Finanzkrise in Island

Island ist mehr als nur ein Reiseland. In diesem Forum werden gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Themen diskutiert. Eben alles, was nicht unbedingt mit Tourismus und Reise zu tun hat.
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HDK
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Beitrag von HDK » Sa 11. Okt 2008, 17:27

Antje hat geschrieben:Ich hab gestern in nem Bericht gehört, dass der isländische "Ottonormalverbraucher" zum Teil Schwwieigkeiten hat, von der Bank Geld abzuheben. Ohne überzogenes Konto! ... Vielleicht können ja mal die "Isländer" im Forum was dazu berichten?
Ein Freund, der in Reykjavik lebt, informiert mich ab und zu wie das Wetter ist usw...

Er hat mir heute (11.10.2008) geschrieben, dass es möglich sei, ISK abzuheben. Es gäbe aber Unterschiede bei den Banken über den jeweiligen Höchstbetrag (pro Tag ???). Die Finanzkontrolle (eine Behörde?) empfiehlt 500.000 ISK.

Beschränkungen soll es bei der Beschaffung ausländischer Devisen geben. Banken soll es erlaubt sein, ihre Kunden z.B. nach dem Flugticket zu fragen. Möglicherweise kommt es zu Beschränkungen für Isländer, im Ausland per Kreditkarte Geld abzuheben (also foreign curreny zu erwerben).

Bei Landsbanki soll es zu 450 Entlassungen kommen.
_______
Ergänzung:
Island und IWF
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Wilfired75
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Beitrag von Wilfired75 » Sa 11. Okt 2008, 20:52

Hier der ultimativ brandheißeste Tipp zum Thema Bankenkrise, soeben von einem Mitglied der Bankenaufsicht, zugleich quasi neuer Vorstand der Kaupthing Bank, per SMS eingetroffen (hatte ihn zwar grad nach vielen Tagen endlich live ans Handy gekriegt, aber nur gedämpfte Stimme "grade im Meeting, seit Tagen und Nächten nur Meetings, bin fix und fertig, kann jetzt hier nicht weiterreden; ruf wann anders nochmal an!"):

(Zitatanfang) "In Bankenaufsicht herrscht totaler Ausnahmezustand. War gestern bis 4 h nachts bei Kaupthing, seit 9 wieder hier. Bin einer der Konkursverwalter, ...(hier ein paar Details, die ich mal ausklammere, weiß net, ob das für die Allgemeinheit gedacht ist; Wilfired75)...
Ankaufkurs ISK nur 128, daher lohnt Pkw-Kauf in IS nicht unbedingt.
>200 ist Verkaufskurs für EUR" (Zitatende)

Gruß

Wilfired75

PS: Wenn auch bei diesem Eintrag noch irgendjemand meinen sollte, das sei Offtopic zum Thema Finanzkrise, dann kann er das direkt an den Urheber dieser Nachricht richten, ein Mitglied der Bankenaufsicht, der zur Zeit Tag und Nacht ums Überleben bzw. Weiterleben der isl. Finanzwelt kämpft (ist ja auch sein Job).
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MartinB
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Beitrag von MartinB » Sa 11. Okt 2008, 22:17

Ich habe den Eindruck, dass es derzeit keinen einheitlichen Wechselkurs für die Isländische Krone gibt. Die Vorgaben der isl. Bankenaufsicht scheinen nur für die isl. Banken zu gelten, sprich, wenn eine isl. Bank ISK in Fremdwährung oder umgekehrt tauscht.

Ich habe am Rande Berichte mitbekommen, dass sich "externe Dienstleister" (wie z.B. Kreditkartenunternehmen) an die ihres Erachtens willkürliche und falsche Festsetzung der Isländer nicht halten (wollen). Ich habe mal gerade nachgeschaut, was die EZB (Europäische Zentralbank, damit immerhin DIE Institution für den Euro) angibt: Dort steht die ISK bei ca. 1:305. Die div. Währungsumrechner im Internet geben aber auch 1:150 oder was dazwischen an ... ich bin mal auf meine Kreditkartenabrechnung gespannt...

