
Am 10. Jan durfte ich während meiner Rückreise aus dem Norden (bzw. nach einer Zwischenübernachtung im Osten), ca. 100 km vorm Ziel unfreiwilliger Weise Bekanntschaft mit meinem Airbag machen und erfahren, wie sicher die Fahrgastzelle meines Autos auch bei zweimaligem Überschlag einen Abhang runter ist. Fast neun Jahre hatte es mich sicher von A nach B und weiter nach C gebracht, war zuletzt glamourös mit den niedrigen Temperaturen am Mývatn klarkommen. Und nun ist es tot. Töter als tot. Da geht gar nichts mehr. Immerhin trat es seine letzte Reise sauber an, hatte ich doch kurz zuvor in Höfn die Plusgrade genutzt, um es nach mehr als 4 Monaten mal wieder einer Wäsche zu unterziehen. Und natürlich war es voll getankt – wie sich das zum Abschied gehört

Die wichtigste Nachricht vorweg: Ich bin wie durch ein Wunder absolut unverletzt ausgestiegen.
Was lernt man nach einigen Monaten Island? Hilf dir selbst! Und so war es keine Frage, dass ich erst mal meine Chefin anrief, ihr kurz die Sachlage schilderte und sie bat, den und den anzurufen, damit mich jemand abholt. Kurz darauf hielt ich an der Straße ein Fahrzeug an – Sigga, meinen zweiten Schutzengel des Tages – und bekam den Tipp, doch mal die Polizei anzurufen. Ach ja, Polizei, keine schlechte Idee. Bin schließlich mit nem ausländischen Nummernschild unterwegs, da kommt man ohne Polizei eventuell nicht weit.
Nachdem wir festgestellt hatten, dass Benzin auslief und auch weil es rauchte, dampfte und stank, blieb ich eine Weile auf Abstand (keine Ahnung, wie das tatsächlich mit den explodierenden Autos ist), aber dann rettete ich doch ein paar Sachen aus dem Auto. Sigga hatte inzwischen alle Telefonate für mich erledigt und hielt den Kontakt zur Polizei und zu Erla. Und nahm mich mit nach Hause. Sie hatte der Polizei das angeboten und ich sagte noch: Nee, ich warte hier. Aber da hatte die Deutsche in mir einfach mal die isländischen Tatsachen verdrängt. Sigga nahm mich also mehr unter Zwang mit nach Hause, nachdem die Polizei mir dazu riet, weil es kalt werden könnte. Ah so. Als die beiden Beamten dann erst 2 Stunden nach dem Notruf eintrafen, wusste ich warum und war wieder in Island

Die beiden Polizisten waren nett, wir machten Scherze, die Protokollaufnahme war kurz und schmerzlos und anschließend fuhren sie noch zum Unfallort, um ein paar Fotos zu machen. Ich wartete derweil auf meine Abholung, die sich weitere 3 ½ Stunden verzögerte und war dankbar über die Gastfreundschaft, die ich bei Sigga erfahren durfte. Das war für mich wie aus einer anderen Welt – zumindest nichts, was ich in Deutschland erwarten würde. Ich bin ihr soo dankbar!
Wir hatten geklärt, dass das Auto nach Klaustur transportiert wird – da sind sie ja sehr flexibel – und zwar irgendwann am nächsten Tag. Als ich am nächsten Tag bei Gunnar in der Werkstatt war (Erla hatte ihm kurz berichtet), nahm der mich erst mal in die Arme und nachdem ich ihm die Fotos gezeigt hatte, gleich noch mal. Auch andere Menschen, mit denen ich teilweise noch nie gesprochen hatte, kamen in den folgenden Tagen auf mich zu und sagten Dinge wie: „Ich bin froh, dich lebend zu sehen, ich habe dein Auto gesehen.“ Das fand ich unglaublich toll und rührend. Klar, jetzt bin ich hier Dorfgespräch, aber das bin ich schon ein paar Tage länger, nachdem sie nämlich meine Kreditkartendaten im Internet abgefangen und mein Konto geräubert hatten – so etwas schien hier noch nicht vorgekommen zu sein und war flugs in alle Winde verbreitet

