmes gewesen, und es bestand niemals die Gefahr, dass die ganze Felge brechen würde. Dort war halt bisher beständig Luft ausgeströmt - nicht viel, bisher reichte es, so alle drei bis vier Tage einmal Luft nachzupumpen. Aber diesmal war etwas gar nicht in Ordnung. Und tatsächlich: bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass sich der Riss kreisförmig um einen Bolzen herum erweitert und folglich in ein Loch verwandelt hatte. Und da im Loch der Schlauch des Reifens zu sehen war, hieß das nur eines: ein Reifenwechsel war fällig.
Den Großteil meiner Hüttenwartkarriere habe ich hier in Island in Emstrur absolviert, einer kleinen Wanderhütte auf dem Laugavegur, recht abgeschieden und nur schwer mit dem Auto zu erreichen. Vierzig Schlafplätze in zwei Hütten, einen Campingplatz, zwei Toiletten und ein Plumpsklo gab es zu betreuen - mehr nicht. Nur das leider auf dem überlaufensten Wanderweg Islands: Emstrur in der Hochsaison bedeutet Dauerstress, mit täglich 100-130 Übernachtungen. Von Ende Juni bis Mitte August war ich von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr Abends ununterbrochen auf den Beinen, und wenn mal wieder einer vermisst gemeldet worden war oder sich irgendwelche Berge runtergestürzt hatte, waren Extraschichten angesagt. Viel zu tun war auf Emstrur also immer - eines gab es dort aber nicht: Motoren.
Warum ich das erwähne? Nun, weil ich jetzt genau damit zu tun habe. In Langidalur gibt es Motoren. Einer befindet sich im blauen Ford, dem Traktor, und ein weiterer im kleinen Stromgenerator, der nun in den verregneten Herbsttagen die Solarzellen unterstützt. Und da diese beiden Krachmacher zur Hütte gehören, unterstehen sie meinem Tätigkeitsbereich. Und wie das immer so ist: wo Technik Einzug gehalten hat, kann selbige kaputt gehen. Da dies in meinem Falle leider andauernd geschieht und ich sowohl auf den Traktor als auch auf den Benzingenerator angewiesen bin, muss ich reparieren, was nicht in Ordnung ist. Ausgerechnet ich!
Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht autofahre. Ich besitze zwar einen Führerschein, fahre aber aus Prinzip nicht: ich brauche kein Auto, halte selbiges für total langweilig, zu teuer und außerdem umweltverschmutzend, und bin bisher ganz wunderbar als Fahrradfahrer, Beifahrer, Tramper und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel durchs Leben gekommen! Dementsprechend gering ist auch mein Interesse für Fahrzeuge und Motoren. Da erscheint es mir auch ziemlich sarkastisch, dass ich momentan nicht nur täglich einen Monstertraktor durch einen der gefürchtetsten Flüsse Islands fahre und Autos bei dessen Überquerung helfe, sondern ich mich nun auch mit der Instandhaltung meines Gefährtes beschäftigen muss! Und was in den vergangenen zwei Wochen nicht alles passiert ist! Nach dem Dauereinsatz zur Bergung des Unglücksbusses (siehe 20.09.07) verlor der Ford Unmengen an Öl und musste das Leck (bzw. die Lecks) gefunden und behoben werden. Nun weiß ich, wie man einen Ölfilter auswechselt, was eine Ölwanne ist und wo sie sich befindet und welche von den vielen Deckeln derjenige zum Auffüllen des Motoröles ist.
Zwei Tage später hatte ich nicht nur einen platten Vorderreifen (bereits erwähnte undichte Felge war Schuld daran), sondern auch ein Leck im Kühlsystem der Fahrerkabine. Erstes ließ sich durch Nachpumpen von Luft beheben, und letztes durch das Abdrehen eines Hahnes - ich war selber überrascht, wie einfach das war! Und weitere zwei Tage später sprang der Stromgenerator der Hütte einfach nicht an - da konnte ich die Zündkerze ausbauen und reinigen, soviel ich wollte, es tat sich nichts. Auch nachdem ich das Benzin abgelassen und das komplette System gereinigt hatte, nachdem ich den Luftfilter auseinander genommen und gesäubert hatte, schwieg der Generator. Im Endeffekt musste ein neuer her, da konnte ich wirklich nichts mehr dran machen. Aber man soll mir nicht nachsagen, dass ich mich nicht bemüht hätte!
Nun ja, und heute dann war also ein Reifenwechsel fällig. Wenig enthusiastisch pumpte ich Luft nach, fuhr den Traktor dann zu seinem (zum Glück anwesenden) Ersatzreifen, und machte mich auf die Suche nach allen Materialen, die ich zum Reifenwechsel brauchen würde. Schraubenschlüssel, Hammer und Wagenheber sollten genügen. Nun war der Wagenheber erstens für ein Auto gedacht (also viel zu klein), und zweitens kaputt. Was also blieb mir anderes übrig, als die beiden anwesenden Jeepfahrer um Hilfe zu bitten? Sie hatten einen großen Wagenheber hinten am großen Jeep montiert und boten mit leuchtenden Augen direkt ihre Unterstützung an. Sie hätten zwar noch nie einen Traktorreifen gewechselt, würden es aber liebend gerne ausprobieren!
Männer! Ich werde sie nie verstehen! Wie kann jemand Spaß daran haben, an Maschinen herumzuschrauben?
Nun, mir war diese enthusiastische Hilfe aber nur recht! Wir pumpten also den Traktor hoch und machten uns dann daran, die Schrauben des Reifens zu lösen. Es war eine Menge Arbeit, die komplett verrosteten Bolzen loszumachen, und bei zweien schafften wir es gar nicht. Ein Entrostungspray musste her, aber auch nachdem ich alle Ecken der Hütte auf den Kopf gestellt hatte, wollte sich nichts Passendes finden. Also rief ich bei der Nachbarhütte Básar an, und siehe da: sie hatten, was wir brauchten. Meine beiden Tüftler schmissen sich ins Auto und suchten sich ihren Weg über die Krossá, um mit WD40 wiederzukommen, einem ziemlich aggressiven Spray, das die beiden angerosteten Schrauben in Windeseile abschraubfähig machte.