Ob wir als Touristen tatsächlich Devisen ins Land bringen (und dadurch tatsächlich die isl. Wirtschaft unterstützen) hängt stark davon ab, WO unsere Euronen gegen ISK getauscht werden.

In dem Artikel, auf den Marled hingewiesen hat, könnte noch erheblich mehr Brisanz enthalten sein. Über die Luxemburger Töchter werden - sofern ich recht informiert bin - von isl. Firmen die Devisengeschäfte abgewickelt. Die "Großen" verkaufen auf dem Weltmarkt nicht immer in Landeswährung, sondern in USD, Euro etc - das ist auch in Island nicht anders. Damit können sie sich begrenzt gegen Wechselkursschwankungen absichern, ohne gleich ins Devisen-Termin-Geschäft einsteigen zu müssen.

Wenn diese Konten aber nun wegen beantragtem Gläubigerschutz auch eingefroren sind, fehlen der isl. Exportwirtschaft die Devisenkonten ...
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Wilfired75
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Beitrag von Wilfired75 » So 12. Okt 2008, 08:50

Wobei die Kursangabe 305 Kr. bei ECB relativ alt ist (9.10.) und sich seit Tagen nicht bewegt. Die haben da extra in Klammern das (alte) Datum angegeben (jedenfalls als ich gestern das letzte Mal geschaut habe), um wohl rauzustellen, dass die Kursangabe wohl net aktuell ist...

Werd mal gleich bei Western Union fragen gehen (muss nur zum Büro raus und n paar Meter rechts oder links), welchen Kurs die so abrechnen würden...
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Wilfired75
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Beitrag von Wilfired75 » So 12. Okt 2008, 11:03

So, wieder zurück vom Western Union Schalter.

So wie es aussieht, liegt erstaunlicherweise gerade die ECB falsch mit ihrem angegebenen Wechselkurs (zumindest der angebene Kurs ist unrealistisch: Wo kriegt man denn diesen tollen Kurs?). Und die von meinem isl.-Bankenaufsicht-Kontakt angegebenen 128 Kr/Euro liegen äußerst richtig.
Fakt ist, dass jeder, der jetzt Euros über Western Union nach Island schicken will (um z. B. was zu kaufen), genau 127 isl.Kr./Euro seinem Partner auf Island beschafft. Nicht mehr und nicht weniger. D. h. von dem hier vielzitierten ethisch-moralischen Aspekt einmal abgesehen: Es ist NICHT MÖGLICH (zumindest nicht per Geldverschickung an eine Kontaktperson in Island), aus der aktuellen isl. Finanzkrise mehr Kronen aus den Euros zu machen! Denn diese 127 isl.Kr/Euro, die kriegte man meines Wissens ja schon seit vielen Monaten.

Soweit die Fakten vom Western Union Geldtransfer.
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Beitrag von WERner » So 12. Okt 2008, 11:41

ich versuch mal die Situation hier im Lande zu beschreiben an Beispielen aus dem Alltag:

es ist "chaotisch - absurd" was hier so alles passiert ist bisher:

Vergangenen Mittwoch wollte ein Pole 200 Eur nach Polen senden bei der Landsbanki, es wurde ihm verweigert mit der reelen Begründung, das von den 200 nur 100 ankommen.
Vergangenen Dienstag wollte eine Brasilianerin 350 Eur nach Portugal senden, auch über die Landsbanki, ging auch nicht, ABER die 350 Eur bar abheben und bei einer anderen Bank, der Sparisjodurinn, wieder einzahlen und per Western Union nach Brasilien senden, von dort ging das Geld dann nach Portugal, das klappte.
Die "neue" Landsbanki zahlt bar nur maximal 350.000 aus, änderte sich aber täglich vor der Neubildung, also die Old-Landsbanki zahlte nur 15.000, dann max. 20.000, nach Gründung der Nýi Landsbanki "normalisierte" sich das wieder. Zahlungen mit Karte, Kredit- und auch Debitkarte sind uneingeschränkt möglich im Rahmen der Bestimmungen.
Am vergangenen Donnerstag bekam ich eine Warensendung aus Deutschland, per Vorkasse bezahlt am 25. September, die Mehrwertsteuer und kleinere Zollgebühren wurden berechnet: 1 Euro = 148 Kr.

