„You just have to go around the mountain. It is beautiful.“

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Sigrid
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„You just have to go around the mountain. It is beautiful.“

Beitrag von Sigrid » So 14. Mai 2006, 19:38

Guten Tag, ein paar Stunden eines Wandertages in Island, Juli 2004. Viel Spaß beim Lesen und vielleicht gefällts dem geneigten Leser ja auch. Grüße Sigrid

„You just have to go around the mountain. It is beautiful.“

Die Wolken kleben an den Hängen, hüllen die Landschaft in ein gleichmäßiges Grau und lassen einen nur erahnen, was alles hinter ihnen liegen könnte. Selbst der Wind kann sie nicht recht bewegen. Hin und wieder zwinkern Uxitindur und Grettir herüber. Der Bach schlängelt sich gemächlich Richtung Hvangil, um sich dann später der Skafta zu nähren. Spuren weisen den Weg, zeugen von sporadischen Besuchen. Schafe, ein Wanderer, Jeepspuren. Mal verschwindet die Piste im Bachbett, mal taucht sie wieder auf. Erstaunlich, wo die überall lang fahren. Gefallen tut mir das nicht wirklich, ich bin aber auch ein bisschen dankbar für die Orientierungshilfe. Die Schafe und der Wanderer bleiben neben oder oberhalb vom Bach. Der Wind drückt den feinen Nieselregen gegen mich. Der Weg führt auch mich entlang des Baches, es geht leicht bergab und ich komme gut voran. Die Spuren sind mal deutlicher, mal schwächer zu sehen. Mal wird der Wind stärker, mal schwächer.

Neben dem Wind und dem Bach bin ich die einzige Bewegung. Es ist ruhig, nur der Wind und die Tropfen trommeln leicht gegen meine Kapuze. Ich bin gut eingepackt und durch das Laufen ist mir angenehm warm und ich kann mich auf den Weg und die Umgebung konzentrieren. Es sind keine Schafe zu sehen; die vertrauten drei hellen Punkte in der Landschaft bleiben wohl heute lieber in ihrer Grassodenhöhle.

Hin und wieder das Piep Piep des Goldregenpfeifers. Da! Ein Junges, das aufgeregt wegläuft. Hey, ich tu dir nichts! Mal muss der Bach überquert werden, mal kann ich ihn neben mir liegen lassen. Links vom Bach geht es sich prima, doch ich muss bald auf die rechte Seite. „You just have to go around the mountain. It is beautiful.“ Sagte der eine Isländer in der Hütte und nickte mir dabei lächelnd und bestätigend zu.

Die kleine Karte ist im Rucksack. Sicher verstaut. Ich weiß das ich sie heute nicht brauche. Vielleicht später mal, um zu sehen, wie weit ich es schon gekommen bin und wie weit es noch ist.

Bleibe ich zu lange auf der linken Seite, dann komme ich bestimmt zur Skafta – soll ich zur Skaelingar Hütte laufen? Nein, ich will auf direktem Weg nach Landmannalaugar laufen und mich an den Plan halten. Ich habe beim Abschied an der Sveinstindurhütte gesagt, dass ich auf der Jeeppiste laufen werde, also bleibe ich dabei. Also muss ich jetzt irgendwann auf die rechte Seite und dann so gerade wie möglich in Richtung offiziellen Piste.

Die Wolken halten mich gefangen, der Wind hält mich gefangen, der Nieselregen lässt mich nicht los, der Bach wird breiter, von rechts kommt ein nächster. Muss ich hier hoch? Nein. Es ist kein Mountain, der da durch die Wolken schaut. Nur ein Rücken.

Weiter auf der linken Seite, hier scheint der andere Wanderer nicht weiter gekommen zu sein. Ich gehe jedoch weiter. Dann muss ich aber das Ufer wechseln, eine gute Stelle gefunden. Schuhe ausziehen? Nein, es geht auch so. Zwei, drei Schritte und ich bin drüben. Die Schuhe sind dabei natürlich nass geworden. Mir die Sandalen anzuziehen hätte jedoch auch nichts gebracht, die Regenhose hätte ich hochkrempeln müssen oder gar ausziehen müssen und dann hätte es bestimmt in die Schuhe geregnet und dann auf der anderen Seite den ganzen Zirkus wieder rückwärts... ne, das rechnet sich nicht. Schuhe bleiben an, basta.

Der nächste Bach, er kommt aus einem kleinem Tal und ich finde schnell eine geeignete Stelle, ihn mit einem Schritt zu überqueren, die Schuhe „bleiben“ trocken. Ein paar Schritte steil bergauf und ich bin an der Seite des Hanges. Die Jeeps müssen wohl durch den breiteren Bach, der jetzt links von mir liegt, ich sehe wieder die Spuren. Der Bach nagt am gegenüberliegenden Ufer an dem Berg, schwarz, blank, verletzlich ist er dem ständigen nagen des Baches ausgeliefert.