Den schweren, mir bis zum Bauch reichenden Traktorreifen von der Achse zu heben, ohne sich Quetschungen zu holen, war zu dritt schon schwierig genug - den neuen Reifen aufzusetzen erwies sich als Gruppenarbeit, bei der sich alle mindestens einen blauen Fingernagel holten. Bei mir war es übrigens der Daumen. Und als wir den vermaledeiten Reifen schließlich drauf hatten, stellten wir fest, dass er in die falsche Richtung zeigte. Wir guckten uns nur an und beschlossen, dass es uns egal sei, in welche Richtung das Muster zeigte, und machten uns daran, das Rad festzuschrauben. Und so kam es, dass nach dreistündiger Arbeit mein blauer Ford einen nigelnagelneuen linken Vorderreifen in falscher Richtung aufmontiert hatte!
Wir waren genau zum richtigen Zeitpunkt fertig geworden, denn gerade als ich mir die Hände gewaschen und die ölverschmierte Jacke an den Nagel gehängt hatte, kam eine Jeepgruppe und wollte über die Krossá gewiesen werden. Der Traktor fuhr anstandslos, und als ich zurückkam konnte ich dann auch direkt die Schrauben noch einmal festziehen. Wunderbar!
Aber wie das immer so ist: wenn man glaubt, fertig zu sein, fängt die Arbeit gerade erst an. Während mein lange nicht beachtetes Telefon Sturm klingelte, sah ich, wie eines der letzten Autos genau vor meiner Haustür einen Reifenschaden erlitt: die beiden Vorderreifen drehten sich in die entgegengesetzten Richtungen, das sah alles andere als gesund aus. Zum Glück war ich nun nur für die Organisation der Reparatur verantwortlich: es bildete sich sofort eine Traube von begeisterten Autofreaks um das beschädigte Auto, und ich musste eigentlich nur das Telefon bereitstellen, um die Männer alles organisieren zu lassen. Sollten die mal wuseln, mir war das wurscht...
Unterdessen kümmerte ich mich um die anfallenden Bedürfnisse der 40-köpfigen Gruppe; dies und das wurde verlangt, Informationsdurstige wollten befriedigt und meine beiden Füchse beschützt werden. Mit den Jeeps kamen nämlich fünf Hunde, welche schwanzwedelnd um meine Hütte herumliefen und meine armen kleinen Polarfüchse aus ihrem Versteck jagen wollten. Derweil begann eine Horde unerzogener Kleinisländer meine Putzkammer auszuräumen und mit den gefundenen Plastiktüten eine Art Sackhüpfen in der Krossá zu veranstalten. Nachdem wir die nassen, kalten, aber glücklichen Kinder aus den Stromschnellen gefischt hatten, war erst einmal Ruhe angesagt, da die Eltern sich nun besorgt auch einmal um ihre Sprösslinge kümmerten und überhaupt alle erst einmal mit Grillen und Essen beschäftigt waren.
ISLÄNDER!
Danach ist nicht mehr viel geschehen. Die für heute angekündigte Gruppe hat aufgrund des schlechten Weges abgesagt, es wird also eine ruhige Nacht werden. Da es mit 8°C noch ziemlich warm ist, brauche ich mich auch nicht um die Wasserleitungen zu sorgen, welche mir schon einmal eingefroren sind. Pünktlich zu Einbruch der Dunkelheit bekam ich noch kurzen Besuch von Gästen aus Húsadalur, welche von den Füchsen gehört hatten und diese sehen wollten. Aber da es nun bald dunkel wird, rechne ich nicht mehr mit viel Betrieb. Das wäre ja einmal ein Luxus, in aller Ruhe mein Abendessen anbrennen lassen zu können!
Hallo Kerstin,
Deine Berichte sind jedesmal eine Überraschung. Dann ist eine Viertelstunde das große Schmunzeln angesagt.
Da hab ich mir natürlich noch mal das Traktorbild angeschaut und siehe da, das Profil von Vorder- und Hinterreifen zeigen tatsächlich in eine andere Richtung!
Besonders grinsen mußte bei der Beschreibung dieser besonderen Subspezies des Touristen Sie läuft erst dann zur Hochform auf wenn es irgend etwas zu schrauben gibt. Das ist das eigentliche Abenteuer!
Bitte mach weiter so.
Dieter
Deine Berichte sind jedesmal eine Überraschung. Dann ist eine Viertelstunde das große Schmunzeln angesagt.
Da hab ich mir natürlich noch mal das Traktorbild angeschaut und siehe da, das Profil von Vorder- und Hinterreifen zeigen tatsächlich in eine andere Richtung!
Besonders grinsen mußte bei der Beschreibung dieser besonderen Subspezies des Touristen Sie läuft erst dann zur Hochform auf wenn es irgend etwas zu schrauben gibt. Das ist das eigentliche Abenteuer!
Bitte mach weiter so.
Dieter
http://www.isafold.de
Wanderungen über das Hochland Islands
Wanderungen über das Hochland Islands
Dieter hat geschrieben:Besonders grinsen mußte bei der Beschreibung dieser besonderen Subspezies des Touristen Sie läuft erst dann zur Hochform auf wenn es irgend etwas zu schrauben gibt. Das ist das eigentliche Abenteuer!
Nicht nur Touristen. Männer an sich!
Meine Tochter war einen Teil ihres Jahres auf Island im Fljótsdalur in Ostisland. Für den Herrn des Hauses waren es die schönsten Tage, wenn er seinen Traktor zur Rettung eines liegengebliebenen Nachbarn herausholen konnte oder ähnliches
Beim zweijährigen Sohn fing es auch schon an. Das einzige Wort, das er sprach, war "Bindabakka" (keine Ahnung, ob man das so schreibt...) - das ist so eine Heubindemaschine
Ich lese Deine Berichte auch gerne, @Kerstin. Als der Technik nicht unbedingt abgeneigte Frau hätte ich aber wohl vor einem Reifenwechsel bei dem Monster kapituliert
Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.
Donnerstag, 4. Oktober 2007
Donnerstag, 4. Oktober 2007
Juhuu, es regnet, oder: das Ende der Saison
Ruhig ist es geworden, sehr ruhig sogar. In der vergangenen Woche war die Krossá drei Tage lang unpassierbar und haben deshalb mehrere Gruppen abgesagt, die eigentlich kommen wollten. Es ist das Wetter, das so gut wie alle Outdooraktivitäten dieses Herbstes im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen lässt. Der Sommer ist laut Erzählungen aller ein wunderschön trockener gewesen - wie es scheint, fällt jetzt der Regen, der in den Sommermonaten ausblieb! Der September in Reykjavík war der niederschlagsreichste Monat seit Jahrzehnten - ich denke einmal, dass dies auch für die Þórsmörk zutrifft!