Bei "Skinney-Thinganes", der Firma in der ich arbeite, liegen ca. 80% des italienischen Jahresbedarfes an Scampi (Humar) im Tiefkühlhaus und keiner weiss im Moment so richtig, wie die Scampis nach Italien verfrachtet werden sollen, und wie die bezahlt werden sollen, da Island vom internationalen Devisenmarkt und Zahlungen abgeschnitten ist.

Hier kursieren schon Witze: zurück ins Wikingerzeitalter, bewegen nur noch per Pferd und gegessen wird Lammfleisch und gekochter Schellfisch (Ýsa).
Absurd empfinde ich auch, das Benzin billiger wird, weil der Ölpreis in London gefallen ist, WIE wird denn das Benzin bezahlt?? Habe dadrauf keine Antwort...
Am vergangenen Freitag hatten wir in der Firma eine kleine Feier, anlässlich der Preisverleihung "beste Fischverarbeitung Islands 2008", einem internationalem Preis. Der leitende Geschäftsführer hielt eine kleine humorvolle Ansprache und begann mit den Worten: "gestern bekamt ihr alle eure Lohnabrechnungen und heute ist das Geld auch auf eure Konten überwiesen worden---keine Schuldscheine wurden ausgestellt und in Naturalien wird auch nicht ausbezahlt."
Ich hab den Eindruck, das die Isländer das alles mit sehr schwarzem Humor betrachten, und es wird auch immer wieder betont, das sie schon ganz andere Dinge gemeistert haben.
Im Lande selbst, im Alltag ist von der "Krise" nicht allzuviel zu spüren, es kam nur zu kleineren Hamsterkäufen als der Manager von BONUS meinte, es könnte passieren, das demnächst die Regale leer sind. Gehamstert wurden Italienisches Olivenöl und andere ausländische Produkte, an die sich die Isländer gewöhnt hatten (Nachricht aus Frettabladid).
Heftige Preiserhöhungen gabs noch keine, bis heute sinds nur die Preis- Erhöhungen, die wir schon das gesamte Jahr hier haben. Hier sind einige Produkte im Laufe des Jahres eh teurer geworden, teilweise heftig...
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Wilfired75
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Beitrag von Wilfired75 » So 12. Okt 2008, 13:33

Das ist ja echt fies: WERner muss 148 Kr. berappen, um 1 Euro damit aufzuwiegen (siehe vorangegangene Geschichte aus dem wahren Leben), wenn ICH aber per Western Union 1 Euro nach Island schicke, kriegt der Abholer davon nur 127 Kr raus. Ist das noch der ganz normale Ankauf-/Verkauf-Unterschied? Oder wird hier jeder von uns (je nachdem, ob Kr oder Euro seine Heimatwährung sind) nur nach dem jeweils für ihn schlechtesten Kurs abgerechnet?
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Beitrag von WERner » So 12. Okt 2008, 15:28

Die 148 Kr für einen Euro, das war der Zoll-Verrechnungs-Kurs vom vergangenen Mittwoch, der liegt immer etwas über dem Kurs der Zentralbank, wie auch die Wechselkurse der isländischen Banken am Schalter.
Bezahlt hatte ich die Ware am 25. oder 26. September per online-Überweisung, etwas um die +130 Kr für den Euro, und das war ja noch vor dem grossen Crash.
Ich wollte damit nur mal ausdrücken, das der Kurs fürn Euro im Lande selbst WEIT weg ist von diesen 300 und mehr Kronen, die da andere ausländische Bankeninstitute berechnen oder berechnet hatten. Ich weiss auch nicht, wie das zustande kommt. Ich kann mir nur vorstellen, das da immer noch mit der Krone gezockt wird, das da Hedgefonds ihre Finger drinne haben, wissen tu ich es nicht.
spar.is heute Ankauf 123.59, Verkauf 138.67
landsbanki.is Ankauf 127.96 Verkauf 134.52

