Erinnerungen...
Was für eine Idee...
Also geht es weiter...
In Akureyri war ich noch beim « Sjömannadagurinn », der Seemännertag, der sich beim offenem Schwimmbad abspielt : Shifferstechen, angekleidetes Schwimmenturnier, usw (ich hoffe, dass das Wasser erwärmt ist, bei solchem Wetter möchte ich gar nich angekleidet schwimmen...). Isländische Familien schauen an, trägen kleine blau-weiss-rote Kokarden im Knopfloch (in einigen Tagen wird es der 1100. Geburtstag der Isländischen Republik, aber da sollte man in Reykjavik sein, hier in Akureyri passiert weniges), lachen auch herzlich, wenn einer ins Wasser fällt...
Es kann heutzutage lächerlich klingen, aber im Tagebuch habe ich geschrieben : « Zwei schon bekannte Schweizer wieder begegnet : sie wollen die Schweiz anrufen ! », mit Ausrufezeichen ! Das schien mir dann äusserst komisch, nur Schweizer konnten solche eine Idee haben, aus Island nach Europa telefonieren !
Für einige Tage bin ich nach der Myvatngegend gefahren. Ein Isländer nimmt mich mit, er arbeitet in der Kieselgurfabrik, auf den heissen Quellen angelegt. Ich übernachte auf dem « tjaldstædi » (Zeltplatz), da gibt es nur ein Kaltwasserhahn, Toiletten... und sehr weniges flaches Land ! Ich bin da ganz allein, und geniesse den Blick über den See und die kleine Reykjahlidskirche. Ich gehe auch ein wenig, die Fabrik angucken (in Námaskarð) : ein dicker, stinkender Schwefelrauch kommt davon, aber auch ein schrecklicher, ständiger Druckdampfheulen, den man kilometerweit hören kann : und Schafe, arme Tiere, weiden ja ganz nah ! Sie sind wohl schon lange schwerhörig geworden ?
Von den « Myen » (Mücken) bin ich auch halb verrückt geworden, sie kommen in die Augen, ins Haar, in die Ohren, in den Mund, das ist nicht zum Ertragen, ich kannte nur an die Fabel « Le lion et le moucheron » denken (wie recht war La Fontaine !) Zum Glück kam der Wind auf, da wurde ich endlich befreit.
Auch hatte mich mein Fahrer von Storagja erzählt, das ist eine kleine unterirdische Bucht mit warmem Wasser (ca. Körpertemperatur) : im Wasser liege ich lange und friedlich, es ist dunkel, nichts gibt es zu hören ausser, irgendwo, einen Vogelflügelschlag, der möchte trinken, oder vielleicht auch baden... Man fühlt sich ganz ausser der Welt, oder vielleicht wie im Mutterbauch, im Erdebauch...
Die Mücken bewegen mich, weiterzufahren, richtung Dettifoss. Hier ist die Landschaft ganz öde und rauh, manchmal denke ich an Afghanistan, der Wind bläst mir Staub ins Gesicht, weil ich bei der Piste auf einen Wagen warte. Dieses Mal wird es nicht besonders leicht, doch nimmt mir ein VW-Minibus mit schon fünf Leute am Bord : ich habe Schwein, sir wollen genau das gleiche Tour machen, als ich ! Der Fahrer (schon wieder ein Pfarrer...) hat nämlich eine Schwedin geheiratet, hat sie nach seiner Heimat zurückgebracht, und will ihr jetzt berühmte isländische Orte zeigen, das heisst, ihr, aber auch ihrer jünger Schwester, und auch den zwei anderen Leuten : Dettifoss, Ásbyrgi und zurück nach Húsavík. Die junge Schwester sieht mich an und fragt mir mit erschrockenen Augen :
- Was für eine Idee hatten Sie, nach Island zu kommen ?
(tatsächlich eine gute Frage).
Sie schaut die öde, mondaussehende Landschaft an, sieht verblüfft aus, bleibt sprachlos, denkt ganz klar : hier wird aber meine Schwester leben ! Nur der junge isländische Pfarrer fühlt sich ganz wohl am Rad (was die Gattin denkt, werde ich nicht wissen).
Bei Dettifoss und / oder Ásbyrgi hatte ich erst gedacht, zu zelten, aber solche eine Gelegenheit lässt sich nicht ablehnen. In Húsavík trennen wir uns abends, und ganz königlich trete ich ins Húsavík Hotell (1240 Kronen pro Nacht). Weil ich an der Rezeption stehe, guckt eine schöne junge Isländerin die ganze Zeit auf meinen Pass, dann fragt sir mir, auf perfekten französisch, ob ich nicht mit einem anderen Franzosen, auch Philippe genennt, gekreuzt hätte, der wäre also im Moment ein Film um Myvatnvögeln drehend... Dann erinnere ich, dass ich tatsächlich einen Kerl mit Rucksack bei dem Myvatn gesehen habe, hätte gerne mit ihm geredet, aber ich sass im einem Wagen bei dem Fahrer, der wollte mich alles zeigen, was interessantes war, und nur eine Handbewegung konnte ich tun... Das Fraülein hat in Frankreich studiert, und wir schwatzen etwas auf französich (tut ja wohl !), weil die erstaunte Empfangsdame uns anschaut und kein Wort versteht. Leider bin ich doch nicht der richtige Philippe...
Ebenso königlich koche ich abends auf meinem « Camping Gaz », in meinem 1240-Kr. Zimmer.
Aus Húsavík bin ich wieder 2 Tage durch Weide und Moor gegangen, bis Goðafoss (ca 35 Km zu Fuss), dann habe ich wieder die Akureyristrasse getroffen, wurde von einem Rambler mitgenommen und vor dem Akureyri-Zeltplatz wieder ausgebootet, ohne dass ich etwas zu fragen hatte.
Am 17. Juni 1974, 1100. Geburtstag Islands, regnet es (ganz normal), ich rufe die Norðurflug-Gesellschaft an, wird es ein Flugzeug nach Grímsey trotz diesem Wetter doch geben ? Ja, das wird's geben, seien Sie um 14.30 auf dem Flugplatz. Also muss ich etwas eilen, der Flugplatz ist einige Kilometer entfernt, und ich will kein Taxi nehmen. Das heisst also mehr rennen, als gehen. Um 14.33 bin ich dort, schwitzend und ausser Atem.
(Das nächste : Grímsey)
In Akureyri war ich noch beim « Sjömannadagurinn », der Seemännertag, der sich beim offenem Schwimmbad abspielt : Shifferstechen, angekleidetes Schwimmenturnier, usw (ich hoffe, dass das Wasser erwärmt ist, bei solchem Wetter möchte ich gar nich angekleidet schwimmen...). Isländische Familien schauen an, trägen kleine blau-weiss-rote Kokarden im Knopfloch (in einigen Tagen wird es der 1100. Geburtstag der Isländischen Republik, aber da sollte man in Reykjavik sein, hier in Akureyri passiert weniges), lachen auch herzlich, wenn einer ins Wasser fällt...
Es kann heutzutage lächerlich klingen, aber im Tagebuch habe ich geschrieben : « Zwei schon bekannte Schweizer wieder begegnet : sie wollen die Schweiz anrufen ! », mit Ausrufezeichen ! Das schien mir dann äusserst komisch, nur Schweizer konnten solche eine Idee haben, aus Island nach Europa telefonieren !
Für einige Tage bin ich nach der Myvatngegend gefahren. Ein Isländer nimmt mich mit, er arbeitet in der Kieselgurfabrik, auf den heissen Quellen angelegt. Ich übernachte auf dem « tjaldstædi » (Zeltplatz), da gibt es nur ein Kaltwasserhahn, Toiletten... und sehr weniges flaches Land ! Ich bin da ganz allein, und geniesse den Blick über den See und die kleine Reykjahlidskirche. Ich gehe auch ein wenig, die Fabrik angucken (in Námaskarð) : ein dicker, stinkender Schwefelrauch kommt davon, aber auch ein schrecklicher, ständiger Druckdampfheulen, den man kilometerweit hören kann : und Schafe, arme Tiere, weiden ja ganz nah ! Sie sind wohl schon lange schwerhörig geworden ?
Von den « Myen » (Mücken) bin ich auch halb verrückt geworden, sie kommen in die Augen, ins Haar, in die Ohren, in den Mund, das ist nicht zum Ertragen, ich kannte nur an die Fabel « Le lion et le moucheron » denken (wie recht war La Fontaine !) Zum Glück kam der Wind auf, da wurde ich endlich befreit.