Von daher ist es auch kaum verwunderlich, dass ich in den letzten Tagen aufgrund der Absagen zwar Zeit für Wanderungen gefunden habe, diese aber ausschließlich im Regen zurücklegte. Mittlerweile habe ich auch aufgegeben, mich über das schlechte Wetter aufzuregen, sondern freue mich statt dessen, wenn ich einmal nicht nass werde!
Gestern wagte sich, zum ersten Mal seit fünf Tagen, wieder eine Schulgruppe auf diese Seite der Krossá. 55 Teenies und drei Lehrer der Laugalækjarskóli kamen in zwei hochgelegenen Bussen, die sage und schreibe zweieinhalb Stunden vom Seljalandsfoss bis hierher benötigten - normalerweise legt man diese Strecke in einer Stunde zurück! Doch der Weg war aufgrund der Fluten der vorangegangenen Tage so zerrissen und untergraben, dass die Busse nur im Schritttempo vorankamen und einige der Kids vom vielen Geschaukel seekrank wurden. Ich sah die beiden Gefährte Ewigkeiten durch die Hvannáraurar fahren, das Schwemmland eines Baches gegenüber von Langidalur, und schmiss mich in den Traktor um ihnen über die Krossá zu helfen. Im Endeffekt sollte sich aber besagt Hvanná als wesentlich komplizierter herausstellen, weil sie sich tief in den weichen Sand eingegraben hatte und die schmalen Bäche von bis zu ein Meter hohen, senkrechten Ufern begrenzt wurden - der Tod eines jeden Busses! Man muss nämlich wissen, dass Busse aufgrund ihrer Länge nicht mit steilen Kanten zurechtkommen und deshalb trotz großer Räder viel vorsichtiger fahren müssen, als kleine, vierradgetriebene Autos. Den kleineren der beiden Busse nahm ich deswegen auch ins Schlepptau: er blieb ständig stecken, da sein Vorderradantrieb kaputt war. Aber hinter meinen Traktor gespannt, bekamen wir den lahmen Bus schnell sowohl über die Hvanná als auch auf unsere Seite der Krossá. Die Furt durch den wasserreichen Fluss war ausnahmsweise einmal kein Problem, da die Krossá momentan so nett ist, sich in mehreren Armen gleichmäßig über die ganze Breite des weiten Flusstales zu verteilen! Sehr angenehm!
Die Kids stellten sich zwar allesamt als hyperaktiv heraus (was meines Erachtens nach an den enormen Mengen koffeinhaltiger Getränke lag, die sie hier durchgehend tranken), allerdings auch als sehr umgänglich, offen und pflichtbewusst. Eine nette Truppe! Abends gab es allerdings ein wenig Stress, weil sich ein Junge beim Fußballspielen so verletzt hatte, dass wir den Notarzt in Hvolsvöllur alarmierten. Es sah alles nach einer inneren Verletzung aus - nichts, das wir warten lassen wollten. Nach dem Telefongespräch mit dem Arzt legten sich unsere Sorgen zwar, dass wir es mit inneren Blutungen zu tun haben könnten, jedoch drängten wir auf baldige Abholung. Der Plan war, den Jungen in einem der Busse aus der Þórsmörk zu bringen - zu unser aller Erstaunen kam der Krankenwagen allerdings nach nicht einmal einer Stunde hier bei uns an! Die Bergrettung war mit einem Riesenjeep in abartigem Tempo über den nicht vorhandenen Weg gerast; einen Krankenwagen so lange im Schlepptau, bis die ersten großen Flussfurten kamen. Der Notarzt im Bergrettungsjeep kam also bis zu uns, holte den Jungen ab, und fuhr ihn aus der Þórsmörk zum wartenden Krankenwagen, und in diesem dann weiter bis nach Reykjavík. Einen so schnellen und reibungslosen Transport bei den Wetter- und Wegverhältnissen hierher in die Abgeschiedenheit der Þórsmörk gewährleisten zu können, ist absolut top - damit hat keiner von uns gerechnet! Ich bin wirklich beeindruckt vom Zusammenspiel der Bergrettung und Ärzte!
Auch heute stellten sich die Kids als sehr hilfsbereit dar. Die Hütte putzten sie gut und gründlich, ohne dass ich ihnen nachjagen musste! Vielleicht wollten sie es sich aber auch nicht mit mir verscherzen; hatte ich ihnen vorher doch angedroht, ihnen nicht über die Krossá zu helfen, wenn die Hütte nicht sauber hinterlassen werden würde!
So aber schleppte ich den kleineren der beiden Busse dann wieder über die Krossá. Obwohl - schleppen tat ich eigentlich gar nicht. Ich fuhr zwar voraus, und wir waren auch über ein Abschleppseil miteinander verbunden, aber aus einem unerklärlichen Grund hielt der Busfahrer das Seil nie auf Spannung. Nun, wir kamen durch, standen dann aber vor dem Grand Canyon, den die Hvanná über Nacht mal wieder komplett neu geformt hatte. Bestimmt zwanzig Minuten lang flitzte ich mit dem Traktor das Flussbett auf und nieder, bis ich eine Furt gefunden und ausgefahren hatte, welche die beiden Busse dann nutzen konnten. Und dann ging es im Schritttempo und mit Schieben und Zerren durch das Schlachtfeld aus Matsch und kopfgroßen Steinen - ich konnte die Kids bis in den Traktor schreien hören, so aufregend schien es für sie gewesen zu sein... Da drängt sich einem doch direkt der Vergleich auf, dass die Þórsmörk gut und gerne als Phantasialand Islands herhalten könnte!
Nun, und jetzt ist es wieder ruhig. Die Hütte blitzt und blinkt, da ich mich gerade zwei Stunden lang an ihr ausgetobt habe und außerdem in den letzten Tagen viel zu viel Zeit hatte. Aus diesem Grunde sind nun die Fenster frisch geputzt, die Küchen aufgeräumt und bestandgezählt, die zerbrochenen Fensterriegel ausgetauscht, ich bin mit Spachtel und Taschenmesser den steinharten Kaugummis zu Leibe gegangen, die in allen möglichen und unmöglichen Ecken klebten und habe den Campingplatz winterfest gemacht. Die einzige Großaufgabe, die mir hier noch entgegenlacht, ist, die Edding-Schmierereien an den Betten und Wänden der Schlafsäle mit Sandpapier abzuschmirgeln - eine langwierige Arbeit, zu der ich heute keine Lust mehr habe.
