Kárahnjúkar <--> Finanzkrise ?

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Sigrid
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Kárahnjúkar <--> Finanzkrise ?

Beitrag von Sigrid » Di 2. Dez 2008, 23:22

Guten abend, liebe Gemeinde,

dieses Thema brennt mir schon seit längerem auf den Nägeln...

2006 meinte eine Isländerin: unser Staat hat sich für den Bau sehr hoch verschuldet, das wird sich noch rächen.

Nun... ich lese die Beiträge und Nachrichten zu der Finanzkrise in und um Island herum nur quer, d.h. ich schaue was mich interessiert und was ich auch verstehe. Wobei der Schwerpunkt auf verstehen liegt.

Bisher habe ich auf die Staudämme keinen Hinweis gefunden.

Heute habe ich allerdings von jemanden eine Mail erhalten, der auf dem Islandtreffen vor 5 Jahren über das Projekt berichtete, und in der Mail schrieb er u.a., dass ihm auch schon öfters der Gedanke kam, dass der Bau einen Teil zur jetztigen Situation beigetragen haben könnte.

Was meint ihr?

Grüße
Sigrid
MartinB
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Beitrag von MartinB » Mi 3. Dez 2008, 09:58

Das schöne an Meinungen ist, dass man(n) ja nicht recht haben muss :) Ich persönliche meine, dass die isländische Ausprägung der globalen Finanzkrise nicht nur eine Ursache hat.

Bei den Währungsspekulationen gegen die ISK dürfte es selbst für Insider schwierig sein, den Anteil an der Krise zu bestimmen. Denn sicher waren die "Wettpartner" (Hedgefonds ./. isl. Zentralbank) mit unterschiedlichen Portokassen am Poker beteiligt. Ich bezweifele allerdings, dass das Hineinpumpen der isländischen Währungsreserven um gegen die Hedgefonds anzukommen, die Hauptursache für die Krise ist. Diese - am Anfang gern mal verwendete Begründung - habe ich in der letzten Zeit eher nicht mehr gehört. Ich denke, dass damit die Krise "nur" beschleunigt wurde, ebenso wie das (von mir nicht gutgeheissene) Verhalten der britischen Regierung bei der Anwendung der Anti-Terror-Gesetze.

Die tatsächlichen Ursachen liegen für mich eher im Bereich des Glaubens an die wundersame Geldvermehrung. Zur Absicherung von Krediten wurden nicht nur völlig überhöhte Immobilienpreise als "Gegenwert" angenommen, sondern in viel größerem Umfang auch Wetten auf zukünftige Kursentwicklungen. Wenn ein Häuslebauer seiner Bank als Sicherheit für den Hauskredit einen Lottoschein anböte, würde der Banker ihn rausschmeissen oder Herren mit dem weissen Jäckchen holen. In der Finanzwelt führte derartiges Gebaren ("Optimierung der Performance") jedoch zu hohen Boni-Zahlungen und damit zu einem hohen Anreiz. Dieses System ("Spekulationsblase") musste halt irgendwann krachen ("Marktbereinigung") - aber solange es gut geht, konnte damit richtig viel Geld "verdient" werden. Folglich hatte keiner ein Interesse am Kurswechsel. "No Risk - No Fun" beschreibt es vermutlich ziemlich gut.

Das Problem an der "Marktbereinigung" ist aber, dass nicht nur die virtuellen Gewinne der Zocker "verbrannt" werden, sondern auch real verdientes Geld dem Kreislauf entzogen wurde / wird. Das ist dann halt auch futsch. Die schicken Autos, Häuser und sonstigen Lebenshaltungskosten wurden ja nicht in Lottoscheinen bezahlt ....

Und hier komme ich nun auf die Staudämme: Ich denke nicht, dass er Hauptursache für den Crash in Island oder seine Verschärfung ist. Zum Einen steht ein realer wirtschaftlicher Gegenwert (Die ökölogische Komponente und die Frage der Nachhaltigkeit und damit der langfristigen Sinnhaftigkeit der Entscheidung klammere ich jetzt mal ganz bewusst aus!) als Sicherheit für die Kredite. Denn sie werden große Mengen Energie produzieren und verkaufen können. Selbst wenn es vielleicht doch mal andere Märkte als die Aluminiumverhüttung werden!

Auch wenn die Isländerin tendenziell mit ihrer Befürchtung recht hat(te), dass sich die hohe Staatsverschuldung Islands mal rächen könnte, habe ich den Eindruck, dass die Schulden für die Staudämme im Vergleich zu den Schulden der Banken so gering sind, dass der Handlungsspielraum des Staates ohne die Staudammschulden nicht wirklich größer gewesen wäre.

Genug der Bleiwüste. Nochmal zur Vermeidung von Mißverständnissen: Ich bin weder ein Befürworter der realen Staudämme, noch halte ich die isländischen Regierungen der letzten Jahre für schuldlos, noch sind die Amerikaner (oder Briten) an allem Schuld! Hier ist eine explosive Mischung hochgegangen. Schon der Hobby-Bombenbauer benötigt normalerweise Brennstoff, Sauerstoff UND Zündenergie damit's knallt.

Gruß Martin
(Oha, ist das lang geworden. :oops: Aber ich habe auch keine Ahnung, wie ich das sinnig kürzen sollte ... also viel Vergnügen damit)
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Sæmundur
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Beitrag von Sæmundur » Mi 3. Dez 2008, 19:53

Die Angaben im Nordic Statistical Yearbook (http://www.norden.org/pub/sk/showpub.asp?pubnr=2008:001, Figure 8.3) lassen darauf schließen, dass die isländischen Staatsschulden, gemessen am BIP, zumindest seit 1991 mit jenen anderer nordischer Staaten stets vergleichbar waren, von 2003 bis 2006 sogar deutlich niedriger. Im Jahr 2007, als Kárahnjúkavirkjun praktisch fertiggestellt war, betrugen die Staatsschulden immer noch weniger als 40 Prozent des BIP. Im Vergleich zu den jetzt kolportierten Horrorzahlen kann das Kraftwerk zur Krise eigentlich nicht signifikant beigetragen haben.

Beste Grüße
Ulrich
sgm

Beitrag von sgm » Mi 3. Dez 2008, 21:00

Ich würde inzwischen sogar noch weitergehen, dass es wirtschaftlich gesehen für Island nur positiv sein kann, dieses Staudammprojekt durchgeführt zu haben. Denn durch die Alu-verhüttung werden wieder die dringend benötigten Devisen ins Land kommen, die auch zur Schuldentilgung benötigt werden!

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