Auch hatte mich mein Fahrer von Storagja erzählt, das ist eine kleine unterirdische Bucht mit warmem Wasser (ca. Körpertemperatur) : im Wasser liege ich lange und friedlich, es ist dunkel, nichts gibt es zu hören ausser, irgendwo, einen Vogelflügelschlag, der möchte trinken, oder vielleicht auch baden... Man fühlt sich ganz ausser der Welt, oder vielleicht wie im Mutterbauch, im Erdebauch...
Die Mücken bewegen mich, weiterzufahren, richtung Dettifoss. Hier ist die Landschaft ganz öde und rauh, manchmal denke ich an Afghanistan, der Wind bläst mir Staub ins Gesicht, weil ich bei der Piste auf einen Wagen warte. Dieses Mal wird es nicht besonders leicht, doch nimmt mir ein VW-Minibus mit schon fünf Leute am Bord : ich habe Schwein, sir wollen genau das gleiche Tour machen, als ich ! Der Fahrer (schon wieder ein Pfarrer...) hat nämlich eine Schwedin geheiratet, hat sie nach seiner Heimat zurückgebracht, und will ihr jetzt berühmte isländische Orte zeigen, das heisst, ihr, aber auch ihrer jünger Schwester, und auch den zwei anderen Leuten : Dettifoss, Ásbyrgi und zurück nach Húsavík. Die junge Schwester sieht mich an und fragt mir mit erschrockenen Augen :
- Was für eine Idee hatten Sie, nach Island zu kommen ?
(tatsächlich eine gute Frage).
Sie schaut die öde, mondaussehende Landschaft an, sieht verblüfft aus, bleibt sprachlos, denkt ganz klar : hier wird aber meine Schwester leben ! Nur der junge isländische Pfarrer fühlt sich ganz wohl am Rad (was die Gattin denkt, werde ich nicht wissen).
Bei Dettifoss und / oder Ásbyrgi hatte ich erst gedacht, zu zelten, aber solche eine Gelegenheit lässt sich nicht ablehnen. In Húsavík trennen wir uns abends, und ganz königlich trete ich ins Húsavík Hotell (1240 Kronen pro Nacht). Weil ich an der Rezeption stehe, guckt eine schöne junge Isländerin die ganze Zeit auf meinen Pass, dann fragt sir mir, auf perfekten französisch, ob ich nicht mit einem anderen Franzosen, auch Philippe genennt, gekreuzt hätte, der wäre also im Moment ein Film um Myvatnvögeln drehend... Dann erinnere ich, dass ich tatsächlich einen Kerl mit Rucksack bei dem Myvatn gesehen habe, hätte gerne mit ihm geredet, aber ich sass im einem Wagen bei dem Fahrer, der wollte mich alles zeigen, was interessantes war, und nur eine Handbewegung konnte ich tun... Das Fraülein hat in Frankreich studiert, und wir schwatzen etwas auf französich (tut ja wohl !), weil die erstaunte Empfangsdame uns anschaut und kein Wort versteht. Leider bin ich doch nicht der richtige Philippe...
Ebenso königlich koche ich abends auf meinem « Camping Gaz », in meinem 1240-Kr. Zimmer.
Aus Húsavík bin ich wieder 2 Tage durch Weide und Moor gegangen, bis Goðafoss (ca 35 Km zu Fuss), dann habe ich wieder die Akureyristrasse getroffen, wurde von einem Rambler mitgenommen und vor dem Akureyri-Zeltplatz wieder ausgebootet, ohne dass ich etwas zu fragen hatte.
Am 17. Juni 1974, 1100. Geburtstag Islands, regnet es (ganz normal), ich rufe die Norðurflug-Gesellschaft an, wird es ein Flugzeug nach Grímsey trotz diesem Wetter doch geben ? Ja, das wird's geben, seien Sie um 14.30 auf dem Flugplatz. Also muss ich etwas eilen, der Flugplatz ist einige Kilometer entfernt, und ich will kein Taxi nehmen. Das heisst also mehr rennen, als gehen. Um 14.33 bin ich dort, schwitzend und ausser Atem.
(Das nächste : Grímsey)
Alone between the sky and sea...
« Alone between the sky and sea
An island
Reaching out to me
Neglected
A world apart rejected
Its wild shore
Deserted and unsought for
An island
An island
A vision calling me... »
(von Nana Mouskouri gesungen)
Von den Inseln habe ich mich immer wie angezogen gefühlt. Island ist ja eine Insel, aber Grímsey ist die Insel einer Insel, sie segelt im Nord-Atlantik wie die Schaluppe eines Bootes. Das ist auch der einzige Ort Islands, den der nördliche Polarkreis durchquert. Und das sind jetzt genau die längste Tage des Jahres, von dort wäre es sehr romantisch, die Mitternachtsonne zu betrachten : also wie konnte ich nicht nach Grímsey, wenn ich schon so nah bin ?
Am Kontor des Norðurflugs kaufe ich von dem ganz « coolem » Beamte meine 3 Tage hin- und zurück Flugkarte. Dann nimmt er meinen Rucksack und geht ihn selbst in den Flugzeuggepäckraum einzuladen. Der Flugzeug ist eine altes zerbeultes zwei-Propeller-Ding, das den 2. Weltkrieg ganz sicher gekennt hat. Da stehen einige Grímseyfamilien, die nach Hause kehren und mich neugierig beobachten. Zehn Passagierplätze gibt est, und ich bin der elfte... Das ist aber gar kein Problem, erklärt mir der Beamte, ich werde im Kockpit reisen, auf dem Kopilotsitz. Also warum nicht. Ich frage mich : vielleicht wir der Kerl auch die Maschine fliegen ?
Aber ganz klar ist er auch der Pilot ! Wäre es möglich, das die Norðurflug aus einem einzigen Mann bestehe ? Ich sitze also neben ihm, er fragt mir nur, bitte die (Doppel)steuerung nicht zu berühren, und schon holpern wie auf der Rollbahn, dann ein kurzer Checkupdialog mit dem Turm, und los ! Mühsam erhebt sich die Maschine, Regentropfe rennen wie verrückt auf den Scheiben, und bald liegt der Eyjafjörður unten, Richtung Nord ! Wolken und Nebel, Wind und Regen, wir fliegen nur einige Hunderte Meter hoch, auf dem leicht gefaltenem Fjord kann man ganz kleine Boote erkennen. Dann verbreitet sich der Fjord und wir sind über dem Meer, obwohl wir davon gar nichts mehr sehen.
Das geht aber weniger als eine halbe Stunde, dann gerade vor uns liegt plötzlich die kleine Insel, aus dem Nebel tauchend. Darauf muss man landen ? Gott im Himmel ! Aber wo kann die Bahn sein ? Schon sind wir niedergeflogen, tausende Seevögel zerstreuen sich in alle Richtungen, hier ist die Erdebahn, mit ihr zwei Reihen roten und rosafarbigen Baken, Zaunen gibt es, dass die Schafe nicht herumweiden, und schon rollen wir, hurrah, da steht ein Traktor mit Anhänger, der wird die Leute nach Hause mitnehmen. Wolken rollen hastig im Himmel, von Zeit zu Zeit kann man die blasse runde Scheibe der Sonne erblicken, Hunderte von Seeschwalben fliegen und stürzen über uns. Ich finde meinen Sack wieder, gebe dem Pilot die Hand, und gehe weiter.
Bald werde ich von drei Ausländern empfangen, der erste ist Amerikaner, where are you from ? France ? er deutet auf den zweiten, bärtig, blaue Augen, alte Cordsamtjacke, Wollemütze : Français ? Français ! Er ist aus Cherbourg, und lebt schon 4 Jahre in Island. Der dritte, hoch und mager, ist ein Deutscher, aus Hamburg. Das Vorstellen ist also übergenommen, darf ich hier zelten ? (es gibt schon zwei Zelten in einer Vertiefung), ja klar, wo findet ihr doch Trinkwasser ? wir fragen in einem beistehendem Haus, gut ! ich richte mich ein.
Den Abend verbringen wir zusammen, um einem Holzfeuer, das ich in Island gar nicht erwartete. Tatsächlich gibt es keine Bäume, aber unten am Strand kann man viele schwimmende Holzstücke finden. Mit etwas Kerosin (von dem Amerikanern geschenkt), brennt es schon gut, obwohl nass.
Der Deutscher (habe leider vergessen, seine Vorname zu notieren) hat die gleiche Idee, wie ich, gehabt : um Island trampend zu reisen, doch ist er erst nach Süden und Osten gefahren, und ich nach Westen und Norden, das heisst, das wir zusammen die ganze Rundfahrt gemacht haben, um endlich auf Grímsey zusammenzutreffen ! Robert (der Franzose) und Brian (der Amerikaner) haben eine längere Erfahrung Islands – 4 Jahre für Robert, 1 Jahr für Brian. Sie sprechen beide isländisch, auf verschiedenen Grad, und beide sehen schon Island als ihre neue Heimat. Robert arbeitet in der Konservenfabrik der Insel, und Brian fängt da morgen auch an. Aus irgendeiner Grund hässt er nämlich seine eigene Heimat, und will über sie gar nicht reden.
