Meine Islandreise im Juli 2010

Erfahrungsaustausch mal ausführlich.
Patrik
Skogafoss-Surfer
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Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Patrik » Mo 20. Sep 2010, 20:02

Hallo zusammen,

leider ist mein 3-wöchiges Island-Abenteuer im Juli 2010 nun schon wieder über 2 Monate her.
Durch Arbeit & Fernstudium konnte ich bisher keine Zeit finden um die vielen Eindrücke in Worte zu fassen.
Es war eine unglaubliche Reise und meine Erinnerungen sind immer noch sehr präsent.
Immer wenn ich an die Zeit zurückdenke, sticht es mir im Herz und ich bekomme überwältigendes Fernweh.
Ich hätte nicht gedacht, dass dies ein "Urlaub" hervorrufen kann.

Durch das Forum konnte ich sehr viele wertvolle Infos sammeln und mich auf die Reise vorbereiten.
Ursprünglich hatte ich einen sehr genauen Plan ausgearbeitet (Kjalvegur, Laugavegur), vor Ort kam dann aber
alles anders und ich habe den Plan die ganzen 3 Wochen nicht einmal angesehen.
Dazu später mehr ;-)


11.07.2010 - Sonntag

Ursprünglich hatte ich einen Direktflug mit Air Berlin von Stuttgart nach Reykjavik gebucht.
Die Route wurde dann von Air Berlin geändert, sodass der Hinflug über Berlin gehen soll.
Abflug in Stuttgart um 20:30 Uhr, das war's dann mit dem WM-Finale, aber egal, Deutschland ist ja eh raus ;-)
Kurzer Zwischenstopp in Berlin, die Meute steigt aus, hockt sich vor den Fernseher und steigt in den nächsten Flieger ein.
Der Flug von der Dunkelheit wieder in's Helle ist merkwürdig.
Aus dem Flugzeug erkennt man den Vatnajökull und den Jökulsárlón.
In der untergehenden Sonne sieht Island von oben rau, kalt und abweisend aus.
Auf was habe ich mich da eingelassen?
Zum ersten Mal ist mir etwas mulmig zumute.

Schlaftrunken und verwirrt von der Helligkeit lande ich um 00:30 in Reykjavik.
Wie eine Horde Zombies geht es in der Gruppe zum Gepäckband.
Kurzer Stopp am flybus-Schalter, Ticket gekauft und ab in den Bus.
Mittlerweile ist es 1 Uhr vorbei, die Stimmung entspricht einer Winterdämmerung in Deutschland gegen 18 Uhr.
Das Thermometer am Flughafen zeigt 8°C.

Nach gefühlten 100 Hotel-Stopps erreicht der Bus den Campingplatz in Reykjavik um 01:45 Uhr.
Mit mir steigen nur 3 andere Reisende aus.
In Deutschland ist es nun schon wieder Morgen, dementsprechend fühle ich mich.
Der Zeltaufbau will nicht gelingen, alles ist naß und ich bin recht schnell am Ende mit den Nerven.
Vielleicht hätte ich das Zelt doch öfter als ein Mal bei strahlendem Sonnenschein in Deutschland aufbauen sollen?
Irgendwann klappt es dann und ich krieche erschöpft in den Schlafsack.

12.07.2010 - Montag

Die erste Nacht war übel.
Geschätzte 80 Mal bin ich aufgewacht weil irgendwas drückte oder mir irgendwas eingeschlafen ist.
Am Morgen ist durch den Tau alles naß, auch am Innenzelt hängen am Fußende dicke Tropfen.
Wieder kommen Zweifel in mir auf und ich bin leicht demotiviert.
Ich muss dazu sagen, dass dies meine erste große Zelttour war und ich die komplette Ausrüstung erstmal kaufen musste.
Dementsprechend ungewohnt war alles in den ersten Tagen.
Eigentlich hatte ich vor, vor der Islandreise noch ein paar kleine Touren zu machen, daraus ist aber durch Fernstudium und Umzug/Renovierung nichts geworden.