Ja, und nun ist es nur noch eine Frage von Tagen, bis Langidalur bis zum nächsten Sommer geschlossen wird. Die Schulgruppen sind alle durch, nur für Samstag ist noch eine Pfadfindergruppe eingebucht, danach ist Schluss. Ich denke mal, dass ich am Sonntag oder Montag abgeholt werde. So genau weiß ich das nicht, dies wird schließlich auch vom Wetter und dem Wasserstand der Flüsse abhängen. Bis dahin jedenfalls muss hier alles für den Winter vorbereitet werden. Außer dem abschließenden Großreinemachen müssen noch Listen ausgefüllt werden (eine allgemeine Bestandszählung, sozusagen) und sollte ich mich an die leidige Buchhaltung begeben und Bilanz ziehen. Eine Hütte winterfest zu machen, besonders eine so große wie Langidalur, ist eine Heidenarbeit. Aber, wie sage ich immer: ich werde hier nicht fürs Rumsitzen bezahlt!
Von daher denke ich einmal, dass dies der letzte Eintrag hier aus Langidalur sein wird. Es steht wohl noch zur Debatte, ob man mich danach noch für ein paar Tage nach Landmannalaugar bringen solle, um dem dortigen Hüttenwart beim Schließen der Hütte behilflich zu sein. Lustig wäre das ja! Nur bin ich mir in einem Punkt ziemlich sicher: einen so aufregendenden Job, wie der des Hüttenwartes in der Þórsmörk, werde ich so bald nicht mehr haben!
Und hiermit beende ich dann auch den aktuellen Bericht aus der Þórsmörk. Das nächste Mal lasse ich von mir von anderswo hören!
Juhuu, es regnet, oder: das Ende der Saison
Ruhig ist es geworden, sehr ruhig sogar. In der vergangenen Woche war die Krossá drei Tage lang unpassierbar und haben deshalb mehrere Gruppen abgesagt, die eigentlich kommen wollten. Es ist das Wetter, das so gut wie alle Outdooraktivitäten dieses Herbstes im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fallen lässt. Der Sommer ist laut Erzählungen aller ein wunderschön trockener gewesen - wie es scheint, fällt jetzt der Regen, der in den Sommermonaten ausblieb! Der September in Reykjavík war der niederschlagsreichste Monat seit Jahrzehnten - ich denke einmal, dass dies auch für die Þórsmörk zutrifft!
Von daher ist es auch kaum verwunderlich, dass ich in den letzten Tagen aufgrund der Absagen zwar Zeit für Wanderungen gefunden habe, diese aber ausschließlich im Regen zurücklegte. Mittlerweile habe ich auch aufgegeben, mich über das schlechte Wetter aufzuregen, sondern freue mich statt dessen, wenn ich einmal nicht nass werde!
Gestern wagte sich, zum ersten Mal seit fünf Tagen, wieder eine Schulgruppe auf diese Seite der Krossá. 55 Teenies und drei Lehrer der Laugalækjarskóli kamen in zwei hochgelegenen Bussen, die sage und schreibe zweieinhalb Stunden vom Seljalandsfoss bis hierher benötigten - normalerweise legt man diese Strecke in einer Stunde zurück! Doch der Weg war aufgrund der Fluten der vorangegangenen Tage so zerrissen und untergraben, dass die Busse nur im Schritttempo vorankamen und einige der Kids vom vielen Geschaukel seekrank wurden. Ich sah die beiden Gefährte Ewigkeiten durch die Hvannáraurar fahren, das Schwemmland eines Baches gegenüber von Langidalur, und schmiss mich in den Traktor um ihnen über die Krossá zu helfen. Im Endeffekt sollte sich aber besagt Hvanná als wesentlich komplizierter herausstellen, weil sie sich tief in den weichen Sand eingegraben hatte und die schmalen Bäche von bis zu ein Meter hohen, senkrechten Ufern begrenzt wurden - der Tod eines jeden Busses! Man muss nämlich wissen, dass Busse aufgrund ihrer Länge nicht mit steilen Kanten zurechtkommen und deshalb trotz großer Räder viel vorsichtiger fahren müssen, als kleine, vierradgetriebene Autos. Den kleineren der beiden Busse nahm ich deswegen auch ins Schlepptau: er blieb ständig stecken, da sein Vorderradantrieb kaputt war. Aber hinter meinen Traktor gespannt, bekamen wir den lahmen Bus schnell sowohl über die Hvanná als auch auf unsere Seite der Krossá. Die Furt durch den wasserreichen Fluss war ausnahmsweise einmal kein Problem, da die Krossá momentan so nett ist, sich in mehreren Armen gleichmäßig über die ganze Breite des weiten Flusstales zu verteilen! Sehr angenehm!
Die Kids stellten sich zwar allesamt als hyperaktiv heraus (was meines Erachtens nach an den enormen Mengen koffeinhaltiger Getränke lag, die sie hier durchgehend tranken), allerdings auch als sehr umgänglich, offen und pflichtbewusst. Eine nette Truppe! Abends gab es allerdings ein wenig Stress, weil sich ein Junge beim Fußballspielen so verletzt hatte, dass wir den Notarzt in Hvolsvöllur alarmierten. Es sah alles nach einer inneren Verletzung aus - nichts, das wir warten lassen wollten. Nach dem Telefongespräch mit dem Arzt legten sich unsere Sorgen zwar, dass wir es mit inneren Blutungen zu tun haben könnten, jedoch drängten wir auf baldige Abholung. Der Plan war, den Jungen in einem der Busse aus der Þórsmörk zu bringen - zu unser aller Erstaunen kam der Krankenwagen allerdings nach nicht einmal einer Stunde hier bei uns an! Die Bergrettung war mit einem Riesenjeep in abartigem Tempo über den nicht vorhandenen Weg gerast; einen Krankenwagen so lange im Schlepptau, bis die ersten großen Flussfurten kamen. Der Notarzt im Bergrettungsjeep kam also bis zu uns, holte den Jungen ab, und fuhr ihn aus der Þórsmörk zum wartenden Krankenwagen, und in diesem dann weiter bis nach Reykjavík. Einen so schnellen und reibungslosen Transport bei den Wetter- und Wegverhältnissen hierher in die Abgeschiedenheit der Þórsmörk gewährleisten zu können, ist absolut top - damit hat keiner von uns gerechnet! Ich bin wirklich beeindruckt vom Zusammenspiel der Bergrettung und Ärzte!