Robert hat hier ein Zimmer, später lädt er mir ein. Er hat schon auf mehreren Schiffen gearbeitet, zuerst in Frankreich, dann in Island. Er erzählt mir, dass das « Gullfoss », das bis letztem Jahr Leith, in Schottland, und Kopenhagen, mit Reykjavik verbindete, vor kurzem nach... Libanon verkauft wurde. Jetzt möchte er auf seiner Freizeit rumänisch lernen, um ein Buch lesen zu können, das von der Wissenschaft der Chaldäern spricht... Ich erkläre ihm um meinen Kjölurexpeditionplänen, aber er muss gestehen, dass solche Wanderungen nicht für ihn sind. Wie kann er hier allein leben, sogar wenn er isländisch redet ? Er scheint, mehr gehärtet als ich zu sein. « Wenn ich mehr als 2 Monate voraussehe, dann bin ich schon kaputt ». Er interessiert sich sehr an Ornithologie, und leiht mir seines Buch, in dem er mir viele Vögel, die auf der Insel leben, gezeigt hat. Auch seine eigene Vögelfotos zeigt er mir, ich hatte nie gedacht, dass es so viele Entensorten gab ! Sein Fenster schaut auf den kleinen Hafen, was ihm am meisten gefällt. Später zum Zelt zurück.
Am Morgen gehen wir, der Deutscher und ich, durch die Insel spazieren. Er erklärt mir, dass Grímsey etwas wie « die mürrische Insel » bedeutet, und bei solchem Wetter kann man das schon verstehen. Um es kurz zu sagen, ist das also kein tropikalisches Paradies. 40 Km von der nördlichen Küste entfernt, 6 Km lange, 2 Km breit, meistens Schafeweiden und Felsenküste. Am Südwesten liegt der Fischerhafen, wovon die meisten aus den 89 Einwohnern leben : eine Dutzend Boote gibt es, auf jedem arbeiten 2 – 3 Männer. Ein kleines modernes Dorf, mir einer einzigen, nicht alsfaltierten Strasse. Zwei oder drei Traktoren, ein Jeep... und zwei Motorräder. Das ist wieder mal das Ende der Welt. Jede Woche kommt doch normalerweise ein Schiff aus Akureyri, und zweimal in der Woche das Flugzeug.
Im Warenhaus findet man entweder Brot, noch Milch, wahrscheinlich bestellen das die Einwohner aus dem Festland. Der Deutscher benützt statt Brot schwedische Kekse, und statt Milch Himbeerensirup – « Ersatz » ist doch ein deutscher Wort...
Auf dem Nordkapp der Insel gibs es absolutt nichts, nur Felsen und Gras, Möwen und Wellen, Wind und Regen. Sehr weit kann man nicht sehen, der Blick verliert sich bald in Nebel und Wasser. Da steht man mit Kapuze auf dem Kopf, und denkt, weiter gibts nichts mehr, « this is the end, my friend... »
Und doch gibts es noch etwas, aber dorthin kommen wenige an, 60 Km weiter nach Norden steht noch das winzige, unbewohnte Kolbeinsey-Inselchen, das immer mehr vom Meer abgetragen wird und eines Tages ganz verschwinden wird.
An island
Reaching out to me
Neglected
A world apart rejected
Its wild shore
Deserted and unsought for
An island
An island
A vision calling me... »
(von Nana Mouskouri gesungen)
Von den Inseln habe ich mich immer wie angezogen gefühlt. Island ist ja eine Insel, aber Grímsey ist die Insel einer Insel, sie segelt im Nord-Atlantik wie die Schaluppe eines Bootes. Das ist auch der einzige Ort Islands, den der nördliche Polarkreis durchquert. Und das sind jetzt genau die längste Tage des Jahres, von dort wäre es sehr romantisch, die Mitternachtsonne zu betrachten : also wie konnte ich nicht nach Grímsey, wenn ich schon so nah bin ?
Am Kontor des Norðurflugs kaufe ich von dem ganz « coolem » Beamte meine 3 Tage hin- und zurück Flugkarte. Dann nimmt er meinen Rucksack und geht ihn selbst in den Flugzeuggepäckraum einzuladen. Der Flugzeug ist eine altes zerbeultes zwei-Propeller-Ding, das den 2. Weltkrieg ganz sicher gekennt hat. Da stehen einige Grímseyfamilien, die nach Hause kehren und mich neugierig beobachten. Zehn Passagierplätze gibt est, und ich bin der elfte... Das ist aber gar kein Problem, erklärt mir der Beamte, ich werde im Kockpit reisen, auf dem Kopilotsitz. Also warum nicht. Ich frage mich : vielleicht wir der Kerl auch die Maschine fliegen ?
Aber ganz klar ist er auch der Pilot ! Wäre es möglich, das die Norðurflug aus einem einzigen Mann bestehe ? Ich sitze also neben ihm, er fragt mir nur, bitte die (Doppel)steuerung nicht zu berühren, und schon holpern wie auf der Rollbahn, dann ein kurzer Checkupdialog mit dem Turm, und los ! Mühsam erhebt sich die Maschine, Regentropfe rennen wie verrückt auf den Scheiben, und bald liegt der Eyjafjörður unten, Richtung Nord ! Wolken und Nebel, Wind und Regen, wir fliegen nur einige Hunderte Meter hoch, auf dem leicht gefaltenem Fjord kann man ganz kleine Boote erkennen. Dann verbreitet sich der Fjord und wir sind über dem Meer, obwohl wir davon gar nichts mehr sehen.
Das geht aber weniger als eine halbe Stunde, dann gerade vor uns liegt plötzlich die kleine Insel, aus dem Nebel tauchend. Darauf muss man landen ? Gott im Himmel ! Aber wo kann die Bahn sein ? Schon sind wir niedergeflogen, tausende Seevögel zerstreuen sich in alle Richtungen, hier ist die Erdebahn, mit ihr zwei Reihen roten und rosafarbigen Baken, Zaunen gibt es, dass die Schafe nicht herumweiden, und schon rollen wir, hurrah, da steht ein Traktor mit Anhänger, der wird die Leute nach Hause mitnehmen. Wolken rollen hastig im Himmel, von Zeit zu Zeit kann man die blasse runde Scheibe der Sonne erblicken, Hunderte von Seeschwalben fliegen und stürzen über uns. Ich finde meinen Sack wieder, gebe dem Pilot die Hand, und gehe weiter.
Bald werde ich von drei Ausländern empfangen, der erste ist Amerikaner, where are you from ? France ? er deutet auf den zweiten, bärtig, blaue Augen, alte Cordsamtjacke, Wollemütze : Français ? Français ! Er ist aus Cherbourg, und lebt schon 4 Jahre in Island. Der dritte, hoch und mager, ist ein Deutscher, aus Hamburg. Das Vorstellen ist also übergenommen, darf ich hier zelten ? (es gibt schon zwei Zelten in einer Vertiefung), ja klar, wo findet ihr doch Trinkwasser ? wir fragen in einem beistehendem Haus, gut ! ich richte mich ein.
Den Abend verbringen wir zusammen, um einem Holzfeuer, das ich in Island gar nicht erwartete. Tatsächlich gibt es keine Bäume, aber unten am Strand kann man viele schwimmende Holzstücke finden. Mit etwas Kerosin (von dem Amerikanern geschenkt), brennt es schon gut, obwohl nass.
Der Deutscher (habe leider vergessen, seine Vorname zu notieren) hat die gleiche Idee, wie ich, gehabt : um Island trampend zu reisen, doch ist er erst nach Süden und Osten gefahren, und ich nach Westen und Norden, das heisst, das wir zusammen die ganze Rundfahrt gemacht haben, um endlich auf Grímsey zusammenzutreffen ! Robert (der Franzose) und Brian (der Amerikaner) haben eine längere Erfahrung Islands – 4 Jahre für Robert, 1 Jahr für Brian. Sie sprechen beide isländisch, auf verschiedenen Grad, und beide sehen schon Island als ihre neue Heimat. Robert arbeitet in der Konservenfabrik der Insel, und Brian fängt da morgen auch an. Aus irgendeiner Grund hässt er nämlich seine eigene Heimat, und will über sie gar nicht reden.
