Manchmal denke ich, ich bin der Duracell Hase. Manchmal denke ich, alle anderen halten mich für den Duracell Hasen: der läuft und läuft und läuft (wahlweise: trommelt, paddelt, …).
Die Geschichte begann am 9. Mai. Wir hatten gutes Wetter und ich durfte ab 10:30 Uhr frei machen und hatte nichts besseres zu tun, als im Skaftafell Nationalpark den Kristínartindar zu stürmen. Meinen ersten Berg des Jahres. Meinen ersten Berg seit langem. Dass ich wegen des Schnees nur auf einen Vorgipfel kam, erfuhr ich erst später (mit Schildern haben die es da nicht so
), aber das spielt keine Rolle. Als ich nach Geirland zurückkam, waren die Kinder meiner Chefs und deren Freunde schon alle um den Grill versammelt und ich nahm erneut zur Kenntnis, dass Lamm am besten gegrillt schmeckt. Als Íva, die Tochter meiner Chefin, hörte, was ich den Tag so getrieben hatte, fragte sie mich, ob ich nicht auch Lust hätte, mal auf den Hvannadalshnjúkur zu gehen. Ob ich was
Wie bei einem Spielautomaten, an dem jemand den Jackpot ausgelöst hatte, blinkte bei mir alles und es machte
plingplingpling. Na klar!!! Ihr Mann Grétar ist ab und an als Guide auf dem Hvanna unterwegs und so mancher Freund und Familienangehöriger hatte gemeint: Ich will auch mal mit dir da hoch. So enstand die Family&Friends-Tour und ich stand seit dem 9. Mai mit auf der Liste
.
Am 7. Juni erfuhr ich, dass es am darauffolgenden Wochenende losgehen würde. Ob in der Nacht von Freitag auf Samstag oder in der nächsten, würde von der Wettervorhersage abhängen. Wenn man vor Ort wohnt, will man schließlich gescheites Wetter haben 8) .
Am Freitag, den 12. Juni war ich dann total kribbelig. Meine Sachen waren gepackt, ich hatte die Frühschicht. Um 12 Uhr fiel die Entscheidung: Wir starten erst in der nächsten Nacht. Für mich bedeutete das, dass ich nach sieben Stunden Frühschicht auch am Abend UND am nächsten Morgen arbeiten würde (müssen) … schließlich waren wir nicht ausreichend Personal und ich war ja vor Ort. Also hatte ich an diesem Freitag um die 11 Stunden auf der Uhr und arbeitete nach ca. 6 Stunden Schlaf am Samstag auch nochmal von 7 bis 12:30 Uhr. Anschließend kleines Nickerchen, aber eigentlich war ich viel zu aufgeregt. Um 16 Uhr wurde ich von Íva und Grétar abgeholt, wir fuhren nach Skaftafell, wo nach und nach auch alle anderen eintrafen. Tja, das nach und nach, das war so eine Sache. Geplant war, dass wir uns alle abends nochmal hinlegen und eine Runde schlafen. Der Aufstieg sollte um Mitternacht beginnen. Aber bis 20 Uhr reisten immer noch Leute an und grillten und schnatterten und die mitgereisten Kinder hatten so Null Verständnis dafür, dass wir schlafen wollten. Die spielten statt dessen Fußball um mein Zelt
. Konnte ja auch keiner wissen, wie viel ich in den letzten Tagen gearbeitet hatte.
An Schlaf war also nicht zu denken und als wir dann um Mitternacht den Aufstieg begannen, war ich seit 7 Uhr und somit seit 17 Stunden wach. Wir waren insgesamt 28 Mann, 27 Isländer und ich, darunter vier Guides. Wir starteten bei total bewölktem Himmel und angenehmen 10 Grad, aber schon in der zweiten Stunde zog dicker Nebel auf und wir marschierten quasi durchs Nichts, sahen Nichts und wurden leicht nass. Als wir endlich dauerhaft Schnee unter den Füßen hatten, war es bereits 3:30 Uhr morgens ... und ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Circa alle Stunde gab es eine Pause, auch auf der weiteren Strecke. Bei dieser Pause nun hieß es, die Gurte und Seile anzulegen, ab jetzt liefen wir angeseilt in vier Gruppen. Ich war leider in der letzten Gruppe, was dazu führte, dass wir jede Verzögerung und jeden Stopp der vor uns Gehenden mitmachen mussten und gegenüber der ersten Gruppe ziemlich zurückfielen. So angeleint zu laufen, das war etwas völlig Neues für mich. Ich fands toll, auch wenn es teilweise etwas schwierig war - denn man musste stets im gleichen Tempo bleiben, um dem Vordermann nicht aufs Seil zu latschen bzw. vom Hintermann ausgebremst zu werden. Wir haben´s nicht immer geschafft
.
Nach insgesamt vier Stunden (also ab 4 Uhr) war übrigens von Nebel keine Spur mehr, die Sonne kam raus und brannte für die nächsten sieben Stunden vom wolkenfreien Himmel. Um 6:30 Uhr hatten wir das letzte steile Schneefeld hinter uns gelassen und hatten diesen faszinierend Ausblick auf den Gipfel! Wow! Unglaublich! Irre! Ich will da rauf! Aber es dauerte dann noch ein Stück Weg, bis wir uns die Steigeisen unter die Füße schnallten und den Gipfel in Angriff nahmen. Um 9 Uhr stand ich dann oben und war einfach nur glücklich. Leicht k.o. aber glücklich. Der Ausblick war Wahnsinn, ich konnte mich überhaupt nicht davon losreißen und habe mit der Kamera immer wieder die selben Bilder geschossen. Weiß wohin das Auge blickte, Eiseinbrüche (?), Weite, Weiß und dazu dieser blaue Himmel. Es war einfach irre!
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Dank des unglaublichen Wetters hielten wir uns beinahe eine Stunde auf dem Gipfel auf, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Kurz nach 11 Uhr zogen dann wie aus dem Nichts Wolken auf, der Gipfel war plötzlich völlig verhüllt und uns erwartete wenig gutes Wetter. Vermutlich deswegen sind sie alle so gerannt. Ich hatte das Gefühl, wir legen einen Sprint durch den Schnee, der nun wesentlich weicher, nasser war, ein. Zu solchen Spielchen war ich zu der Zeit (nach 28 Stunden ohne Schlaf) einfach zu k.o., aber wenn man in dem Seil hängt, muss man mit. Den Rückweg jedenfalls, der auch mit heftigem Hagelsturm daherkam, fand ich weitaus weniger angenehm
. Als ich nach insgesamt 14,5 Stunden unten war, war ich einfach nur tot und mochte mich kein Stück mehr bewegen. Zwei Stunden später habe ich in Klaustur im Hot Pot gesessen und die Welt Welt sein lassen.
Abgesehen von dem Schneefeldrennen war der Trip hammergeil! Einfach nur hammergeil! Ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein. Klar, die Masse an Leuten fordert ihren Tribut, man braucht wesentlich länger. Aber einem geschenkten Gaul … Die ersten Tage danach dachte ich noch: Ich gehe da nie wieder hoch, weil ich vermutlich nie wieder sooo ein Glück mit dem Wetter haben werde. Aber mit der nächsten Möglichkeit ändert man seine Meinung und ich denke, ich war nicht das letzte Mal dort oben. Für das nächste Mal hoffe ich nur, dass ich die Tour etwas ausgeschlafener antreten kann