Nach dem Frühstück laufe ich an der Promenade Richtung Innenstadt.
Die Promenade mit Skyline und Hafen finde ich sehr schön.
Nach einem kurzen Bummel durch die Stadt kaufe ich 2 Serkort-Karten im Buchladen Mal og Menning.
Auf dem Rückweg esse ich bei Subway und bekomme prompt Durchfall.
Lustigerweise war das das einzige Mal, dass meine Verdauung verrückt spielte.
Danach hatte ich die ganzen 3 Wochen trotz Tütenfutter und einseitiger Ernährung keinerlei Probleme mehr.
Mittags liege ich bei angenehmen 17°C im Zelt und lese.
Morgen früh soll es mit dem Hochland-Bus nach Hvitarnes zu meiner ersten Tour gehen.

Bild Bild Bild

13.07.2010 - Dienstag

Da der Bus zum Busterminal schon um 7 Uhr kommt, stehe ich früh auf.
Wiedermal ist durch den Tau alles naß. Das Zelt packe ich triefnaß ein, das wird ein Spaß beim nächsten Aufbau.
Die verflixte Thermarest-Matte will auf Teufel komm raus nicht in ihren Packsack passen.
Haben die mir einen zu kleinen Sack geliefert?
Das darf doch wohl nicht wahr sein, wie schwer diese mistige Matte einzupacken ist.
Nach ewigem Zusammenpacken und viel zu wenig Frühstück laufe ich genervt zum Bus.
Kurze Zeit später kommen wir am Busterminal an und ich kaufe das Ticket nach Hvitarnes.

Zum ersten Mal geht es raus aus Reykjavik.
Vorbei an einer unglaublichen Landschaft durch endlose Lavafelder.
Diverse Stopps später kommen wir am Gullfoss an.
30 Minuten Zeit haben wir hier, nicht gerade viel zum Runterlaufen und Fotos schießen.
Gerade als ich aus dem Bus raus bin und die Treppen runterlaufe fängt es an zu regnen, spitze.
Im Nachhinein betrachtet hatte ich an Gullfoss + Geysir immer schlechtes Wetter, schade eigentlich.

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<< Fotos in meinem Blog: Geysir & Gullfoss >>
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Immer wieder denke ich daran, dass ich nachher irgendwo mitten in der Pampa aussteigen muss.
Der Regen steigert meine Stimmung nicht gerade und mir wird richtig mulmig.
Nach einem kurzen Stopp am Geysir geht es weiter Richtung Hvitarnes.
Kurze Zeit später hört die asphaltierte Straße auf und es geht weiter über Schotterstraßen.
Der Hochlandbus klappert und kreischt und droht jede Minute auseinander zu fallen.

Da es aufgehört hat zu regnen und die Sonne rauskommt steigert sich meine Laune etwas.
Die Landschaft ist atemberaubend, weit und breit keine Bebauung, keine Menschen, keine Zivilisation, nichts.
Je näher wir Hvitarnes kommen, desto mulmiger wird mir.
Gegen 12 Uhr kommen wir an der Kreuzung an.
Kaum bin ich aus dem Bus draußen fängt es wieder an zu regnen.
Im Schnelldurchlauf krame ich Regenjacke und Regenhose aus dem Rucksack.
Natürlich passt die Regenhose nicht über die Bergschuhe und ich muss die Schuhe ausziehen (hätte ich mal vorher testen sollen!!).
Nachdem ich endlich alles anhabe hört es wieder auf zu regnen :? .
Scheiss drauf, denke ich mir, jetzt laufe ich los.