Robert hat hier ein Zimmer, später lädt er mir ein. Er hat schon auf mehreren Schiffen gearbeitet, zuerst in Frankreich, dann in Island. Er erzählt mir, dass das « Gullfoss », das bis letztem Jahr Leith, in Schottland, und Kopenhagen, mit Reykjavik verbindete, vor kurzem nach... Libanon verkauft wurde. Jetzt möchte er auf seiner Freizeit rumänisch lernen, um ein Buch lesen zu können, das von der Wissenschaft der Chaldäern spricht... Ich erkläre ihm um meinen Kjölurexpeditionplänen, aber er muss gestehen, dass solche Wanderungen nicht für ihn sind. Wie kann er hier allein leben, sogar wenn er isländisch redet ? Er scheint, mehr gehärtet als ich zu sein. « Wenn ich mehr als 2 Monate voraussehe, dann bin ich schon kaputt ». Er interessiert sich sehr an Ornithologie, und leiht mir seines Buch, in dem er mir viele Vögel, die auf der Insel leben, gezeigt hat. Auch seine eigene Vögelfotos zeigt er mir, ich hatte nie gedacht, dass es so viele Entensorten gab ! Sein Fenster schaut auf den kleinen Hafen, was ihm am meisten gefällt. Später zum Zelt zurück.
Am Morgen gehen wir, der Deutscher und ich, durch die Insel spazieren. Er erklärt mir, dass Grímsey etwas wie « die mürrische Insel » bedeutet, und bei solchem Wetter kann man das schon verstehen. Um es kurz zu sagen, ist das also kein tropikalisches Paradies. 40 Km von der nördlichen Küste entfernt, 6 Km lange, 2 Km breit, meistens Schafeweiden und Felsenküste. Am Südwesten liegt der Fischerhafen, wovon die meisten aus den 89 Einwohnern leben : eine Dutzend Boote gibt es, auf jedem arbeiten 2 – 3 Männer. Ein kleines modernes Dorf, mir einer einzigen, nicht alsfaltierten Strasse. Zwei oder drei Traktoren, ein Jeep... und zwei Motorräder. Das ist wieder mal das Ende der Welt. Jede Woche kommt doch normalerweise ein Schiff aus Akureyri, und zweimal in der Woche das Flugzeug.
Im Warenhaus findet man entweder Brot, noch Milch, wahrscheinlich bestellen das die Einwohner aus dem Festland. Der Deutscher benützt statt Brot schwedische Kekse, und statt Milch Himbeerensirup – « Ersatz » ist doch ein deutscher Wort...
Auf dem Nordkapp der Insel gibs es absolutt nichts, nur Felsen und Gras, Möwen und Wellen, Wind und Regen. Sehr weit kann man nicht sehen, der Blick verliert sich bald in Nebel und Wasser. Da steht man mit Kapuze auf dem Kopf, und denkt, weiter gibts nichts mehr, « this is the end, my friend... »
Und doch gibts es noch etwas, aber dorthin kommen wenige an, 60 Km weiter nach Norden steht noch das winzige, unbewohnte Kolbeinsey-Inselchen, das immer mehr vom Meer abgetragen wird und eines Tages ganz verschwinden wird.
Did you see the sun last night ?
Der Deutscher – es ärgert mich, dass ich seine Vorname vergessen habe, also sagen wir, dass er Günther hiess – Günther hat beschlossen, hier auf Grímsey seine Islandreise zu beenden, wie viele Ausländer träumt er von der Mitternachtsonne. Wir befinden uns auf dem idealen Ort, in der idealen Zeit – Sonnenwende wird in drei Tage, nur Sonne gibt es nicht.
Ich gehe, die Papageitaucher zu besuchen, komische Vögel, wenig scheu, noch vor kurzem (und vielleicht nocht heute) fingen sie die Isländer mit einem langen Stielnetz, um sie zu essen, das sollte sogar schmecken (habe nicht probiert). Viele andere Vögel kann ich jetzt, danke dem Buch Roberts, identifizieren. Manchmal tretet man beinahe auf Eiderenten- oder Seeschwalbenneste (die Seeschwalben können agressiv sein, einige haben mir ja mit dem Schnabel auf den Kopf geschlagen).
Wenn es regnet, verbringen wir die Zeit, Günther und ich, in seinem Zelt oder dem Brians, die sind höher als meines. Ich habe sozusagen alles meines isländisches Geld ausgegeben, und hier gibt es natürlich keine Gelegenheit, zu wechseln. Zum Glück habe ich meinen Zurückflugschein. Wir trinken Tee, schwatzen lässig, schauen auf das Wetter, warten. Günther wird auf Grímsey eine ganze Woche bleiben, er ist auch ruhig und gelassen, wenn es Sonne gibt, schon gut, wenn nicht, macht nichts. Die Leute hier sprechen wenig englisch, wenn wir einige treffen, so beschenken wir uns ein Lächeln, eine Handbewegung, ein goðan dag gegenseitig, aber es geht nicht viel weiter. Die haben doch ihre Beschäftigungen, sind nich auf Urlaub.
Günther und ich haben ähnliche Gefühle, wir sind auf der gleichen Wellenlänge. Manchmal fängt einer einen Satz an, und der andere vervollständigt ihn :
- Schon wenn ich meinen Bekannten sagte, dass ich nach Island wollte…
- … dachten sie, das ich leicht spinnte...
- … was würden sie jetzt sagen...
- … wenn sir mich bei diesem Wetter auf Grímsey sehen konnten...
- … Gibt es noch Tee ?
Wenn es eine Aufheiterung kibt, kann man doch gelegentlich die Festlandküste ansehen.
Doch abends finden wir uns einen Zeitvertreib, die Fischerboote sind zurückgekommen, und wir nehmen an dem Kabeljauausladen als Zuschauer Teil. Alle sind beschäftigt, die Seemänner, ihre Frauen und Tochter, die in der Konservenfabrik arbeiten, die Jungen helfen, auszuladen. Wenn ein Fisch ins Wasser fällt, wird er sofort wieder mit einem Haken gefangen, Geld lässt man doch nicht ins Wasser fallen, « fish is money ». Robert und Brian, mit grossen Plastschürzen an, arbeiten und scherzen zusammen. Köpfe werden abgeschnittet, Eingeweide ausgezogen, Fische werden in Salz konserviert. Die abgeschnittete Kabeljauköpfe starren mit ihren kalten runden Augen auf uns.
Am dritten Tag (Mitternachtsonne hat es nicht gegeben) packe ich schnell alles ein, nehme von meinen Kameraden Abschied, und eile zum Flugplatz, das Flugzeug sollte um 10 Uhr ankommen. Etwas Sonne, etwas Regen, aber auch viel Nebel. Ich warte lange. Da kommt ein Traktor, ich rufe dem Fahrer :
- No plane ?
- No, too much fog.
- Tomorrow ?
- Maybe today, if the fog goes away...
So gehe ich resigniert zum Zeltplatz zurück. Ich lasse meine Sachen im Zelt Brians, und gehe etwas spazieren. Heute is doch für die Insel ein ganz besonderer Tag : die älteste Einwohnerin feiert ihre 100 Jahre ! Schon gibts es ein Schiff im Hafen, davon kommt auf Kahnen eine ganze Menge Leute heraus, Unkeln, Vettern, Schwagern usw, einige sind wahrscheinlich von sehr weit gekommen, in wenigen Minuten verdoppelt sich der Bevölkerungzahl. Gut eingepackt, geht auf einem Traktoranhänger ein Flügel, der Pianist hat mit seinem Instrument gereist. Robert hat sich ganz elegant angekleidet und nimmt Fotos. Selbstverständlich arbeitet heute kein Mensch auf der Insel. Dann kommt die Hundertjährige, sir steht nämlich auch auf einem Anhänger, in isländischer Nationaltracht und von zwei Verwandten gestützt. Günther und ich starren diesen seltsamen Anblick an, dann geht alles holpernd vorbei, Traktor, Flügel, Hundertjährige und Verwandtekolonne, in die Richtung der Festhalle.
Um 14 Uhr hat es noch keinen Flugzeug gegeben, wir gehen zum Zelt zurück, um etwas zu essen, aber kaum haben wir ausgepackt, dass der Kerl auf dem Traktor zurück ist : ein Flugzeug nähert sich, er kommt von Húsavík und bringt noch mehr Verwandte und Bekannte zum Geburtstag. Ich raste mit Günther zum Flugplatz zurück.
Nichts. Stille. Nebel. Günther zweifelt.
Nach einer halber Stunde, ist das Flugzeug in Sicht ! Es kreist vier oder fünfmal über uns : zu gefährlich, nichts zu tun, es fliegt zurück ! Mit seinen unglücklichen Passagieren, von denen ich nicht mehr hören werde.
Also wieder mal zurück zum Zelt. Kartoffelpüree und Tee helfen dabei, die Stimmung zu stützen.