Vor einigen Tagen, als hier und im Geysir- Forum dieser 300-Kronen-Kurs herumschwirrte, schaute ich auch bei der Landsbanki nach, da warens dann im Ankauf so ca. 107 und im Verkauf 158 Kronen---Kopfkratz---
-Nochmals zu der Brasilianerin, die hat ja die Euro bar eingezahlt, und Western Union sendet das Geld in US-Dollar, sie sollte 20 Minuten warten, da der Kurs ganz plötzlich in die Höhe schnellte und dann wieder abstürzte. Also alles ist irgendwie absurd-chaotisch in Bewegung....Im Laufe der nächsten Woche sollte eigentlich der Geld-Verkehr in und aus Island zur Ruhe kommen und sich beruhigen, es wird zur Zeit nach Regelungen gesucht, verhandelt etc...Die erste Prämisse der isländischen Regierung war, das Geld und die Werte der Bevölkerung zu sichern und die Werte der isländischen Lebens- und Renten-Versicherungen im Ausland.
-Mal ne Bemerkung zum Thema Kursgewinnler: als hier die Krone gegenüber dem US-Dollar sehr stark war, ersteigerte ein Isländer zwei Jeeps bei eBay, importierte beide und verkaufte den einen zum islandüblichen Preis...somit hatte er seinen eigenen Jeep bezahlt... und das stand gross in allen Zeitungen hier und alles freute sich über den cleveren "Isländer", ist anscheinend doch eine Mentalitätsfrage, wie und von welcher Seite man die Dinge betrachtet. Solche "Spielchen" sind nun erstmal vorbei, mal schauen wie lange...
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Beitrag von HDK » So 12. Okt 2008, 16:17

Wilfired75 hat geschrieben:Wobei die Kursangabe 305 Kr. bei ECB relativ alt ist (9.10.) und sich seit Tagen nicht bewegt. Die haben da extra in Klammern das (alte) Datum angegeben (jedenfalls als ich gestern das letzte Mal geschaut habe), um wohl rauzustellen, dass die Kursangabe wohl net aktuell ist...
Die EZB stellt einmal täglich einen Kurs fest:
The reference rates are based on the regular daily concertation procedure between central banks within and outside the European System of Central Banks, which normally takes place at 2.15 p.m. (14:15) ECB time.
Ich versteh das so, dass Zentralbanken innerhalb und außerhalb der EURO-Zone sich auf einen Kurs "einigen". Bis zum nächsten Fixing vergeht ein Werktag (Sa. & So. legt die EZB die Beine hoch). Insofern gibt es keine "relativ alte" Kursangabe der EZB.

Keine Ahnung, wer sich am EZB-Fixing orientiert (Interbankenhandel?).

Schaut man bei x Währungsrechnern im Internet nach, dann erhält man etwa x verschiedene (unverbindliche) Auskünfte, die allerdings alle deutlich unter 200 ISK/1 EUR liegen. Es würde mich interessieren, wie es zu dieser erheblichen Differenz zum EZB-Fixing kommt.
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Beitrag von Wilfired75 » So 12. Okt 2008, 17:35

Äh, kurz zusammengefasst: Genau!

(die ECB/EZB arbeitet am WE nicht, klar, deshalb ändert sich der eingestellte Kurs am WE bei denen auch net; war mir gar net bewusst, weil bei mir gibt es ja keine Samstage/Sonntage, nur Schichttage, und ich hab grad durchgehend Schicht;
2. Punkt: Genau, es würde mich mal interessieren, wieso die Banken einem irgendwas zwischen 120 und 300 Kronen pro Euro erzählen, diese Spanne ist ja riesig! Haben die immer noch net genug von diesem Sch...spekulieren???)
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