Das Auto selber wurde erst noch einen Tag später abgeschleppt, weil mein Unfall am nächsten Tag Nachahmer fand und es dann günstiger war, beide Autos zusammen zu holen. Die Nummernschilder waren noch dran, auch der Rest meines Gepäcks war vor Ort – wir sind ja nicht in Deutschland.
Während ich den ADAC über die Verhältnisse in Island aufklärte, mit Versicherung und Co in Deutschland Kontakt hielt und auf Antworten wartete, schritt man in Island wie gewohnt zur Tat: Wir klären das auf dem kurzen Dienstweg. Gunnar von der Werkstatt sprach mit Polizist Guðni, denn der weiß fast alles und Guðni klärte. Als ich am 14. Jan zum Käffchen bei Guðni war, war schon alles geklärt und vorbereitet. Ich brauchte meinen Antrag an den Zoll, das Auto in Island verschrotten zu dürfen, nur noch zu unterschreiben. Die Antwort ist Formsache. Mein „Vorteil“ diesbezüglich: Mein Auto ist alt (fast 14 Jahre) und nach dem Unfall zu überhaupt nichts mehr zu gebrauchen. Selbst die Firma in Reykjavík, die normalerweise die alten Autos für 15.000 kr aufkauft, nahm von diesem Auto Abstand.
Für mich stand eben die Frage im Raum, ob ich das Auto verzollen muss, da es das Land ja nun nicht innerhalb von 12 Monaten wieder verlässt und ob ich es hier verschrotten darf. Auch der ADAC hatte derweil dazu geantwortet und schrieb: Gem. einer Anfrage von 2003 fällt in Fällen einer erforderlichen Verschrottung für ausländische Fahrzeuge kein Zoll mehr an – die Verschrottung muss dem Zoll jedoch gemeldet werden. In der Regel füllt man dazu Vollmachten aus. Aber, und das fand ich irgendwie witzig: „Außerhalb der Großstädte erledigt und handelt der örtl. Polizeichef die Organisation und gibt o.k. für die Verschrottung.“ Da Polizeichef Gunni auf den Buschfunk reagiert hatte, war ich alle Sorgen los. Da ich aber auch von jemandem gehört hatte, dass manchen schrottreifen, ausländischen Fahrzeugen, die sich diesen Zustand im Hochland eingehandelt haben, die Verschrottung in Island verweigert wird, sprach ich Gunni einfach mal darauf an: Jaja, das kann durchaus vorkommen. Aha. Ich bin echt froh, dass ich bei Gunnar einen Stein im Brett habe und damit auch bei Gunni. Mein Auto darf hier beerdigt werden. Überhaupt fand ich es absolut Klasse, wie hier damit umgegangen wurde und in welchem Rahmen wir das alles abgewickelt haben. So entspannt hatte ich mir einen Unfall und seine Folgen nie vorgestellt. In Island ticken die Uhren halt anders.
Was in diesem Fall für ein paar Irritationen sorgte, war meine ADAC-Mitgliedschaft. Bevor ich im letzten Jahr herkam, hatte ich mit dem ADAC noch über den Sinn der Plus-Mitgliedschaft in Island diskutiert. Ich war der Meinung, sie sei sinnlos, da ich die zusätzlichen Leistungen (Bahnfahrt, Hotelunterkunft etc.) hier eh nicht nutzen könnte, der ADAC meinte, das läuft in Island genauso wie in Deutschland, ich müsste nur meine isländische Adresse bei denen angeben. Da eine Kündigung der Plus-Mitgliedschaft zeitlich nicht mehr in Frage kam, nahm ich den Hinweis an und meldete dem ADAC nach meiner Ankunft meine isländische Adresse – schließlich bin ich hier registriert. Die E-Mails dazu hatte ich blöderweise nicht gespeichert und nach 6 Monaten verschwanden sie aus meinem Postfach. Tja und nun war ich für den ADAC plötzlich wohnhaft in Island. Damit war eine Heim-/Rückreise nach D nicht erforderlich, denn ich bin ja aus deren Sicht in meinem „Heimatland“. Nun stand ich also da – mit ganz viel Gepäck und ohne Auto. Ohne auf Details einzugehen: Der ADAC hat eine äußerst kulante Regelung gefunden, über die ich sehr froh bin. Da bleibt mir nur zu sagen: Danke!
Zum Arzt war ich natürlich auch und alle waren froh, dass ich unmittelbar nach dem Unfall keine Beschwerden hatte, denn an einem Sonntag noch Ärzte aufzutreiben wäre möglicherweise ein weiteres schwierigeres Unterfangen gewesen. Es war schon so komisch genug, am nächsten Tag 75 km nach Vík fahren zu müssen, da wir in Klaustur keinen Arzt mehr haben, und als Unfallopfer auf einen Termin am späteren Nachmittag verwiesen zu werden

Den Unfall nehme ich zum Anlass, etwas früher als geplant aus Island abzureisen. Es ist noch einiges zu organisieren und irgendwie fehlt mir die Muße, jetzt hierzubleiben. Außerdem hatte ich angesichts der Arbeitszeit- und Freiregelung im Oktober bis Dezember eh ernsthaft überlegt, ob ich das weiter akzeptieren möchte und zu guter Letzt lassen jetzt auch die Buchungen nach, so dass auch eine Ebbe im Portemonnaie folgen würde, weil nun (endlich) nicht mehr so viel Arbeit ansteht. Das fügte sich also irgendwie alles und im Grunde geht es ja auch nur um 4-5 Wochen, die ich früher abreise. Die Pläne für die Rückkehr nach Island im Sommer (wenn auch nicht ins Hotel) stehen unverändert.
Auch um das Auto ist es nicht ganz soo schade. Es hatte schon einige Macken, quietschte an allen Ecken, hatte sich in Island den Getriebeschaden eingefangen, ganz abgesehen von unzähligen Lackschäden durch Islands zauberhafte Straßen. Ich hätte in Deutschland eine Menge Geld reinstecken müssen, bei dem sich eh die Frage stellte, ob es das noch Wert ist. Meine Kameraausrüstung und mein Laptop im Auto waren vermutlich zusammen mehr Wert als das Auto. Okay, die Reifen waren erst zwei Monate alt … aber ohne die wäre ich gar nicht erst so weit gekommen.
Nun ist es vorbei. Am 25. Jan fliege ich wieder nach Deutschland und meinem Auto habe ich ganz ohne Tränen Lebewohl gesagt

Danke an alle Freunde hier aus dem Forum, die mich in den letzten Tagen persönlich, telefonisch, per E-Mail oder SMS unterstützt haben!!!