Um 7 Uhr abends, ruft irgendjemand « Hallo ! », Günther bringt den Kopf ausser dem Zelt, schon wieder ein Mann auf einem Traktor, der macht grosse Gesten, imitiert mit ausgestreckenen Armen ein Flugzeug, und auch das Lärm des Motors mit der Mund. Ich hatte mich schon vorbereitet, noch eine Nacht auf Grímsey zu verbringen, und im Moment bin ich etwas geärgert. Doch auf dieses Flugzeug habe ich den ganzen Tag gewartet, also mit einem Energieschub stehe ich auf, packe wieder alles ein, nehme zum dritten Mal von Günther Abschied (der lächelt und ist offensichtlich ganz sicher, dass ich in einer Stunde wieder erscheinen werde, müde, nass und unzufrieden). Aber diesmal wird es eines geben ! Hier kommt das Flugzeug ! Kaum is es von den Wolken ausgetaucht, dass es schon über uns ist, rollt auf dem Bahn, ein Piper Aztec is das, mit nur 5 Plätzen drin. Davon taucht eine Art bärtiges Forschungsreisendes heraus, der scheint, von den USA zu kommen um Fotos zu machen.
Ca. 10 Uhr fliegen wir endlich fort, ich sitze bei einer charmanten Frisörin von Akureyri, auch für den Geburtstag angekommen, sie hat sein ganzes Material in die Nase des Pipers hineingesteckt, Trockenhaube einschliesslich, sie ist sehr natürlich und redet gern mit mir auf englisch.
Auf dem Akureyri-Flugplatz nimmt mich ein Kerl in einem Landrover zur Stadt, wahrscheinlich ist er ein Beamte, im jeden Fall ist das schnell und kostenlos, um 11 bin ich bei der Jugendherberge, das Wetter ist hell und ruhig, ich muss am Empfang meine Karte lassen, weil ich gar keines isländisches Geld mehr habe, kaum einige « aurar ».
Am nächsten Tag kann ich wechseln, dann kaufe ich im Supermarket Essen für 10 Tage, das nächste wird doch der Kjölurweg sein. Das alles beläuft sich auf 4.183 Kronen (ca 50 US$, was dann nicht besonders billig war), und das Ticket is 40 Zentimeter lang. Abends bereite ich mir in der Herberge ein letztes antständiges Mahl, mit italiänischem Salat, Walsteak (erstes Mal probiert) mit Bohnen, Bier, frisches Brot, Butter, Käse und Apfelsine, und noch ein Tee dazu.
An der Wand hängt ein Stoss japanischen Münzen mit einem Loch in der Mitte, da steht auf englisch geschrieben : « Take one if you like. It will bring you luck ». Genau Glück brauche ich, also gehorche ich und nehme eine davon. Auf dem Leseraumtisch habe ich auch ein Buch gefangen, das ist « The Dharma Bums » von Jack Kerouac, ich weiss es noch nicht, aber dieses Buch wird für mich eine wirkliche Entdeckung sein. Aus den beiden Talismanen wird wahrscheinlich dieses das wertvollste gewesen sein.
Als ich schon schlafe, weckt mir, 20 Minuten vor zwölf, eine seltsame Fühlung auf. Ich gucke draussen, es gibt Sonne ! Ich ziehe mich an und gehe hinaus. Die Schatten sind überlang, der Himmel ist blau und purpurrot, die Gebirge auf beiden Seiten des Fjords leuchten rosafarbig... Die rote Sonne rollt ganz langsam auf dem Horizont, geht nicht mehr entweder nach unten, noch nach oben, gelegentlich wird sie von einer Wolkenstreife überzogen, dann kommt sie wieder heraus. Es ist Mitternacht. Isländische Pferde schnauben in Weiden herum, ein Goldregenpfeifer meldet beharrlich der Umgebung jede von meiner Bewegungen. Der Strasse entlang, oder auf der Schwelle ihren Häusern, haben die Leute gehaltet, sprechen ruhig miteinander und schauen die Sonne an, die Szene ist etwas überirdisch. Heute war der 21. Juni, der längste Tag des Jahres - obwohl der Tag hier schon einige Wochen dauert.
Ich denke an Robert, Günther und Brian, die von ihrem Grímseybelvedere da oben eine noch ausserordentlichere Aussicht geniessen... Oder vielleicht gibt es Nebel ?
Beim Morgenfrühstück fragt mir eine kleine Amerikanerin :
- Did you see the sun last night ?
Jawohl, die Sonne habe ich letzte Nacht doch gesehen.
Dann gibt es der Bus bis Mælifell, und weiter der Kjölurweg, darüber habe ich schon geschrieben.
Ich gehe, die Papageitaucher zu besuchen, komische Vögel, wenig scheu, noch vor kurzem (und vielleicht nocht heute) fingen sie die Isländer mit einem langen Stielnetz, um sie zu essen, das sollte sogar schmecken (habe nicht probiert). Viele andere Vögel kann ich jetzt, danke dem Buch Roberts, identifizieren. Manchmal tretet man beinahe auf Eiderenten- oder Seeschwalbenneste (die Seeschwalben können agressiv sein, einige haben mir ja mit dem Schnabel auf den Kopf geschlagen).
Wenn es regnet, verbringen wir die Zeit, Günther und ich, in seinem Zelt oder dem Brians, die sind höher als meines. Ich habe sozusagen alles meines isländisches Geld ausgegeben, und hier gibt es natürlich keine Gelegenheit, zu wechseln. Zum Glück habe ich meinen Zurückflugschein. Wir trinken Tee, schwatzen lässig, schauen auf das Wetter, warten. Günther wird auf Grímsey eine ganze Woche bleiben, er ist auch ruhig und gelassen, wenn es Sonne gibt, schon gut, wenn nicht, macht nichts. Die Leute hier sprechen wenig englisch, wenn wir einige treffen, so beschenken wir uns ein Lächeln, eine Handbewegung, ein goðan dag gegenseitig, aber es geht nicht viel weiter. Die haben doch ihre Beschäftigungen, sind nich auf Urlaub.
Günther und ich haben ähnliche Gefühle, wir sind auf der gleichen Wellenlänge. Manchmal fängt einer einen Satz an, und der andere vervollständigt ihn :
- Schon wenn ich meinen Bekannten sagte, dass ich nach Island wollte…
- … dachten sie, das ich leicht spinnte...
- … was würden sie jetzt sagen...
- … wenn sir mich bei diesem Wetter auf Grímsey sehen konnten...
- … Gibt es noch Tee ?
Wenn es eine Aufheiterung kibt, kann man doch gelegentlich die Festlandküste ansehen.
Doch abends finden wir uns einen Zeitvertreib, die Fischerboote sind zurückgekommen, und wir nehmen an dem Kabeljauausladen als Zuschauer Teil. Alle sind beschäftigt, die Seemänner, ihre Frauen und Tochter, die in der Konservenfabrik arbeiten, die Jungen helfen, auszuladen. Wenn ein Fisch ins Wasser fällt, wird er sofort wieder mit einem Haken gefangen, Geld lässt man doch nicht ins Wasser fallen, « fish is money ». Robert und Brian, mit grossen Plastschürzen an, arbeiten und scherzen zusammen. Köpfe werden abgeschnittet, Eingeweide ausgezogen, Fische werden in Salz konserviert. Die abgeschnittete Kabeljauköpfe starren mit ihren kalten runden Augen auf uns.
Am dritten Tag (Mitternachtsonne hat es nicht gegeben) packe ich schnell alles ein, nehme von meinen Kameraden Abschied, und eile zum Flugplatz, das Flugzeug sollte um 10 Uhr ankommen. Etwas Sonne, etwas Regen, aber auch viel Nebel. Ich warte lange. Da kommt ein Traktor, ich rufe dem Fahrer :
- No plane ?
- No, too much fog.
- Tomorrow ?
- Maybe today, if the fog goes away...
So gehe ich resigniert zum Zeltplatz zurück. Ich lasse meine Sachen im Zelt Brians, und gehe etwas spazieren. Heute is doch für die Insel ein ganz besonderer Tag : die älteste Einwohnerin feiert ihre 100 Jahre ! Schon gibts es ein Schiff im Hafen, davon kommt auf Kahnen eine ganze Menge Leute heraus, Unkeln, Vettern, Schwagern usw, einige sind wahrscheinlich von sehr weit gekommen, in wenigen Minuten verdoppelt sich der Bevölkerungzahl. Gut eingepackt, geht auf einem Traktoranhänger ein Flügel, der Pianist hat mit seinem Instrument gereist. Robert hat sich ganz elegant angekleidet und nimmt Fotos. Selbstverständlich arbeitet heute kein Mensch auf der Insel. Dann kommt die Hundertjährige, sir steht nämlich auch auf einem Anhänger, in isländischer Nationaltracht und von zwei Verwandten gestützt. Günther und ich starren diesen seltsamen Anblick an, dann geht alles holpernd vorbei, Traktor, Flügel, Hundertjährige und Verwandtekolonne, in die Richtung der Festhalle.