Auch heute stellten sich die Kids als sehr hilfsbereit dar. Die Hütte putzten sie gut und gründlich, ohne dass ich ihnen nachjagen musste! Vielleicht wollten sie es sich aber auch nicht mit mir verscherzen; hatte ich ihnen vorher doch angedroht, ihnen nicht über die Krossá zu helfen, wenn die Hütte nicht sauber hinterlassen werden würde!
So aber schleppte ich den kleineren der beiden Busse dann wieder über die Krossá. Obwohl - schleppen tat ich eigentlich gar nicht. Ich fuhr zwar voraus, und wir waren auch über ein Abschleppseil miteinander verbunden, aber aus einem unerklärlichen Grund hielt der Busfahrer das Seil nie auf Spannung. Nun, wir kamen durch, standen dann aber vor dem Grand Canyon, den die Hvanná über Nacht mal wieder komplett neu geformt hatte. Bestimmt zwanzig Minuten lang flitzte ich mit dem Traktor das Flussbett auf und nieder, bis ich eine Furt gefunden und ausgefahren hatte, welche die beiden Busse dann nutzen konnten. Und dann ging es im Schritttempo und mit Schieben und Zerren durch das Schlachtfeld aus Matsch und kopfgroßen Steinen - ich konnte die Kids bis in den Traktor schreien hören, so aufregend schien es für sie gewesen zu sein... Da drängt sich einem doch direkt der Vergleich auf, dass die Þórsmörk gut und gerne als Phantasialand Islands herhalten könnte!
Nun, und jetzt ist es wieder ruhig. Die Hütte blitzt und blinkt, da ich mich gerade zwei Stunden lang an ihr ausgetobt habe und außerdem in den letzten Tagen viel zu viel Zeit hatte. Aus diesem Grunde sind nun die Fenster frisch geputzt, die Küchen aufgeräumt und bestandgezählt, die zerbrochenen Fensterriegel ausgetauscht, ich bin mit Spachtel und Taschenmesser den steinharten Kaugummis zu Leibe gegangen, die in allen möglichen und unmöglichen Ecken klebten und habe den Campingplatz winterfest gemacht. Die einzige Großaufgabe, die mir hier noch entgegenlacht, ist, die Edding-Schmierereien an den Betten und Wänden der Schlafsäle mit Sandpapier abzuschmirgeln - eine langwierige Arbeit, zu der ich heute keine Lust mehr habe.
Ja, und nun ist es nur noch eine Frage von Tagen, bis Langidalur bis zum nächsten Sommer geschlossen wird. Die Schulgruppen sind alle durch, nur für Samstag ist noch eine Pfadfindergruppe eingebucht, danach ist Schluss. Ich denke mal, dass ich am Sonntag oder Montag abgeholt werde. So genau weiß ich das nicht, dies wird schließlich auch vom Wetter und dem Wasserstand der Flüsse abhängen. Bis dahin jedenfalls muss hier alles für den Winter vorbereitet werden. Außer dem abschließenden Großreinemachen müssen noch Listen ausgefüllt werden (eine allgemeine Bestandszählung, sozusagen) und sollte ich mich an die leidige Buchhaltung begeben und Bilanz ziehen. Eine Hütte winterfest zu machen, besonders eine so große wie Langidalur, ist eine Heidenarbeit. Aber, wie sage ich immer: ich werde hier nicht fürs Rumsitzen bezahlt!
Von daher denke ich einmal, dass dies der letzte Eintrag hier aus Langidalur sein wird. Es steht wohl noch zur Debatte, ob man mich danach noch für ein paar Tage nach Landmannalaugar bringen solle, um dem dortigen Hüttenwart beim Schließen der Hütte behilflich zu sein. Lustig wäre das ja! Nur bin ich mir in einem Punkt ziemlich sicher: einen so aufregendenden Job, wie der des Hüttenwartes in der Þórsmörk, werde ich so bald nicht mehr haben!
Und hiermit beende ich dann auch den aktuellen Bericht aus der Þórsmörk. Das nächste Mal lasse ich von mir von anderswo hören!
Weiter geht es: diesmal mit Berichten aus Landmannalaugar aus den Monaten Oktober 2007 sowie Februar-April 2008.
Viel Spaß!
Viel Spaß!
Zuletzt geändert von Kerstin am Di 15. Apr 2008, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.
Dienstag, 16. Oktober 2007
Dienstag, 16. Oktober 2007
Þórsmörk, Reykjavík, Landmannalaugar, oder: einmal Kontrastprogramm, bitte!
Ach, es ist alles so herrlich Isländisch! Ich liege gerade in Landmannalaugar in einem absolutem Luxusbett; Luxus von daher, da es sich bei meiner Schlafgelegenheit nicht um eine komplett ausgelegene Schaumstoffmatratze handelt, sondern um ein niegelnagelneues Federbett mit dünner Weichmatratze, welche in jedem der sechs kleinen Räume im neuen Hüttenwarthaus in Landmannalaugar steht.
Aber erst einmal der Reihe nach.
Was geschah seit dem letzten Eintrag, den ich ja noch in der Þórsmörk verfasste?
Am zehnten Oktober wurde ich aus der Þórsmörk abgeholt. Die Tage zuvor, allesamt ruhig und sonnig, habe ich mit allen Arbeiten verbracht, die ich mir vorstellen konnte. Ich habe alle Hütten und Häuser blitzeblank gebohnert, alle Mülltonnen, Tische und Bänke eingesammelt (was mir mit der Hilfe einer Sackkarre tatsächlich alleine gelang), habe alles Wasser abgestellt und die Leitungen geleert (damit diese nicht platzen wenn es friert) und alles zusammengepackt was nach Reykjavík sollte. Meine beiden halbzahmen Polarfüchse Kjáni und Sæla habe ich so abgefüllt mit allem anfallenden Essen, dass die beiden hechelnd und bewegungsunfähig vor der Hütte im Gras lagen und ein paar Stunden erst einmal gar nichts mehr tun konnten, als zu verdauen. Wie Sæla da im Gras alle Beine von sich streckte, war ein Anblick für die Götter!
Drei Tage vor meiner Abreise habe ich dann auch endlich einmal die richtigen Namen der Füchse erfahren! Sæla heißt eigentlich Snælda, und Kjáni heißt Spotti! Spindel und Faden statt Frohsinn und Tollpatsch!