Nach den ersten hundert Metern wird mir bewusst wie verdammt schwer mein Rucksack eigentlich ist.
Ich habe zwar extra auf leichte Ausrüstung geachtet, dennoch wiegt das Teil momentan um die 23 kg.
Zu viel für einen Untrainierten wie mich.
Der Klotz auf meinem Rücken scheint mir die Hüfte zu zerquetschen.
Wieder kommen Zweifel in mir hoch und ich bezweifle, dass meine Routenplanung für mich geeignet ist.
Nach ca. einer Stunde fängt es wieder an zu regnen.
Diesmal allerdings richtig, und mit richtig meine ich RICHTIG !
Vergleichbar mit einem deutschen Sommergewitter prasselt der Regen unbarmherzig auf mich ein.
Die Montane Superfly - Regenjacke mit Event-Memberan wird schon dicht sein, denke ich mir.
Falsch gedacht, wie sich später herausstellt.

Unterwegs treffe ich noch zwei andere Deutsche, welche auch auf dem Weg zur Hütte sind.
Ungefähr auf halber Strecke treffen wir uns im Regen an einer Kreuzung wieder und entschließen uns für den falschen Weg.
Nach ca. 40 Minuten kommen wir an zwei Not-Behausungen an, welche beide verschlossen sind.
Noch immer regnet es wie aus Eimern.
Jetzt erst schauen wir auf der Karte wo es eigentlich hingeht und bemerken, dass wir völlig falsch sind.
Hätten wir nur mal an der Kreuzung schon auf die Karte geschaut.
Weiter geht es querfeldein Richtung Hütte, der Regen will einfach nicht aufhören.
Nach ca. 2 Stunden kommen wir endlich an der Hütte an, welche schon vollbesetzt ist.
Im Eingangsbereich ist es kalt, dunkel und windig.
Kaum 10 Minuten später hört es auf regnen.
Ich bin total fertig mit der Welt und will nur noch heim.
Jetzt erst wird mir bewusst, wie schlimm mich der Regen erwischt hat.
Die Regenjacke ist komplett durch, das Fleece darunter vollgesaugt mit Wasser, das Merino-Shirt ebenfalls.
Hinten ist mir Wasser in die Hose gelaufen, Unterhose + Trekkinghose ebenfalls naß.
Einzig meine Meindl-Schuhe haben dichtgehalten.

Ich bin maßlos enttäuscht von der Regenjacke und am Ende mit den Nerven.
Einige Zeit lang sitze ich im Eingangsbereich und denke darüber nach, was ich nun mache.
Ich ziehe mir obenrum trockene Klamotten an und hänge das andere Zeug auf, das trocknet niemals bis morgen.
Auf Zelt aufbauen habe ich auch keine Lust, da das vom frühen Aufbruch auch total versifft ist.
Im oberen Stockwerk blase ich die Matte auf und lege mich zum Aufwärmen in den Schlafsack.
Immer wieder denke ich darüber nach, ob ich morgen weiterlaufe oder zurück nach Sellfoss fahre.
Einerseits will ich nicht aufgeben, andererseits bin ich nicht hier um irgendjemand etwas zu beweisen.

Gegen Abend kommen zwei belgische Familien an der Hütte an und machen sich im oberen Stockwerk breit.
Inmitten von 8 schreienden Kindern versuche ich etwas Ruhe zu finden, was natürlich nicht gelingt.
Den ganzen Abend lang esse und trinke ich nichts, gehe nur einmal aufs Klo und lese im Schlafsack.
Da es wieder angefangen hat zu regnen habe ich keine Lust das Zelt aufzubauen.
Ich bin hin und her gerissen von Hoffnung und Verzweiflung.
Irgendwann später beschließe ich, morgen früh zum Bus zurückzulaufen und wieder Richtung Reykjavik zu fahren.
Ich weiß nicht genau was ich erwartet hatte, aber irgendwie bin ich wohl zu blauäugig an die Sache rangegangen.
Die Nacht in der Hütte war die schlimmste, einsamste Nacht, welche ich je erlebt hatte.