Um 14 Uhr hat es noch keinen Flugzeug gegeben, wir gehen zum Zelt zurück, um etwas zu essen, aber kaum haben wir ausgepackt, dass der Kerl auf dem Traktor zurück ist : ein Flugzeug nähert sich, er kommt von Húsavík und bringt noch mehr Verwandte und Bekannte zum Geburtstag. Ich raste mit Günther zum Flugplatz zurück.
Nichts. Stille. Nebel. Günther zweifelt.
Nach einer halber Stunde, ist das Flugzeug in Sicht ! Es kreist vier oder fünfmal über uns : zu gefährlich, nichts zu tun, es fliegt zurück ! Mit seinen unglücklichen Passagieren, von denen ich nicht mehr hören werde.
Also wieder mal zurück zum Zelt. Kartoffelpüree und Tee helfen dabei, die Stimmung zu stützen.
Um 7 Uhr abends, ruft irgendjemand « Hallo ! », Günther bringt den Kopf ausser dem Zelt, schon wieder ein Mann auf einem Traktor, der macht grosse Gesten, imitiert mit ausgestreckenen Armen ein Flugzeug, und auch das Lärm des Motors mit der Mund. Ich hatte mich schon vorbereitet, noch eine Nacht auf Grímsey zu verbringen, und im Moment bin ich etwas geärgert. Doch auf dieses Flugzeug habe ich den ganzen Tag gewartet, also mit einem Energieschub stehe ich auf, packe wieder alles ein, nehme zum dritten Mal von Günther Abschied (der lächelt und ist offensichtlich ganz sicher, dass ich in einer Stunde wieder erscheinen werde, müde, nass und unzufrieden). Aber diesmal wird es eines geben ! Hier kommt das Flugzeug ! Kaum is es von den Wolken ausgetaucht, dass es schon über uns ist, rollt auf dem Bahn, ein Piper Aztec is das, mit nur 5 Plätzen drin. Davon taucht eine Art bärtiges Forschungsreisendes heraus, der scheint, von den USA zu kommen um Fotos zu machen.
Ca. 10 Uhr fliegen wir endlich fort, ich sitze bei einer charmanten Frisörin von Akureyri, auch für den Geburtstag angekommen, sie hat sein ganzes Material in die Nase des Pipers hineingesteckt, Trockenhaube einschliesslich, sie ist sehr natürlich und redet gern mit mir auf englisch.
Auf dem Akureyri-Flugplatz nimmt mich ein Kerl in einem Landrover zur Stadt, wahrscheinlich ist er ein Beamte, im jeden Fall ist das schnell und kostenlos, um 11 bin ich bei der Jugendherberge, das Wetter ist hell und ruhig, ich muss am Empfang meine Karte lassen, weil ich gar keines isländisches Geld mehr habe, kaum einige « aurar ».
Am nächsten Tag kann ich wechseln, dann kaufe ich im Supermarket Essen für 10 Tage, das nächste wird doch der Kjölurweg sein. Das alles beläuft sich auf 4.183 Kronen (ca 50 US$, was dann nicht besonders billig war), und das Ticket is 40 Zentimeter lang. Abends bereite ich mir in der Herberge ein letztes antständiges Mahl, mit italiänischem Salat, Walsteak (erstes Mal probiert) mit Bohnen, Bier, frisches Brot, Butter, Käse und Apfelsine, und noch ein Tee dazu.
An der Wand hängt ein Stoss japanischen Münzen mit einem Loch in der Mitte, da steht auf englisch geschrieben : « Take one if you like. It will bring you luck ». Genau Glück brauche ich, also gehorche ich und nehme eine davon. Auf dem Leseraumtisch habe ich auch ein Buch gefangen, das ist « The Dharma Bums » von Jack Kerouac, ich weiss es noch nicht, aber dieses Buch wird für mich eine wirkliche Entdeckung sein. Aus den beiden Talismanen wird wahrscheinlich dieses das wertvollste gewesen sein.
Als ich schon schlafe, weckt mir, 20 Minuten vor zwölf, eine seltsame Fühlung auf. Ich gucke draussen, es gibt Sonne ! Ich ziehe mich an und gehe hinaus. Die Schatten sind überlang, der Himmel ist blau und purpurrot, die Gebirge auf beiden Seiten des Fjords leuchten rosafarbig... Die rote Sonne rollt ganz langsam auf dem Horizont, geht nicht mehr entweder nach unten, noch nach oben, gelegentlich wird sie von einer Wolkenstreife überzogen, dann kommt sie wieder heraus. Es ist Mitternacht. Isländische Pferde schnauben in Weiden herum, ein Goldregenpfeifer meldet beharrlich der Umgebung jede von meiner Bewegungen. Der Strasse entlang, oder auf der Schwelle ihren Häusern, haben die Leute gehaltet, sprechen ruhig miteinander und schauen die Sonne an, die Szene ist etwas überirdisch. Heute war der 21. Juni, der längste Tag des Jahres - obwohl der Tag hier schon einige Wochen dauert.
Ich denke an Robert, Günther und Brian, die von ihrem Grímseybelvedere da oben eine noch ausserordentlichere Aussicht geniessen... Oder vielleicht gibt es Nebel ?
Beim Morgenfrühstück fragt mir eine kleine Amerikanerin :
- Did you see the sun last night ?
Jawohl, die Sonne habe ich letzte Nacht doch gesehen.
Dann gibt es der Bus bis Mælifell, und weiter der Kjölurweg, darüber habe ich schon geschrieben.
Adieu à l'Islande
Von Gullfoss bin ich nach Geysir zu Fuss gegangen, 12 Km zu Fuss, erst durch Moor, Sand und Sumpf, um nicht wieder unwillig von einem Wagen mitgenommen zu werden, doch musste ich bald der Erdestrasse folgen. In meinem Rücken steht der alte Bláfell, der wie ein Wachposten am Eingang der inneren Hochlandswüsten steht. Gerade vorne sprudelt nach jeder einiger Minuten der Strokkur hervor. Da gibt es natürlich viele Touristen, das ist beinahe ein Schokk nach den einsamen Wandertagen auf dem Kjölurweg. In der Nähe gibt es auch Birken, aus fast normalen Höhe, das ist ja ganz angenehm.
Ich will nicht gleich nach Reykjavik zurück, so gehe ich weiter, und durch Zäune komm ich einem Bach näher. Da finde ich einen ganz tollen Ort, um mich niederzulassen : eine flache, sonnige Insel, in der Mitte des Bachs, von Gras bedeckt, aber auch mit einigen Büschen, die einen von der Strasse, 2 oder 300 Hunderte Meter höher, ganz verstecken. Dorthin kommt man durch den 50 Zentimeter tiefen Bach, mit nackten Füssen und Schuhen in der Hand, überall herum sind Blumen, Vögel und Insekten, der Bach ist ganz sauber, klar und kühl, kein Mensch noch Gebäude in Sicht, nur einige Pferde gibt es auf der Weide auf einer Seite. Das wäre also ein Kindertraum. Das Zelt wird aufgeschlagen, dann nenne ich feierlich mein neues Land die Friedliche Insel, davon wird das Zelt die Hauptstadt sein, und auch Friedlichkeit heissen (und davon werde ich natürlich der König sein). Dann erforsche ich die Friedliche Insel, die oval ist, ungefähr 50 Meter lang und 20 Meter breit, dass scheint mir alles perfekt und zufriedenstellend. Ein besseres Ort konnte ich nicht erfinden.
Auf der Friedlichen Insel werde ich die zwei letzte Juninächte verbringen. Dort habe ich geruht, gekocht, geträumt, auf der Flöte gespielt, mein Tagesbuch aktualisiert... und auch die Dharma Bums zu Ende gelesen, und sie mit Bedauern wieder zugeschlagen, die haben mir auf den ganzen Weg von Akureyri bis Geysir begleitet (später habe ich andere Bücher von Kerouac gelesen, aber nie habe ich wieder eine solche Einverständnis mit dem Autor gefühlt). Auch eine kleine Expedition nach den nächsten Bergen gibt es noch, immer denke ich, ich wäre jetzt ganz oben, und immer gibt es ein höherer Gipfel etwas weiter... Doch auf einmal kommt man nicht höher, wenn ich die Karte trauen kann, wäre das der Bjarnarfell (727 m.), und ich kann über die ganze Biskupstungurskette schauen, und noch weiter. Den Bláfell und den Langjökull sieht man gut, ebenso wie der Apavatn (ein See, 20-25 Km weiter). Ich kann auch meinen Bach erkennen, der heisst also der Tungufljot, ganz schön blau (aber mein Zelt kann ich ohne Fernglas nicht sehen), und die Hvítá, die wie ihre Name es andeutet, milchig aussieht. Vom Berg steige ich laufend hinab, wie verrückt, die Dharma Bums haben mich doch gelehrt, dass man nie von einem Berg fällt...