Leichten Herzens und Schrittes laufe ich den Hang entlang. Links unten der Bach, der sich am gegenüberliegenden Ufer zu schaffen macht. Schwarzes Gestein, Moos, Wolken, Nieselregen, der gegen die Kapuze fällt. Dann gehtŽs den Hang wieder runter, wieder ein Bach, hinter dem Bach gehtŽs den nächsten Hang hoch. Da ist wieder die Jeepspur. Welch Gefühl. Nur mit der Karte im Kopf und der Beschreibung des Isländers bin ich durch das Bachsystem gekommen. Eigentlich ganz einfach...

Ein letzter Bach und ich bin raus. Die Jeeppiste muss oben am Ende des gegenüberliegenden Hanges sein. Rechts sehe ich nun den Mountain. Fantastische Höhlen schauen wie schwarze Augen zu mir herüber. Markante Punkte. Wie sagte jemand, mit dem ich hergereist bin: wenn es schon an der Ringstraße so schön ist, wie ist es dann im Inneren? (Kuen aus Belgien, er befindet sich nur wenige Kilometer südlich von mir. Er wird eine schöne Zeit verbringen.) Scharfkantige Eingänge zu den Höhlen. Was hat sich hier vor 100ten (?) von Jahren abgespielt? Ich muss den Hang nun absteigen, um den letzten Bach zu überqueren. Rechts gehtŽs bald nicht mehr weiter und ich suche eine passende Stelle. Unten am Bach schützt mich der Hang vor dem Nieselregen und dem Wind. Der Regen hebt sich auf dem schwarzen Hintergrund ab. Den Bach muss ich zweimal überqueren. Immer wieder geht mein Blick zu den Höhlen. Soll ich hoch kraxeln und in einer der Höhlen eine Pause machen? Nun bin ich auf der anderen Seite des Baches und steige den kurzen Hang hoch. Um zu den Höhlen zu gelangen, müsste ich wieder absteigen und über den Bach. Auch scheinen die Höhlen nicht sehr tief zu sein, der Wind drückt den Nieselregen um den Berg und es sieht so aus, als wenn einige der Tropfen in den Höhle ihren Bestimmungsort sehen und finden. Nein, meine Schuhe sind schon nass genug. Ein, zwei Fotos.

Es wird kühl. Der Wind fegt den weichen Regen in mein Gesicht, trotz der Kühle ein Genuss. Ich gehe weiter berauf. Kehre dem Nieselregen den Rücken zu. Der Boden ist weich, die Jeepspur wird deutlicher. Ein paar Blumen auf dem schwarzen Untergrund. Es ist ca. 12.00. Gleich muss die offizielle Piste kommen. Der Wind schiebt mich den Hang hoch, will mich die Landschaft loswerden? Störe ich? Es läuft sich wie von alleine. Ich bin eingetaucht, um gestärkt und glücklich wieder aufzutauchen. Diese kurze Zeit in der Hvangil wird immer bei mir bleiben. Prima Untergrund. Ein Traum für Füße und Schuhe! Hoffentlich ist die Piste nicht ganz so hart wie die F208.

Und dann stehe ich unmittelbar auf ihr. Deutlich hebt sie sich von der Umgebung ab. Es gibt keinen Zweifel. Ich habe es geschafft! Ein Blick zurück. Gegen den Wind, gegen den Regen. Ich verneige mich leicht vor der Großartigkeit, die im Kleinen liegt. Bedanke mich. Hier werden Sprichwörter lebendig. Hier atmen sie. Sie umschließen einen. Man läuft durch sie hindurch. Dann betrete ich die namenlose Piste. Schwarz liegt sie nun unter mir. Der Boden ist nass vom Regen. Ich wende mich nach links. Der Weg führt nach Westen. Ich kehre also dem Osten meinen Rücken zu. Der Wind schlägt nun den Regen etwas stärker gegen mich. Immer von links. Stetig. Meine Hände sind warm, meine Füße sind warm. Mein Herz kann sich nicht genug erwärmen an der Umgebung. Die Magie hält an. Rechts von mir hatte ich mir grandiose Ausblicke auf Berge, die teilweise an die 800m reichen, vorgestellt. Bizarre Formen. Gigantische Finger, die in den Himmel zeigen. Die Wolken wollen sie nicht preis geben. So stoßen meine Augen immer wieder auf diese graue Wand, die sich um mich herum aufbaut. Ist es meine innere nach außen getretene Mauer? Meine innerliche Wärme treibt mich an und mahnt mich zugleich, eine Pause zu machen. Der Rhythmus muss beibehalten werden. 1,5h laufen und dann mind. 10 Minuten Pause. Schließlich setze ich mich einfach auf die Piste. Sie liegt tiefer als die Umgebung. Sie wurde in die Landschaft eingefräst. Wie es hier wohl aussieht, wenn der Schnee und Frost beginnen, den Boden freizugeben? Muss die Piste neu gemacht werden? Mein Rucksack dient als Rückenlehne und als willkommener Schutz vor dem Wind und Regen. Da sitze ich nun, Müsliriegel, Wasser oder habe ich die Erdnüsse angebrochen? Wahrscheinlich schon. Obwohl Essen hier eine besondere Stellung einnimmt, kann ich mich nicht daran erinnern, was ich aß. Vielleicht weil es Routine ist. Wir vergessen die Hälfte unseres Leben, weil sie aus Routine besteht. Das ist vielleicht auch gut so. Würde unser Leben arm daran sein, hätten wir auch nichts aus dem wir herausbrechen könnten; alles wäre was besonderes und so würden wir die besonders besonderen Momente vielleicht gar nicht mehr zu schätzen wissen, durch die unsere Routine unterbrochen wird. Viele setzen Routine mit Langeweile gleich. Routine kann aber auch Sicherheit geben. Für mich war es an diesem Tag jedenfalls Routine nach ca. 1,5h eine Pause zu machen und etwas zu essen, zu trinken und aufzupassen, nicht auszukühlen, auch Routine.
Moderne Kleidung hin oder her, es wird einem trotzdem kalt und die Stelle lud nicht gerade zum Verweilen ein.