Über den Verbleib der Füchse war ich mir längere Zeit nicht klar. Ich hatte den Húsdýragarður (Zoo) in Reykjavík angerufen und mir dort Rat ob meiner beiden Zöglinge eingeholt. Da wurde mir direkt gesagt, dass ich sie am besten einschläfern lassen solle. Denn was passiert, wenn man so zahme Wildtiere sich selber überlässt, ist ja ganz logisch: sie werden weiterhin die Nähe zum Menschen suchen und dabei unweigerlich zu furchtlosen und kackdreisten Hühnerdieben werden. Früher oder später werden sie also sowieso von einer Schrotflinte getötet werden - von daher bat ich Palli, mit einem Gewehr zu kommen und die beiden schnell und schmerzlos zu töten. Das hielt und halte ich für die humanste Methode, um den beiden zahmen Füchsen Leiden zu ersparen.
Nun hatte aber meine Kollegin Ólöf, welche im Büro des FÍ arbeitet, die Frage in den Raum geworfen, ob einer der drei reykjavíknahen Tiergärten die beiden Füchse haben wolle. Da zwei der drei Zoos noch keine Antwort gegeben hatten, bevor ich abgeholt wurde, ließen wir die Füchse zurück, ohne dass deren Zukunft klar war. Zwei Tage später hatte auch der letzte der drei Tiergärten abgelehnt, so dass ich Palli seitdem im Ohr liege, in die Þórsmörk zu fahren und meinen Kleinen abzuknallen, bevor sie abhauen. Mein Gott, das hört sich so grob an, aber ... nun ja, es ist nun einmal die einzige Möglichkeit! So menschennah erzogene Füchse sind ob ihrer fehlenden Scheu gefährlich und werden den Bauern der Umgebung ganz schön viel Ärger bereiten. Und lieber will ich sie schnell und schmerzlos töten, als sie halb verhungert um irgendwelche Gehöfte herumstreifen zu wissen, wo sie nur halb von einer Schrotflinte getroffen werden und langsam und elendig zugrunde gehen...
Aber wie ich die Situation einschätze, sind die beiden Füchse eh schon auf und davon. Ich glaube nicht, dass sie noch da sein werden, wenn das nächste Mal jemand in die Þórsmörk fährt. So kann ich den beiden nur das Beste wünschen und hoffen, dass sie nicht über die Krossá und die Markarfljót schwimmen (wozu sie problemlos in der Lage sind) und Richtung Fljótshlíð abwandern, sondern sich statt dessen vom Menschen fernhalten. Den Winter werden sie überleben, wenn er nicht zu streng werden wird: Füchse sind zähe Allesfresser. Die beiden hatten zwar niemals eine Mutter, die ihnen das Jagen beibringen konnte, aber das ist bei Polarfüchsen sowieso nicht der Fall. Auch bei Wildfüchsen läuft es so ab, dass die Jungen immer in der Nähe des Baues bleiben, bis die Mutter irgendwann aufhört sie zu füttern und sie dann auf sich alleine gestellt sind.
Von daher sehe ich ihrem ungeplanten Weiterleben mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach und wünsche ihnen einfach nur viel Glück. Vielleicht überleben sie den Winter, vielleicht nicht. Das zu steuern, liegt nicht mehr in meiner Hand.
Kjáni im Oktober 2007
Nun, aber zurück zu meine Abreise aus der Þórsmörk. Ich wurde also nach Reykjavík gebracht, wo ich zwei Tage lang damit beschäftigt war, das totale Chaos im Keller des Büros des FÍ aufzulösen und Ordnung in die Regale des Lagers zu bringen. Und dann war auch schon Samstag der 13. Oktober und wurde ich von Gunnar nach Landmannalaugar gefahren. Gunnar ist der aktuelle Freund Gerðurs, welche in den letzten Wochen als Hüttenwart in Landmannalaugar arbeitete.
Landmannalaugar. Wohl jeder Islandreisende wird zumindest schon einmal Fotos von diesem Ort gesehen haben. Es ist ein Hochtemperaturgebiet im südlichen Hochland der Insel, für europäische Verhältnisse im kompletten Niemandsland gelegen. Man fährt mehrere Stunden über Hochlandpisten, die bis auf eine nur für vierradgetriebene Fahrzeuge zugänglich sind, bevor man das südliche Fjallabak-Gebiet erreicht: eine beinahe surreal anmutende Landschaft aus unbewachsenen Rhyolitbergen, Seen, Gletschern, Lavafeldern und Solfatargebieten. Die extreme Färbung der Berge der Gegend sowie ein Heißquellen-Bachsystem haben ein Tal besonders bekannt gemacht: Landmannalaugar an der Jökulgil, der Ort, an dem mein Wanderverein eine Hütte mit 80 Kojen besitzt. Diese hat sich in den letzten Jahren allerdings zu einem großen Gebäudekomplex gemausert: zusätzlich zu der gemütlichen (aber leider ständig komplett überfüllten) Berghütte gibt es dort ein riesiges Klohaus mit 15 Toiletten und fünf Duschen, sowie einem Geräteschuppen, in dem das Winter-Plumpsklo untergebracht ist. Seit dem vergangenen Sommer steht dort auch ein ganz neues, riesengroßes Holzhaus für die im Sommer bis zu sechs Hüttenwarte.
Ja, ich habe mich nicht verschrieben: sechs Hüttenwarte gibt es im Sommer in Landmannalaugar. Fünf davon sind tatsächlich Hüttenwarte, der sechste nennt sich Landwart, Ranger oder Parkhüter. Er kümmert sich um die Sanierung der Wanderwege, koordiniert die Freiwilligenteams, die wochenweise im Landschaftsschutz helfen, und fährt mit seinem Jeep das Gebiet ab, um zu sehen, dass sich alle an die Regeln des Schutzgebietes halten: u.a. ist das Offroadfahren wie überall verboten, und zelten darf man auch nur auf ausgeschilderten Campingplätzen.
Die anderen fünf Hüttenwarte sind, wie der Name es sagt, nur für die Hütte zuständig: und da gibt es im Sommer mehr als genug Arbeit. Das Gebiet ist touristisch nämlich dermaßen überlaufen, dass auf dem Schotterplatz ringsumher von Juni bis September jede Nacht Dutzende bis mehrere hundert Zelte stehen. Landmannalaugar im Sommer kommt einem Jahrmarkt gleich: Menschen aller Herren Länder campieren auf engstem Raum, täglich karren Dutzende von Bussen Tagestouristen dorthin, welche schnell in die warmen Quellen hüpfen oder mal eben die eineinhalbstündige Wanderung durchs Lavafeld auf ihrer To-do-Liste abhaken.