Wenn ich zur Insel zurückkomme, da erwartet mich ganz friedlich mein Zelt, ich bin zu Hause...
Die nächste Nacht bringt mir wiele seltsame Träume, typische Reiseträume... Wieder mit nackten Füssen verlasse ich meine Insel, begebe mich wieder and die Piste, und fange an, nach Reykjavik zu trampen. Nach Selfoss nimmt mich ein Volvo, ich bewundere den Komfort der Aufhängung, dann bemerke ich dass die Strasse wieder asfaltiert ist, was natürlich alles erklärt. Die Zivilisation ernähert sich...
In Reykjavik gibt es aber unheimlich viele Leute, das bringt mir beinahe Stress...
Auf dem Poste Restante finde ich einen Brief von meinen Eltern, in Panik geschrieben, komm gleich mit dem ersten Flug zurück ! Was is los ? Also hatte ich mich vor der Reise an einer Tourismusschule in Strasbourg angemeldet, da sollte ich zwei Jahre studieren, in September sollte ich dabei sein ; die haben aber ohne Warnung beschlossen, umzuziehen, und deswegen muss ich unbedingt am Ende Juni in Strasbourg sein, um die Aufnahmenexamen durchzukommen... Ende Juni ? den 2. Juli haben wir, wenn ich den Brief erhalte. Und anscheinend werde ich nächstes Jahr... zu alt !
Zuerst bin ich wütend und möchte gern einige Bürokraten erwürgen. Also bei diesen Leuten muss man in Stellung stehen, die können irgendwann alles verändern, wie es ihnen gefällt, und man musste nur gehorchen ? Aber dann kommt mir eine unermessliche, unglaubliche Freiheitsfühlung entgegen : jetzt bin ich frei ! Die Tourismusschule kann wohl zum Teufel, mein Leben gehört mir !
Was werde ich tun ? Schon denke ich wieder an Robert und Brian, in ihren Konservenfabrik auf Grímsey : warum konnte ich nicht dasselbe tun ? « Wenn ich mehr als zwei Monate voraussehe, dann bin ich kaputt ! » hatte doch Robert gesagt. Sowieso erwarten mich jetzt Leute in Nordnorwegen (auf den Vesterålen), ich soll da sechs Wochen auf einem Bauernhof arbeiten. Was später kommt, daran habe ich noch Zeit, zu denken. Das Ärger ist schon weg, ich bin einfach froh – froh und frei.
So hat sich meine Karriere in Island abgebogen... Was weiter gab's, das kommt ausser dem Rahmen dieses Forums, hat nicht mehr, mit Island zu tun.
Nach Þingvellir bin ich noch gefahren, da habe ich mit vier jungen Isländerinnen auf einer sehr « isländischen » Wochenende Bekannschaft gemacht, auch noch ein wenig in der Umgebung gewandert... und im Hafen ein französisches Kriegschiff besichtigt, das französische Fischerboote in die norwegische Hoheitsgewässer, fast bis Murmansk, begleitet hatte.
Die letzte Nacht verbringe ich in der Reykjaviks Jugendherberge. Ich möchte gern etwas schlafen, aber wie konnte man schlafen, mit dieser deutschen Gruppe, die auf dem nächstem Stock die ganze Zeit in Chor singt ? Mit diesen Amerikanern, die über Arbeit in Norwegen reden ? Mit diesem Kerl aus den Fär Öern, der mit seiner Frisur wie Jeanne d'Arc aussieht ? mit diesem Ägyptern, der gleich aus Frankreich angeflogen ist, da fragt ihm ein Amerikaner, woraus er in Ägypten stammt, « Cairo » kommt die Antwort, « I've been there » bemerkt der Amerikaner ruhig... Ich höre zu, weil Ortnahmen und Reiseträume sich kreuzen, New York, Kopenhagen, Griechenland... Um 1 Uhr schlafe ich doch ein, um 5 muss ich auf.
Zum Frühstück bleibt mir ein « budingur » und eine Dose « sild » (Herring), das geht scheusslich zusammen, hoffentlich werde ich im Flugzeug nicht erbrechen... Meine letzte Kronen ausgebe ich im Flughafen, kaufe noch einen Kartenspiel mit der Silhouette Leifur Eiríkssons darauf, später werde ich bemerken, dass es echtes « made in Spain » ist. Ich habe mich verspätet und laufe bis am Flugzeug, anscheinlich bin ich der letzte, die Stewardess guckt mir erstaunt an und denkt, also noch einen gibt es ? - in der Gesellschaft von einem Schweden werde ich im 727 nach Oslo fliegen.
Tür zu, Gurt an, Zigarette aus... Rollbahn, Abheben... Wolken.
(Ich bitte nochmal um Entschuldigung, für die Fehler, und danke dieses Forum, dass ich diese "spezielle" Periode meines Lebens wieder erleben konnte - danke auch für die Fotos und Videos).
Ich will nicht gleich nach Reykjavik zurück, so gehe ich weiter, und durch Zäune komm ich einem Bach näher. Da finde ich einen ganz tollen Ort, um mich niederzulassen : eine flache, sonnige Insel, in der Mitte des Bachs, von Gras bedeckt, aber auch mit einigen Büschen, die einen von der Strasse, 2 oder 300 Hunderte Meter höher, ganz verstecken. Dorthin kommt man durch den 50 Zentimeter tiefen Bach, mit nackten Füssen und Schuhen in der Hand, überall herum sind Blumen, Vögel und Insekten, der Bach ist ganz sauber, klar und kühl, kein Mensch noch Gebäude in Sicht, nur einige Pferde gibt es auf der Weide auf einer Seite. Das wäre also ein Kindertraum. Das Zelt wird aufgeschlagen, dann nenne ich feierlich mein neues Land die Friedliche Insel, davon wird das Zelt die Hauptstadt sein, und auch Friedlichkeit heissen (und davon werde ich natürlich der König sein). Dann erforsche ich die Friedliche Insel, die oval ist, ungefähr 50 Meter lang und 20 Meter breit, dass scheint mir alles perfekt und zufriedenstellend. Ein besseres Ort konnte ich nicht erfinden.
Auf der Friedlichen Insel werde ich die zwei letzte Juninächte verbringen. Dort habe ich geruht, gekocht, geträumt, auf der Flöte gespielt, mein Tagesbuch aktualisiert... und auch die Dharma Bums zu Ende gelesen, und sie mit Bedauern wieder zugeschlagen, die haben mir auf den ganzen Weg von Akureyri bis Geysir begleitet (später habe ich andere Bücher von Kerouac gelesen, aber nie habe ich wieder eine solche Einverständnis mit dem Autor gefühlt). Auch eine kleine Expedition nach den nächsten Bergen gibt es noch, immer denke ich, ich wäre jetzt ganz oben, und immer gibt es ein höherer Gipfel etwas weiter... Doch auf einmal kommt man nicht höher, wenn ich die Karte trauen kann, wäre das der Bjarnarfell (727 m.), und ich kann über die ganze Biskupstungurskette schauen, und noch weiter. Den Bláfell und den Langjökull sieht man gut, ebenso wie der Apavatn (ein See, 20-25 Km weiter). Ich kann auch meinen Bach erkennen, der heisst also der Tungufljot, ganz schön blau (aber mein Zelt kann ich ohne Fernglas nicht sehen), und die Hvítá, die wie ihre Name es andeutet, milchig aussieht. Vom Berg steige ich laufend hinab, wie verrückt, die Dharma Bums haben mich doch gelehrt, dass man nie von einem Berg fällt...
Wenn ich zur Insel zurückkomme, da erwartet mich ganz friedlich mein Zelt, ich bin zu Hause...
Die nächste Nacht bringt mir wiele seltsame Träume, typische Reiseträume... Wieder mit nackten Füssen verlasse ich meine Insel, begebe mich wieder and die Piste, und fange an, nach Reykjavik zu trampen. Nach Selfoss nimmt mich ein Volvo, ich bewundere den Komfort der Aufhängung, dann bemerke ich dass die Strasse wieder asfaltiert ist, was natürlich alles erklärt. Die Zivilisation ernähert sich...