Bild Bild Bild




Unglaublich wie viele Erinnerungen beim Schreiben wieder hochkommen.
Nun schreibe ich schon über eine Stunde und bin gerade mal beim zweiten Tag.
Fotos + die nächsten Tage folgen morgen :-)
Zuletzt geändert von Patrik am Mo 20. Sep 2010, 22:34, insgesamt 8-mal geändert.
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Monique » Mo 20. Sep 2010, 20:10

Patrik hat geschrieben:Immer wenn ich an die Zeit zurückdenke, sticht es mir im Herz und ich bekomme überwältigendes Fernweh.
Ich hätte nicht gedacht, dass dies ein "Urlaub" hervorrufen kann.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie infiziert sind. Infiziert mit dem Islandfieber. Die Heilungschancen sind recht gering, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Wir bedauern, Ihnen keine positivere Nachricht geben zu können. Genießen Sie Ihr Leben und reisen Sie so oft wie möglich nach Island. Das lindert den Schmerz zumindest.

Hi Patrik,

hab mich eben beim Lesen schon gekringelt und warte gespannt auf den nächsten Bericht!

Monique
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von stephan » Mo 20. Sep 2010, 20:12

Aubacke, Patrik, was für ein Urlaubsstart... :oops: :mrgreen: tschulligung :D

Ich denke, es kann nur noch besser werden. :P
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Uwe_R » Mo 20. Sep 2010, 20:16

Komm doch zum Islandtreffen, da wird das alles noch schlimmer...
;)
Gruß,
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Dominik » Mo 20. Sep 2010, 20:17

Hallo Patrik,

ich bin der eine der beiden Deutschen, die mit dir im strömenden Regen den falschen Weg genommen haben :mrgreen: !

Ich habe mich schon gefragt, was aus dir geworden ist, schließlich sind wir den gleichen Weg gelaufen und uns doch nicht mehr begegnet.

Aber ich denke, ich werde es in den nächsten Tagen lesen und bin schon mal sehr gespannt.

Vielen Dank für deinen Bericht. Ich hatte auch vor, Tagebuch zu führen, habe dann aber doch Block und Stift zuhause gelassen!

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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Juschka » Mo 20. Sep 2010, 21:03

Hallo Patrick,

jetzt freue ich mich auf morgen :-)

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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von stephan » Mo 20. Sep 2010, 21:52

Uwe_R hat geschrieben:Komm doch zum Islandtreffen, da wird das alles noch schlimmer...
;)
Ich hab gesehen, ist ja fast "um die Ecke", aber ich fahre ein paar Tage später nach Chile und muss noch vorbereiten, packen usw.
Dominik hat geschrieben:Hallo Patrick,

ich bin der eine der beiden Deutschen, die mit dir im strömenden Regen den falschen Weg genommen haben :mrgreen: !
Jetzt wirds aber spannend. :lol: Du darfst später auch gerne erzählen, wie dein Resturlaub verlief. :mrgreen:
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Dominik » Mo 20. Sep 2010, 22:06

Die Messlatte liegt hoch, was den Urlaubsbericht angeht. Aber vielleicht spornt es mich ja an ;) !
Patrik
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Patrik » Mo 20. Sep 2010, 22:07

Dominik hat geschrieben:Hallo Patrik,

ich bin der eine der beiden Deutschen, die mit dir im strömenden Regen den falschen Weg genommen haben :mrgreen: !

Ich habe mich schon gefragt, was aus dir geworden ist, schließlich sind wir den gleichen Weg gelaufen und uns doch nicht mehr begegnet.

Aber ich denke, ich werde es in den nächsten Tagen lesen und bin schon mal sehr gespannt.

Vielen Dank für deinen Bericht. Ich hatte auch vor, Tagebuch zu führen, habe dann aber doch Block und Stift zuhause gelassen!

Dominik
Ha, das ist ja cool :D
Hatte euch am nächsten Morgen nicht mehr gefunden, da waren nur noch die Belgier da.
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Re: Meine Islandreise im Juli 2010

Beitrag von Patrik » Mo 20. Sep 2010, 22:08

Uwe_R hat geschrieben:Komm doch zum Islandtreffen, da wird das alles noch schlimmer...
;)
Gruß,
Uwe
Würde ich sehr gerne, bin aber an dem Wochenende im Elsaß :)
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