Landmannalaugar im Sommer ist Stress pur.
Landmannalaugar im Frühwinter, wie das ja nun im Oktober der Fall ist, ist dagegen die reinste Erholung! Kein Wunder, denn es trauen sich nur noch die sogenannten Super-Jeeps hierher. Das Wetter ist unstet, immer kann es schneien und das heftig und viel; jeder Fahrer hat Angst, eingeschneit zu werden. Und wenn es nicht schneit, dann regnet es so sehr, dass die Flüsse unpassierbar sind und die Wege sich in Schlammlöcher verwandeln.
Nun ja, und hier bin ich nun. Zusammen mit Gerður, welche seit einem Monat hier die Stellung hält, wohne ich im frisch errichteten Haus der Hüttenwarte. Im Frühjahr standen hier noch zwei kleine, spärlich eingerichtete Hütten, welche die Unterkunft für Landwart und Hüttenwarte waren, jetzt aber befindet sich hier ein Hotel: ein riesiges, eingeschossiges Holzhaus aus Schweden, so groß, dass es von den meisten Ankömmlingen für eine zweite Berghütte gehalten wird. Das Haus ist wirklich enorm, vor allem, wenn man die Zimmeranzahl erfährt: neben einer Wohnzimmerküche (inklusive Ledersofa und einem Tisch für sechs Personen) gibt es zwei Badezimmer, eine kleine Rumpelkammer und sechs Einzelzimmer, jedes mit einem kleinen Doppelbett und Regal ausgestattet. Ich habe als Hüttenwart noch niemals so luxuriös gelebt, wie hier: der gasbetriebene Kühlschrank hat ein Gefrierfach, wir verfügen über Telefon UND Funkgerät sowie über Strom: zur Hütte gehört ein Dieselgenerator, und wenn der läuft, dann haben wir hier im Haus tatsächlich elektrisches Licht und funktionierende Steckdosen! Ich bin ja beinahe vom Glauben abgefallen, als ich das gesehen habe! Fehlt nur noch die Internetverbindung...
Þórsmörk, Reykjavík, Landmannalaugar, oder: einmal Kontrastprogramm, bitte!
Ach, es ist alles so herrlich Isländisch! Ich liege gerade in Landmannalaugar in einem absolutem Luxusbett; Luxus von daher, da es sich bei meiner Schlafgelegenheit nicht um eine komplett ausgelegene Schaumstoffmatratze handelt, sondern um ein niegelnagelneues Federbett mit dünner Weichmatratze, welche in jedem der sechs kleinen Räume im neuen Hüttenwarthaus in Landmannalaugar steht.
Aber erst einmal der Reihe nach.
Was geschah seit dem letzten Eintrag, den ich ja noch in der Þórsmörk verfasste?
Am zehnten Oktober wurde ich aus der Þórsmörk abgeholt. Die Tage zuvor, allesamt ruhig und sonnig, habe ich mit allen Arbeiten verbracht, die ich mir vorstellen konnte. Ich habe alle Hütten und Häuser blitzeblank gebohnert, alle Mülltonnen, Tische und Bänke eingesammelt (was mir mit der Hilfe einer Sackkarre tatsächlich alleine gelang), habe alles Wasser abgestellt und die Leitungen geleert (damit diese nicht platzen wenn es friert) und alles zusammengepackt was nach Reykjavík sollte. Meine beiden halbzahmen Polarfüchse Kjáni und Sæla habe ich so abgefüllt mit allem anfallenden Essen, dass die beiden hechelnd und bewegungsunfähig vor der Hütte im Gras lagen und ein paar Stunden erst einmal gar nichts mehr tun konnten, als zu verdauen. Wie Sæla da im Gras alle Beine von sich streckte, war ein Anblick für die Götter!
Drei Tage vor meiner Abreise habe ich dann auch endlich einmal die richtigen Namen der Füchse erfahren! Sæla heißt eigentlich Snælda, und Kjáni heißt Spotti! Spindel und Faden statt Frohsinn und Tollpatsch!
Über den Verbleib der Füchse war ich mir längere Zeit nicht klar. Ich hatte den Húsdýragarður (Zoo) in Reykjavík angerufen und mir dort Rat ob meiner beiden Zöglinge eingeholt. Da wurde mir direkt gesagt, dass ich sie am besten einschläfern lassen solle. Denn was passiert, wenn man so zahme Wildtiere sich selber überlässt, ist ja ganz logisch: sie werden weiterhin die Nähe zum Menschen suchen und dabei unweigerlich zu furchtlosen und kackdreisten Hühnerdieben werden. Früher oder später werden sie also sowieso von einer Schrotflinte getötet werden - von daher bat ich Palli, mit einem Gewehr zu kommen und die beiden schnell und schmerzlos zu töten. Das hielt und halte ich für die humanste Methode, um den beiden zahmen Füchsen Leiden zu ersparen.
Nun hatte aber meine Kollegin Ólöf, welche im Büro des FÍ arbeitet, die Frage in den Raum geworfen, ob einer der drei reykjavíknahen Tiergärten die beiden Füchse haben wolle. Da zwei der drei Zoos noch keine Antwort gegeben hatten, bevor ich abgeholt wurde, ließen wir die Füchse zurück, ohne dass deren Zukunft klar war. Zwei Tage später hatte auch der letzte der drei Tiergärten abgelehnt, so dass ich Palli seitdem im Ohr liege, in die Þórsmörk zu fahren und meinen Kleinen abzuknallen, bevor sie abhauen. Mein Gott, das hört sich so grob an, aber ... nun ja, es ist nun einmal die einzige Möglichkeit! So menschennah erzogene Füchse sind ob ihrer fehlenden Scheu gefährlich und werden den Bauern der Umgebung ganz schön viel Ärger bereiten. Und lieber will ich sie schnell und schmerzlos töten, als sie halb verhungert um irgendwelche Gehöfte herumstreifen zu wissen, wo sie nur halb von einer Schrotflinte getroffen werden und langsam und elendig zugrunde gehen...