Also sattelte ich wieder meinen Rucksack, Stöcke in die Hände und weiter ging’s. Hin und wieder erkannte ich Fußspuren. Und irgendwann sah ich vor mir die Franzosen aus dem Kochzelt, die mind. 2 Stunden vor mir aufgebrochen waren! Da musste ich doch laut auflachen... das konnte doch nicht sein! Sie mussten die große Schleife am Langisjör durch den tiefen Sand gelaufen sein. Einige von der Gruppe haben mich gesehen und drehen sich zu mir um. Sie sind eine Abkürzung gegangen, die Straße fällt hier in ein Bachbett ab und steigt auf der anderen Seite wieder auf. Würde ich die Abkürzung nehmen, würde ich sie einholen. Ich bin aber alleine unterwegs; bleibe auf der sicheren Straße. Ich möchte nicht umknicken und so gehe ich die paar Meter Straße mehr. Da die anderen nur leichte Daypacks tragen, tun sie sich bei der Steigung am anderen Ufer leichter als ich. Als ich oben angelangt bin, haben sie einigen Boden gut gemacht. Trotzdem bin ich sehr erstaunt, dass ich sie fasst eingeholt habe. Nun nehme ich aber auch eine Abkürzung und folge den Spuren.

Ein Mitglied der Gruppe trägt einen Fahrradponcho. Die Beine sind dem Wetter ausgeliefert, hoffentlich verbirgt sich unter der Trekkinghose eine lange wärmende Unterhose; sonst stelle ich es mir echt ungemütlich vor. Die Gruppe ist in mehrere Grüppchen geteilt. Die hinteren warten immer wieder auf die Person mit dem Poncho, dann wartet der Poncho mit den anderen auf einen anderen Nachzügler. Nach ein paar hundert Metern erkenne ich, dass ich der Gruppe nicht blind nachlaufen darf, sondern mich wieder an die Piste halten sollte. Da sie ja zu der Skaelingar Hütte laufen werden, wie sie mir gestern mit leuchtenden Augen erzählt haben. Warum sie nicht den Weg nehmen, den Hendrick und ich von der Skaelingar Hütte zur Sveinstindur Hütte genommen hatten weiß ich nicht. Zu schwierig? Der Guide kennt den Weg nicht? Wahrscheinlich zu schwierig, die Gruppe nicht homogen genug. Das Stück im Bach bei diesem Wetter ist bestimmt kein Zuckerschlecken und bergauf gehtŽs auch. Der sandige Boden sollte jedoch eigentlich recht gut zu begehen sein. Na, egal.

Tatsächlich schlägt die führende Gruppe einen eher südlichen Kurs ein und ich muss wieder auf die Piste. Ich schaue immer wieder zu den Gruppen. Kleine bunte Punkte in der Einöde.

Irgendwann verliere ich sie aus den Augen und ich widme mich wieder dem Weg vor mir und dass ich nun wieder alleine on the road bin. Die Straße geht nun leicht bergab dann, erscheint plötzlich wie aus dem Nichts ein wirklich grandioser Blick:

es blitzt neongrün unter den Wolken hervor. Ein schmaler Streifen nur dort unten in der Ebene. Ein Fluss. Er sucht sich den einfachsten Weg. Schlängelt sich mal hier mal dort, aber dennoch unbeirrt und hartnäckig. Wie sieht es her wohl im Winter aus? Im Frühling, wenn die Schneeschmelze einzuggehalten hat und sich alles auf die Rückkehr des Lichtes und den Goldregenpfeifer vorbereitet?

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