In Reykjavik gibt es aber unheimlich viele Leute, das bringt mir beinahe Stress...
Auf dem Poste Restante finde ich einen Brief von meinen Eltern, in Panik geschrieben, komm gleich mit dem ersten Flug zurück ! Was is los ? Also hatte ich mich vor der Reise an einer Tourismusschule in Strasbourg angemeldet, da sollte ich zwei Jahre studieren, in September sollte ich dabei sein ; die haben aber ohne Warnung beschlossen, umzuziehen, und deswegen muss ich unbedingt am Ende Juni in Strasbourg sein, um die Aufnahmenexamen durchzukommen... Ende Juni ? den 2. Juli haben wir, wenn ich den Brief erhalte. Und anscheinend werde ich nächstes Jahr... zu alt !
Zuerst bin ich wütend und möchte gern einige Bürokraten erwürgen. Also bei diesen Leuten muss man in Stellung stehen, die können irgendwann alles verändern, wie es ihnen gefällt, und man musste nur gehorchen ? Aber dann kommt mir eine unermessliche, unglaubliche Freiheitsfühlung entgegen : jetzt bin ich frei ! Die Tourismusschule kann wohl zum Teufel, mein Leben gehört mir !
Was werde ich tun ? Schon denke ich wieder an Robert und Brian, in ihren Konservenfabrik auf Grímsey : warum konnte ich nicht dasselbe tun ? « Wenn ich mehr als zwei Monate voraussehe, dann bin ich kaputt ! » hatte doch Robert gesagt. Sowieso erwarten mich jetzt Leute in Nordnorwegen (auf den Vesterålen), ich soll da sechs Wochen auf einem Bauernhof arbeiten. Was später kommt, daran habe ich noch Zeit, zu denken. Das Ärger ist schon weg, ich bin einfach froh – froh und frei.
So hat sich meine Karriere in Island abgebogen... Was weiter gab's, das kommt ausser dem Rahmen dieses Forums, hat nicht mehr, mit Island zu tun.
Nach Þingvellir bin ich noch gefahren, da habe ich mit vier jungen Isländerinnen auf einer sehr « isländischen » Wochenende Bekannschaft gemacht, auch noch ein wenig in der Umgebung gewandert... und im Hafen ein französisches Kriegschiff besichtigt, das französische Fischerboote in die norwegische Hoheitsgewässer, fast bis Murmansk, begleitet hatte.
Die letzte Nacht verbringe ich in der Reykjaviks Jugendherberge. Ich möchte gern etwas schlafen, aber wie konnte man schlafen, mit dieser deutschen Gruppe, die auf dem nächstem Stock die ganze Zeit in Chor singt ? Mit diesen Amerikanern, die über Arbeit in Norwegen reden ? Mit diesem Kerl aus den Fär Öern, der mit seiner Frisur wie Jeanne d'Arc aussieht ? mit diesem Ägyptern, der gleich aus Frankreich angeflogen ist, da fragt ihm ein Amerikaner, woraus er in Ägypten stammt, « Cairo » kommt die Antwort, « I've been there » bemerkt der Amerikaner ruhig... Ich höre zu, weil Ortnahmen und Reiseträume sich kreuzen, New York, Kopenhagen, Griechenland... Um 1 Uhr schlafe ich doch ein, um 5 muss ich auf.
Zum Frühstück bleibt mir ein « budingur » und eine Dose « sild » (Herring), das geht scheusslich zusammen, hoffentlich werde ich im Flugzeug nicht erbrechen... Meine letzte Kronen ausgebe ich im Flughafen, kaufe noch einen Kartenspiel mit der Silhouette Leifur Eiríkssons darauf, später werde ich bemerken, dass es echtes « made in Spain » ist. Ich habe mich verspätet und laufe bis am Flugzeug, anscheinlich bin ich der letzte, die Stewardess guckt mir erstaunt an und denkt, also noch einen gibt es ? - in der Gesellschaft von einem Schweden werde ich im 727 nach Oslo fliegen.
Tür zu, Gurt an, Zigarette aus... Rollbahn, Abheben... Wolken.
(Ich bitte nochmal um Entschuldigung, für die Fehler, und danke dieses Forum, dass ich diese "spezielle" Periode meines Lebens wieder erleben konnte - danke auch für die Fotos und Videos).
Re: Erinnerungen...
Philippe,
herzlichen Dank dass Du Deine Erinnerungen mit uns geteilt hast.
Es war wirklich eine Freude mitzulesen!
Grüße, Jutta
herzlichen Dank dass Du Deine Erinnerungen mit uns geteilt hast.
Es war wirklich eine Freude mitzulesen!
Grüße, Jutta
-
- Prophet des Dettifoss
- Beiträge: 328
- Registriert: Fr 4. Feb 2011, 18:23
Re: Erinnerungen...
Cher Philippe,
auch ich möchte Dir sehr herzlich für die Preisgabe Deiner Erinnerungen danken. Ich habe sie mit großem Interesse gelesen und Deine persönlichen Eindrücke und Gefühle haben mich sehr angerührt. Auch wenn Du Dich mehrfach für Deine Deutschkenntnisse entschuldigt hast, bin ich der Meinung, daß Du die Sprache gut beherrschst und man konnte alles gut verstehen. Auch hier gebührt Dir Dank für Deine Mühe.
Peturvilhjalmur
auch ich möchte Dir sehr herzlich für die Preisgabe Deiner Erinnerungen danken. Ich habe sie mit großem Interesse gelesen und Deine persönlichen Eindrücke und Gefühle haben mich sehr angerührt. Auch wenn Du Dich mehrfach für Deine Deutschkenntnisse entschuldigt hast, bin ich der Meinung, daß Du die Sprache gut beherrschst und man konnte alles gut verstehen. Auch hier gebührt Dir Dank für Deine Mühe.
Peturvilhjalmur
Re: Erinnerungen...
Lieber Philippe,
gerade dein entzückendes französisches Deutsch macht den besonderen Reiz des Berichtes aus.
Ich habe vor, ebenfalls 2014 nach Island zu fahren. Diesmal mit der Fähre von Dänemark. Das hattes du, glaube ich,
noch nicht in deinem Programm.
Gruß
Ute
gerade dein entzückendes französisches Deutsch macht den besonderen Reiz des Berichtes aus.
Ich habe vor, ebenfalls 2014 nach Island zu fahren. Diesmal mit der Fähre von Dänemark. Das hattes du, glaube ich,
noch nicht in deinem Programm.
Gruß
Ute
Re: Erinnerungen...
Hallo zu allen !
Ich möchte nur mitteilen, dass ich endlich doch wieder nach Island geflogen bin. Das war von 12. bis 19. Mai 2012, also vor einem Monat. Leider war das keine Expedition, nur eine kleine Ferienwoche mit meiner Frau aud der südlichen Küste, von Reykjavik bis Höfn und auf dem Reykjanes. Ganz zicher war dieses Forum etwas dafür verantwortlich ! Ich habe es sehr genossen (eben berührend war es...), 38 Jahre später wieder mal dort zu reisen, und meine Frau hat es auch toll gefunden, obwohl die Temperatur nicht höher als etwa 8° C war. Jetzt denken wir schon, warum nicht noch einmal ? Wenn es einem oder anderem interessiert, hier sind einige Fotos online :
https://picasaweb.google.com/1102197624 ... directlink
(Legenden gibt's nicht, aber ihr werdet wohl die Orte erkennen...)
Auf jedem Fall alles gut, und noch schöne Reisen in Island. Tschuss !
Ich möchte nur mitteilen, dass ich endlich doch wieder nach Island geflogen bin. Das war von 12. bis 19. Mai 2012, also vor einem Monat. Leider war das keine Expedition, nur eine kleine Ferienwoche mit meiner Frau aud der südlichen Küste, von Reykjavik bis Höfn und auf dem Reykjanes. Ganz zicher war dieses Forum etwas dafür verantwortlich ! Ich habe es sehr genossen (eben berührend war es...), 38 Jahre später wieder mal dort zu reisen, und meine Frau hat es auch toll gefunden, obwohl die Temperatur nicht höher als etwa 8° C war. Jetzt denken wir schon, warum nicht noch einmal ? Wenn es einem oder anderem interessiert, hier sind einige Fotos online :
https://picasaweb.google.com/1102197624 ... directlink
(Legenden gibt's nicht, aber ihr werdet wohl die Orte erkennen...)
Auf jedem Fall alles gut, und noch schöne Reisen in Island. Tschuss !
Re: Erinnerungen...
merci beaucoup Philippe. Schön, dass Du wieder nach Island gereist bist und auch Deine Frau dabei war. Ich hoffe für Dich, dass es nicht das letzte Mal war
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