Aber wie ich die Situation einschätze, sind die beiden Füchse eh schon auf und davon. Ich glaube nicht, dass sie noch da sein werden, wenn das nächste Mal jemand in die Þórsmörk fährt. So kann ich den beiden nur das Beste wünschen und hoffen, dass sie nicht über die Krossá und die Markarfljót schwimmen (wozu sie problemlos in der Lage sind) und Richtung Fljótshlíð abwandern, sondern sich statt dessen vom Menschen fernhalten. Den Winter werden sie überleben, wenn er nicht zu streng werden wird: Füchse sind zähe Allesfresser. Die beiden hatten zwar niemals eine Mutter, die ihnen das Jagen beibringen konnte, aber das ist bei Polarfüchsen sowieso nicht der Fall. Auch bei Wildfüchsen läuft es so ab, dass die Jungen immer in der Nähe des Baues bleiben, bis die Mutter irgendwann aufhört sie zu füttern und sie dann auf sich alleine gestellt sind.
Von daher sehe ich ihrem ungeplanten Weiterleben mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach und wünsche ihnen einfach nur viel Glück. Vielleicht überleben sie den Winter, vielleicht nicht. Das zu steuern, liegt nicht mehr in meiner Hand.
Kjáni im Oktober 2007
Nun, aber zurück zu meine Abreise aus der Þórsmörk. Ich wurde also nach Reykjavík gebracht, wo ich zwei Tage lang damit beschäftigt war, das totale Chaos im Keller des Büros des FÍ aufzulösen und Ordnung in die Regale des Lagers zu bringen. Und dann war auch schon Samstag der 13. Oktober und wurde ich von Gunnar nach Landmannalaugar gefahren. Gunnar ist der aktuelle Freund Gerðurs, welche in den letzten Wochen als Hüttenwart in Landmannalaugar arbeitete.
Landmannalaugar. Wohl jeder Islandreisende wird zumindest schon einmal Fotos von diesem Ort gesehen haben. Es ist ein Hochtemperaturgebiet im südlichen Hochland der Insel, für europäische Verhältnisse im kompletten Niemandsland gelegen. Man fährt mehrere Stunden über Hochlandpisten, die bis auf eine nur für vierradgetriebene Fahrzeuge zugänglich sind, bevor man das südliche Fjallabak-Gebiet erreicht: eine beinahe surreal anmutende Landschaft aus unbewachsenen Rhyolitbergen, Seen, Gletschern, Lavafeldern und Solfatargebieten. Die extreme Färbung der Berge der Gegend sowie ein Heißquellen-Bachsystem haben ein Tal besonders bekannt gemacht: Landmannalaugar an der Jökulgil, der Ort, an dem mein Wanderverein eine Hütte mit 80 Kojen besitzt. Diese hat sich in den letzten Jahren allerdings zu einem großen Gebäudekomplex gemausert: zusätzlich zu der gemütlichen (aber leider ständig komplett überfüllten) Berghütte gibt es dort ein riesiges Klohaus mit 15 Toiletten und fünf Duschen, sowie einem Geräteschuppen, in dem das Winter-Plumpsklo untergebracht ist. Seit dem vergangenen Sommer steht dort auch ein ganz neues, riesengroßes Holzhaus für die im Sommer bis zu sechs Hüttenwarte.
Ja, ich habe mich nicht verschrieben: sechs Hüttenwarte gibt es im Sommer in Landmannalaugar. Fünf davon sind tatsächlich Hüttenwarte, der sechste nennt sich Landwart, Ranger oder Parkhüter. Er kümmert sich um die Sanierung der Wanderwege, koordiniert die Freiwilligenteams, die wochenweise im Landschaftsschutz helfen, und fährt mit seinem Jeep das Gebiet ab, um zu sehen, dass sich alle an die Regeln des Schutzgebietes halten: u.a. ist das Offroadfahren wie überall verboten, und zelten darf man auch nur auf ausgeschilderten Campingplätzen.
Die anderen fünf Hüttenwarte sind, wie der Name es sagt, nur für die Hütte zuständig: und da gibt es im Sommer mehr als genug Arbeit. Das Gebiet ist touristisch nämlich dermaßen überlaufen, dass auf dem Schotterplatz ringsumher von Juni bis September jede Nacht Dutzende bis mehrere hundert Zelte stehen. Landmannalaugar im Sommer kommt einem Jahrmarkt gleich: Menschen aller Herren Länder campieren auf engstem Raum, täglich karren Dutzende von Bussen Tagestouristen dorthin, welche schnell in die warmen Quellen hüpfen oder mal eben die eineinhalbstündige Wanderung durchs Lavafeld auf ihrer To-do-Liste abhaken.
Landmannalaugar im Sommer ist Stress pur.
Landmannalaugar im Frühwinter, wie das ja nun im Oktober der Fall ist, ist dagegen die reinste Erholung! Kein Wunder, denn es trauen sich nur noch die sogenannten Super-Jeeps hierher. Das Wetter ist unstet, immer kann es schneien und das heftig und viel; jeder Fahrer hat Angst, eingeschneit zu werden. Und wenn es nicht schneit, dann regnet es so sehr, dass die Flüsse unpassierbar sind und die Wege sich in Schlammlöcher verwandeln.
Nun ja, und hier bin ich nun. Zusammen mit Gerður, welche seit einem Monat hier die Stellung hält, wohne ich im frisch errichteten Haus der Hüttenwarte. Im Frühjahr standen hier noch zwei kleine, spärlich eingerichtete Hütten, welche die Unterkunft für Landwart und Hüttenwarte waren, jetzt aber befindet sich hier ein Hotel: ein riesiges, eingeschossiges Holzhaus aus Schweden, so groß, dass es von den meisten Ankömmlingen für eine zweite Berghütte gehalten wird. Das Haus ist wirklich enorm, vor allem, wenn man die Zimmeranzahl erfährt: neben einer Wohnzimmerküche (inklusive Ledersofa und einem Tisch für sechs Personen) gibt es zwei Badezimmer, eine kleine Rumpelkammer und sechs Einzelzimmer, jedes mit einem kleinen Doppelbett und Regal ausgestattet. Ich habe als Hüttenwart noch niemals so luxuriös gelebt, wie hier: der gasbetriebene Kühlschrank hat ein Gefrierfach, wir verfügen über Telefon UND Funkgerät sowie über Strom: zur Hütte gehört ein Dieselgenerator, und wenn der läuft, dann haben wir hier im Haus tatsächlich elektrisches Licht und funktionierende Steckdosen! Ich bin ja beinahe vom Glauben abgefallen, als ich das gesehen habe! Fehlt nur noch die Internetverbindung...
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